es, die mit fieberheißen Lippen Anton Trost und Hoffnung zusprach, wenn er hoffnungslos andeutete, daß er kein beglückendes Ende für seine Liebe erwar- ten könne, weil er ein Ausgestoßener, ein heimath- loser Bastard, ein armer Vagabund sei.
Geduld, Geduld! rief sie dann bisweilen und Anton wußte nicht, ob dieser Zuruf ihm und seiner Liebe, ob er der armen Leidenden gelten solle, die ihn an sich selbst richte.
Er hielt treulich bei ihr aus; pflegte sie liebevoll und heiter; so daß sie oft mit ihren brennenden Hän- den die seinigen ergriff, dankbar zum Munde führte und mit einem unbeschreiblichen Ausdruck zu ihm sagte: "Was Du mir gethan, hast Du Dir selbst gethan! Diese Nächte, Anton, werden Sie, wenn ich todt bin, um alle Schätze der Welt nicht verkaufen wollen."
Er aber dachte bei sich: sie phantasirt!
So getheilt zwischen Krankheit und frische Jugend, zwischen Tod und Liebe, brachte Anton einige Monate zu. Der arme Dreher, ohne Ein- nahme von seinem Ersparten zehrend; den Verlust der Frau, die ihm für sein Geschäft, in welches sie sich so rasch eingerichtet, unentbehrlich war, voraus-
es, die mit fieberheißen Lippen Anton Troſt und Hoffnung zuſprach, wenn er hoffnungslos andeutete, daß er kein begluͤckendes Ende fuͤr ſeine Liebe erwar- ten koͤnne, weil er ein Ausgeſtoßener, ein heimath- loſer Baſtard, ein armer Vagabund ſei.
Geduld, Geduld! rief ſie dann bisweilen und Anton wußte nicht, ob dieſer Zuruf ihm und ſeiner Liebe, ob er der armen Leidenden gelten ſolle, die ihn an ſich ſelbſt richte.
Er hielt treulich bei ihr aus; pflegte ſie liebevoll und heiter; ſo daß ſie oft mit ihren brennenden Haͤn- den die ſeinigen ergriff, dankbar zum Munde fuͤhrte und mit einem unbeſchreiblichen Ausdruck zu ihm ſagte: „Was Du mir gethan, haſt Du Dir ſelbſt gethan! Dieſe Naͤchte, Anton, werden Sie, wenn ich todt bin, um alle Schaͤtze der Welt nicht verkaufen wollen.“
Er aber dachte bei ſich: ſie phantaſirt!
So getheilt zwiſchen Krankheit und friſche Jugend, zwiſchen Tod und Liebe, brachte Anton einige Monate zu. Der arme Dreher, ohne Ein- nahme von ſeinem Erſparten zehrend; den Verluſt der Frau, die ihm fuͤr ſein Geſchaͤft, in welches ſie ſich ſo raſch eingerichtet, unentbehrlich war, voraus-
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[206/0210]
es, die mit fieberheißen Lippen Anton Troſt und
Hoffnung zuſprach, wenn er hoffnungslos andeutete,
daß er kein begluͤckendes Ende fuͤr ſeine Liebe erwar-
ten koͤnne, weil er ein Ausgeſtoßener, ein heimath-
loſer Baſtard, ein armer Vagabund ſei.
Geduld, Geduld! rief ſie dann bisweilen und
Anton wußte nicht, ob dieſer Zuruf ihm und ſeiner
Liebe, ob er der armen Leidenden gelten ſolle, die
ihn an ſich ſelbſt richte.
Er hielt treulich bei ihr aus; pflegte ſie liebevoll
und heiter; ſo daß ſie oft mit ihren brennenden Haͤn-
den die ſeinigen ergriff, dankbar zum Munde fuͤhrte
und mit einem unbeſchreiblichen Ausdruck zu ihm
ſagte: „Was Du mir gethan, haſt Du Dir ſelbſt
gethan! Dieſe Naͤchte, Anton, werden Sie, wenn ich
todt bin, um alle Schaͤtze der Welt nicht verkaufen
wollen.“
Er aber dachte bei ſich: ſie phantaſirt!
So getheilt zwiſchen Krankheit und friſche
Jugend, zwiſchen Tod und Liebe, brachte Anton
einige Monate zu. Der arme Dreher, ohne Ein-
nahme von ſeinem Erſparten zehrend; den Verluſt
der Frau, die ihm fuͤr ſein Geſchaͤft, in welches ſie
ſich ſo raſch eingerichtet, unentbehrlich war, voraus-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/210>, abgerufen am 26.07.2024.
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