Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Vielleicht würde mein Mann nicht verstehen,
was Sie damit sagen wollen. Ja, er würde vielleicht
argwöhnen, es verberge sich Spott hinter Jhrer Theil-
nahme. Für den Mechanismus seiner kleinen Figuren
ist er, gelobt zu werden, gewöhnt. Die Stücke, die
wir aufführen, hält er selbst für albernes Zeug und
würde sich, fürcht' ich, wundern, wenn man käme,
ihm das Gegentheil zu sagen."

Nicht möglich! Wie ist er dann im Stande, so
vortrefflich zu reden und namentlich dem Kasperle
einen solchen Grad von Vollkommenheit einzuhauchen?

"Mit dem Kasperle ist es ein Anderes; der geht
ihm von Herzen: das ist der eigentliche Ausdruck sei-
ner eigenthümlichen, vaterländischen Derbheit und
Schelmerei. Wie Sie ihn den Kasperle sprechen
hörten, höre ich ihn selbst stündlich mit mir sprechen.
Dagegen sind ihm die ernsten Personen unserer Schau-
stücke zur Last; was er mit Helden, Königen, Vätern
und Liebhabern eigentlich anfangen soll, weiß er nie-
mals. Früher hat er einen Gefährten gehabt, einen
verunglückten Schauspieler, der diese Parthieen über-
nommen und durchgeführt. Dieser Mann jedoch ist
ihm entlaufen, hat ihn böslich verlassen und seine
erste Frau bei Nacht und Nebel mit sich genommen.

Die Vagabunden. III. 12

„Vielleicht wuͤrde mein Mann nicht verſtehen,
was Sie damit ſagen wollen. Ja, er wuͤrde vielleicht
argwoͤhnen, es verberge ſich Spott hinter Jhrer Theil-
nahme. Fuͤr den Mechanismus ſeiner kleinen Figuren
iſt er, gelobt zu werden, gewoͤhnt. Die Stuͤcke, die
wir auffuͤhren, haͤlt er ſelbſt fuͤr albernes Zeug und
wuͤrde ſich, fuͤrcht’ ich, wundern, wenn man kaͤme,
ihm das Gegentheil zu ſagen.“

Nicht moͤglich! Wie iſt er dann im Stande, ſo
vortrefflich zu reden und namentlich dem Kasperle
einen ſolchen Grad von Vollkommenheit einzuhauchen?

„Mit dem Kasperle iſt es ein Anderes; der geht
ihm von Herzen: das iſt der eigentliche Ausdruck ſei-
ner eigenthuͤmlichen, vaterlaͤndiſchen Derbheit und
Schelmerei. Wie Sie ihn den Kasperle ſprechen
hoͤrten, hoͤre ich ihn ſelbſt ſtuͤndlich mit mir ſprechen.
Dagegen ſind ihm die ernſten Perſonen unſerer Schau-
ſtuͤcke zur Laſt; was er mit Helden, Koͤnigen, Vaͤtern
und Liebhabern eigentlich anfangen ſoll, weiß er nie-
mals. Fruͤher hat er einen Gefaͤhrten gehabt, einen
verungluͤckten Schauſpieler, der dieſe Parthieen uͤber-
nommen und durchgefuͤhrt. Dieſer Mann jedoch iſt
ihm entlaufen, hat ihn boͤslich verlaſſen und ſeine
erſte Frau bei Nacht und Nebel mit ſich genommen.

Die Vagabunden. III. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0181" n="177"/>
        <p>&#x201E;Vielleicht wu&#x0364;rde mein Mann nicht ver&#x017F;tehen,<lb/>
was Sie damit &#x017F;agen wollen. Ja, er wu&#x0364;rde vielleicht<lb/>
argwo&#x0364;hnen, es verberge &#x017F;ich Spott hinter Jhrer Theil-<lb/>
nahme. Fu&#x0364;r den Mechanismus &#x017F;einer kleinen Figuren<lb/>
i&#x017F;t er, gelobt zu werden, gewo&#x0364;hnt. Die Stu&#x0364;cke, die<lb/>
wir auffu&#x0364;hren, ha&#x0364;lt er &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r albernes Zeug und<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich, fu&#x0364;rcht&#x2019; ich, wundern, wenn man ka&#x0364;me,<lb/>
ihm das Gegentheil zu &#x017F;agen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nicht mo&#x0364;glich! Wie i&#x017F;t er dann im Stande, &#x017F;o<lb/>
vortrefflich zu reden und namentlich dem Kasperle<lb/>
einen &#x017F;olchen Grad von Vollkommenheit einzuhauchen?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit dem Kasperle i&#x017F;t es ein Anderes; der geht<lb/>
ihm von Herzen: das i&#x017F;t der eigentliche Ausdruck &#x017F;ei-<lb/>
ner eigenthu&#x0364;mlichen, vaterla&#x0364;ndi&#x017F;chen Derbheit und<lb/>
Schelmerei. Wie Sie ihn den Kasperle &#x017F;prechen<lb/>
ho&#x0364;rten, ho&#x0364;re ich ihn &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tu&#x0364;ndlich mit mir &#x017F;prechen.<lb/>
Dagegen &#x017F;ind ihm die ern&#x017F;ten Per&#x017F;onen un&#x017F;erer Schau-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cke zur La&#x017F;t; was er mit Helden, Ko&#x0364;nigen, Va&#x0364;tern<lb/>
und Liebhabern eigentlich anfangen &#x017F;oll, weiß er nie-<lb/>
mals. Fru&#x0364;her hat er einen Gefa&#x0364;hrten gehabt, einen<lb/>
verunglu&#x0364;ckten Schau&#x017F;pieler, der die&#x017F;e Parthieen u&#x0364;ber-<lb/>
nommen und durchgefu&#x0364;hrt. Die&#x017F;er Mann jedoch i&#x017F;t<lb/>
ihm entlaufen, hat ihn bo&#x0364;slich verla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;eine<lb/>
er&#x017F;te Frau bei Nacht und Nebel mit &#x017F;ich genommen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">III.</hi> 12</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0181] „Vielleicht wuͤrde mein Mann nicht verſtehen, was Sie damit ſagen wollen. Ja, er wuͤrde vielleicht argwoͤhnen, es verberge ſich Spott hinter Jhrer Theil- nahme. Fuͤr den Mechanismus ſeiner kleinen Figuren iſt er, gelobt zu werden, gewoͤhnt. Die Stuͤcke, die wir auffuͤhren, haͤlt er ſelbſt fuͤr albernes Zeug und wuͤrde ſich, fuͤrcht’ ich, wundern, wenn man kaͤme, ihm das Gegentheil zu ſagen.“ Nicht moͤglich! Wie iſt er dann im Stande, ſo vortrefflich zu reden und namentlich dem Kasperle einen ſolchen Grad von Vollkommenheit einzuhauchen? „Mit dem Kasperle iſt es ein Anderes; der geht ihm von Herzen: das iſt der eigentliche Ausdruck ſei- ner eigenthuͤmlichen, vaterlaͤndiſchen Derbheit und Schelmerei. Wie Sie ihn den Kasperle ſprechen hoͤrten, hoͤre ich ihn ſelbſt ſtuͤndlich mit mir ſprechen. Dagegen ſind ihm die ernſten Perſonen unſerer Schau- ſtuͤcke zur Laſt; was er mit Helden, Koͤnigen, Vaͤtern und Liebhabern eigentlich anfangen ſoll, weiß er nie- mals. Fruͤher hat er einen Gefaͤhrten gehabt, einen verungluͤckten Schauſpieler, der dieſe Parthieen uͤber- nommen und durchgefuͤhrt. Dieſer Mann jedoch iſt ihm entlaufen, hat ihn boͤslich verlaſſen und ſeine erſte Frau bei Nacht und Nebel mit ſich genommen. Die Vagabunden. III. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/181
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/181>, abgerufen am 24.11.2024.