Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

unheimlichem Feuer; sie betrachtete den Eintretenden
mit peinlich-scharfen Blicken, als wollte sie sich, nach-
dem sie nun erst überzeugt, daß er es wirklich sei, sich
auch versichern, ob er nicht augenblicklich wieder ver-
schwinden werde. Theils diese krankhafte Aufmerk-
samkeit auf jede seiner Bewegungen, theils eine unbe-
stimmte Erinnerung, die kranke, elend aussehende
Frau schon einmal irgendwo begegnet zu haben, ohne
doch im Entferntesten zu ahnen: wie? wo? und wann?
dies machte Anton so verlegen, daß er dringend nach
Herrn Dreher fragte, als wenn er diesem die wichtig-
sten Mittheilungen zu bringen hätte.

"Mein Mann kommt erst eine Stunde vor Beginn
der Vorstellung heim; wenn Sie sich so lange gedul-
den könnten? ..."

Und bei diesen Worten zitterte die Frau vor
Erwartung, was er darauf erwiedern werde.

Sie scheinen sich sehr übel zu befinden, sprach er;
vielleicht ist es Jhnen angenehmer, wenn ich mich jetzt
entferne, um später nachzufragen? Jch habe durchaus
kein Geschäft mit Jhrem Manne. Mich führte nichts
hierher, als die Freude, die ich gestern beim Anhören
des verlorenen Sohnes empfunden, und der Trieb,
diese Freude dem Schöpfer derselben mitzutheilen.

unheimlichem Feuer; ſie betrachtete den Eintretenden
mit peinlich-ſcharfen Blicken, als wollte ſie ſich, nach-
dem ſie nun erſt uͤberzeugt, daß er es wirklich ſei, ſich
auch verſichern, ob er nicht augenblicklich wieder ver-
ſchwinden werde. Theils dieſe krankhafte Aufmerk-
ſamkeit auf jede ſeiner Bewegungen, theils eine unbe-
ſtimmte Erinnerung, die kranke, elend ausſehende
Frau ſchon einmal irgendwo begegnet zu haben, ohne
doch im Entfernteſten zu ahnen: wie? wo? und wann?
dies machte Anton ſo verlegen, daß er dringend nach
Herrn Dreher fragte, als wenn er dieſem die wichtig-
ſten Mittheilungen zu bringen haͤtte.

„Mein Mann kommt erſt eine Stunde vor Beginn
der Vorſtellung heim; wenn Sie ſich ſo lange gedul-
den koͤnnten? ...“

Und bei dieſen Worten zitterte die Frau vor
Erwartung, was er darauf erwiedern werde.

Sie ſcheinen ſich ſehr uͤbel zu befinden, ſprach er;
vielleicht iſt es Jhnen angenehmer, wenn ich mich jetzt
entferne, um ſpaͤter nachzufragen? Jch habe durchaus
kein Geſchaͤft mit Jhrem Manne. Mich fuͤhrte nichts
hierher, als die Freude, die ich geſtern beim Anhoͤren
des verlorenen Sohnes empfunden, und der Trieb,
dieſe Freude dem Schoͤpfer derſelben mitzutheilen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="176"/>
unheimlichem Feuer; &#x017F;ie betrachtete den Eintretenden<lb/>
mit peinlich-&#x017F;charfen Blicken, als wollte &#x017F;ie &#x017F;ich, nach-<lb/>
dem &#x017F;ie nun er&#x017F;t u&#x0364;berzeugt, daß <hi rendition="#g">er</hi> es wirklich &#x017F;ei, &#x017F;ich<lb/>
auch ver&#x017F;ichern, ob er nicht augenblicklich wieder ver-<lb/>
&#x017F;chwinden werde. Theils die&#x017F;e krankhafte Aufmerk-<lb/>
&#x017F;amkeit auf jede &#x017F;einer Bewegungen, theils eine unbe-<lb/>
&#x017F;timmte Erinnerung, die kranke, elend aus&#x017F;ehende<lb/>
Frau &#x017F;chon einmal irgendwo begegnet zu haben, ohne<lb/>
doch im Entfernte&#x017F;ten zu ahnen: wie? wo? und wann?<lb/>
dies machte Anton &#x017F;o verlegen, daß er dringend nach<lb/>
Herrn Dreher fragte, als wenn er die&#x017F;em die wichtig-<lb/>
&#x017F;ten Mittheilungen zu bringen ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Mann kommt er&#x017F;t eine Stunde vor Beginn<lb/>
der Vor&#x017F;tellung heim; wenn Sie &#x017F;ich &#x017F;o lange gedul-<lb/>
den ko&#x0364;nnten? ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und bei die&#x017F;en Worten zitterte die Frau vor<lb/>
Erwartung, was er darauf erwiedern werde.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;cheinen &#x017F;ich &#x017F;ehr u&#x0364;bel zu befinden, &#x017F;prach er;<lb/>
vielleicht i&#x017F;t es Jhnen angenehmer, wenn ich mich jetzt<lb/>
entferne, um &#x017F;pa&#x0364;ter nachzufragen? Jch habe durchaus<lb/>
kein Ge&#x017F;cha&#x0364;ft mit Jhrem Manne. Mich fu&#x0364;hrte nichts<lb/>
hierher, als die Freude, die ich ge&#x017F;tern beim Anho&#x0364;ren<lb/>
des verlorenen Sohnes empfunden, und der Trieb,<lb/>
die&#x017F;e Freude dem Scho&#x0364;pfer der&#x017F;elben mitzutheilen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0180] unheimlichem Feuer; ſie betrachtete den Eintretenden mit peinlich-ſcharfen Blicken, als wollte ſie ſich, nach- dem ſie nun erſt uͤberzeugt, daß er es wirklich ſei, ſich auch verſichern, ob er nicht augenblicklich wieder ver- ſchwinden werde. Theils dieſe krankhafte Aufmerk- ſamkeit auf jede ſeiner Bewegungen, theils eine unbe- ſtimmte Erinnerung, die kranke, elend ausſehende Frau ſchon einmal irgendwo begegnet zu haben, ohne doch im Entfernteſten zu ahnen: wie? wo? und wann? dies machte Anton ſo verlegen, daß er dringend nach Herrn Dreher fragte, als wenn er dieſem die wichtig- ſten Mittheilungen zu bringen haͤtte. „Mein Mann kommt erſt eine Stunde vor Beginn der Vorſtellung heim; wenn Sie ſich ſo lange gedul- den koͤnnten? ...“ Und bei dieſen Worten zitterte die Frau vor Erwartung, was er darauf erwiedern werde. Sie ſcheinen ſich ſehr uͤbel zu befinden, ſprach er; vielleicht iſt es Jhnen angenehmer, wenn ich mich jetzt entferne, um ſpaͤter nachzufragen? Jch habe durchaus kein Geſchaͤft mit Jhrem Manne. Mich fuͤhrte nichts hierher, als die Freude, die ich geſtern beim Anhoͤren des verlorenen Sohnes empfunden, und der Trieb, dieſe Freude dem Schoͤpfer derſelben mitzutheilen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/180
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/180>, abgerufen am 24.11.2024.