Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.Der dritte ging in eine Umarmung über, die Nun war es aus! Vorbei mit Anton's Beschei- Ach, sie fragten nicht mehr, was aus ihnen und Der dritte ging in eine Umarmung uͤber, die Nun war es aus! Vorbei mit Anton’s Beſchei- Ach, ſie fragten nicht mehr, was aus ihnen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0214" n="210"/> <p>Der dritte ging in eine Umarmung uͤber, die<lb/> urſpruͤnglich beſtimmt geweſen war, ein trotziges Los-<lb/> reißen, Aufſpringen, Entfliehen zu werden, die aber<lb/> den armen Kindern unter den Haͤnden umſchlug.</p><lb/> <p>Nun war es aus! Vorbei mit Anton’s Beſchei-<lb/> denheit, vorbei mit Hedwig’s Zuruͤckhaltung. <hi rendition="#g">Sie</hi><lb/> kam vom Schmerzenslager des Vaters, <hi rendition="#g">er</hi> vom<lb/> Sterbebett der kranken Frau: beide geruͤhrt, ergriffen,<lb/> erregt durch den Anblick des bitterſten Leidens, beide<lb/> aus duͤſtern Krankengemaͤchern in ein kleines, freund-<lb/> liches Stuͤbchen, wo ſie aufathmeten, Herz an Herz!</p><lb/> <p>Ach, ſie fragten nicht mehr, was aus ihnen und<lb/> ihrer Liebe werden ſolle? Sie behielten nur Sinn fuͤr<lb/> das, was ſie ſich waren. Jhre Liebe bluͤhte aus den<lb/> traurigen bedruͤckenden Umgebungen ihres Daſeins<lb/> empor, wie eine weiße, ſtrahlende Waſſerlilie auf<lb/> truͤbem Sumpfe. Und wenn die franzoͤſiſche Zunge<lb/> dienlich geweſen, ihnen fortzuhelfen uͤber die peinliche<lb/> Verlegenheit der erſten Geſtaͤndniſſe, ſo konnte ſie<lb/> doch nicht mehr ausreichen fuͤr das Beduͤrfniß der<lb/> Seelen, die ſich ſehnten, in einander aufzugehen, eine<lb/> Seele zu werden. Nein, ſie ſprachen Deutſch mit<lb/> einander. Die Laute der theuren Mutterſprache<lb/> mußten ihnen verkuͤnden, was Eines fuͤr das Andere<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [210/0214]
Der dritte ging in eine Umarmung uͤber, die
urſpruͤnglich beſtimmt geweſen war, ein trotziges Los-
reißen, Aufſpringen, Entfliehen zu werden, die aber
den armen Kindern unter den Haͤnden umſchlug.
Nun war es aus! Vorbei mit Anton’s Beſchei-
denheit, vorbei mit Hedwig’s Zuruͤckhaltung. Sie
kam vom Schmerzenslager des Vaters, er vom
Sterbebett der kranken Frau: beide geruͤhrt, ergriffen,
erregt durch den Anblick des bitterſten Leidens, beide
aus duͤſtern Krankengemaͤchern in ein kleines, freund-
liches Stuͤbchen, wo ſie aufathmeten, Herz an Herz!
Ach, ſie fragten nicht mehr, was aus ihnen und
ihrer Liebe werden ſolle? Sie behielten nur Sinn fuͤr
das, was ſie ſich waren. Jhre Liebe bluͤhte aus den
traurigen bedruͤckenden Umgebungen ihres Daſeins
empor, wie eine weiße, ſtrahlende Waſſerlilie auf
truͤbem Sumpfe. Und wenn die franzoͤſiſche Zunge
dienlich geweſen, ihnen fortzuhelfen uͤber die peinliche
Verlegenheit der erſten Geſtaͤndniſſe, ſo konnte ſie
doch nicht mehr ausreichen fuͤr das Beduͤrfniß der
Seelen, die ſich ſehnten, in einander aufzugehen, eine
Seele zu werden. Nein, ſie ſprachen Deutſch mit
einander. Die Laute der theuren Mutterſprache
mußten ihnen verkuͤnden, was Eines fuͤr das Andere
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