Sie werden mir augenblicklich zum Herrn Kom- missair folgen, sagte der Mann.
Anton schüttelt seinen Wirthen die Hände, empfiehlt ihnen noch einmal den Abschiedsgruß für die fromme Schwester und geht, -- fest entschlossen vor Gericht die volle reine Wahrheit zu sagen, -- den schwersten Gang seines Lebens.
Der Kommissair, ein ergrauter Mann, empfing ihn ernst, maß ihn mit prüfendem Blick und fragte sodann: "wissen Sie, warum Sie bei mir sind?"
Jch kann es mir denken, erwiederte Anton.
"Nun, so sagen Sie es mir aus Jhrem eigenen Munde; ich will wissen, wie Sie selbst Jhre Lage beurtheilen."
Anton wurde durch diese Aufforderung, trotz sei- nes redlichsten Willens wahr zu sein, doch in tödt- liche Verlegenheit gesetzt, ob er die Gründe angeben solle und dürfe, die ihn zunächst nach Paris gezogen? Mußte er dann nicht eingestehen, daß er sich Adelens wegen mit einem falschen Paß hierher gewagt? Und stand nicht zu besorgen, daß er durch alle hierher gehörigen Bekenntnisse Schwester Antonina und deren
Die Vagabunden. III. 2
Sie werden mir augenblicklich zum Herrn Kom- miſſair folgen, ſagte der Mann.
Anton ſchuͤttelt ſeinen Wirthen die Haͤnde, empfiehlt ihnen noch einmal den Abſchiedsgruß fuͤr die fromme Schweſter und geht, — feſt entſchloſſen vor Gericht die volle reine Wahrheit zu ſagen, — den ſchwerſten Gang ſeines Lebens.
Der Kommiſſair, ein ergrauter Mann, empfing ihn ernſt, maß ihn mit pruͤfendem Blick und fragte ſodann: „wiſſen Sie, warum Sie bei mir ſind?“
Jch kann es mir denken, erwiederte Anton.
„Nun, ſo ſagen Sie es mir aus Jhrem eigenen Munde; ich will wiſſen, wie Sie ſelbſt Jhre Lage beurtheilen.“
Anton wurde durch dieſe Aufforderung, trotz ſei- nes redlichſten Willens wahr zu ſein, doch in toͤdt- liche Verlegenheit geſetzt, ob er die Gruͤnde angeben ſolle und duͤrfe, die ihn zunaͤchſt nach Paris gezogen? Mußte er dann nicht eingeſtehen, daß er ſich Adelens wegen mit einem falſchen Paß hierher gewagt? Und ſtand nicht zu beſorgen, daß er durch alle hierher gehoͤrigen Bekenntniſſe Schweſter Antonina und deren
Die Vagabunden. III. 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0021"n="17"/><p>Sie werden mir augenblicklich zum Herrn Kom-<lb/>
miſſair folgen, ſagte der Mann.</p><lb/><p>Anton ſchuͤttelt ſeinen Wirthen die Haͤnde, empfiehlt<lb/>
ihnen noch einmal den Abſchiedsgruß fuͤr die fromme<lb/>
Schweſter und geht, — feſt entſchloſſen vor Gericht<lb/>
die volle reine Wahrheit zu ſagen, — den ſchwerſten<lb/>
Gang ſeines Lebens.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Der Kommiſſair, ein ergrauter Mann, empfing<lb/>
ihn ernſt, maß ihn mit pruͤfendem Blick und fragte<lb/>ſodann: „wiſſen Sie, warum Sie bei mir ſind?“</p><lb/><p>Jch kann es mir denken, erwiederte Anton.</p><lb/><p>„Nun, ſo ſagen Sie es mir aus Jhrem eigenen<lb/>
Munde; ich will wiſſen, wie Sie ſelbſt Jhre Lage<lb/>
beurtheilen.“</p><lb/><p>Anton wurde durch dieſe Aufforderung, trotz ſei-<lb/>
nes redlichſten Willens wahr zu ſein, doch in toͤdt-<lb/>
liche Verlegenheit geſetzt, ob er die Gruͤnde angeben<lb/>ſolle und duͤrfe, die ihn zunaͤchſt nach Paris gezogen?<lb/>
Mußte er dann nicht eingeſtehen, daß er ſich Adelens<lb/>
wegen mit einem falſchen Paß hierher gewagt? Und<lb/>ſtand nicht zu beſorgen, daß er durch alle hierher<lb/>
gehoͤrigen Bekenntniſſe Schweſter Antonina und deren<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Die Vagabunden. <hirendition="#aq">III.</hi> 2</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[17/0021]
Sie werden mir augenblicklich zum Herrn Kom-
miſſair folgen, ſagte der Mann.
Anton ſchuͤttelt ſeinen Wirthen die Haͤnde, empfiehlt
ihnen noch einmal den Abſchiedsgruß fuͤr die fromme
Schweſter und geht, — feſt entſchloſſen vor Gericht
die volle reine Wahrheit zu ſagen, — den ſchwerſten
Gang ſeines Lebens.
Der Kommiſſair, ein ergrauter Mann, empfing
ihn ernſt, maß ihn mit pruͤfendem Blick und fragte
ſodann: „wiſſen Sie, warum Sie bei mir ſind?“
Jch kann es mir denken, erwiederte Anton.
„Nun, ſo ſagen Sie es mir aus Jhrem eigenen
Munde; ich will wiſſen, wie Sie ſelbſt Jhre Lage
beurtheilen.“
Anton wurde durch dieſe Aufforderung, trotz ſei-
nes redlichſten Willens wahr zu ſein, doch in toͤdt-
liche Verlegenheit geſetzt, ob er die Gruͤnde angeben
ſolle und duͤrfe, die ihn zunaͤchſt nach Paris gezogen?
Mußte er dann nicht eingeſtehen, daß er ſich Adelens
wegen mit einem falſchen Paß hierher gewagt? Und
ſtand nicht zu beſorgen, daß er durch alle hierher
gehoͤrigen Bekenntniſſe Schweſter Antonina und deren
Die Vagabunden. III. 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/21>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.