Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

meinte sich berufen, eine Ursache anzugeben, und
wähnte diese Gelegenheit zur Herabsetzung des Ab-
wesenden und zur Erhebung seiner eigenen Tapfer-
keit benützen zu dürfen. Er gab alsobald ein Mähr-
chen zum Besten, welches ihn als glorreichen Sieger
über Anton darstellte, den er mit dem Beinamen
eines Vagabunden, lüderlichen Herumtreibers, durch-
geprügelten Händelmacher's reichlich beschenkte. Anton
vergaß seine guten Vorsätze, sich durchaus nicht zwi-
schen diese Personen stellen zu wollen; von verzeih-
lichem Zorne übermannt, trat er vor und führte, ohne
Schonung gegen einen prahlerischen Lügner, die Ver-
theidigung seiner Ehre, indem er die reine Wahrheit
erzählte. Dieser gegenüber blieb Graf Louis stumm:
sein Schweigen wurde zum Ankläger und Richter für
ihn in der Meinung der Damen.

Welche Folgen diese Szene gehabt und künftig
noch haben sollte, werden wir im weiteren Verlaufe
unserer Erzählung erfahren. Für jetzt genügt uns,
Anton's nächste Schicksale zu verfolgen und wir gelei-
ten ihn nur bis zu seinem ländlichen Stuhlwagen, in
welchem er ohne Weiteres die Reise nach E. antrat.



meinte ſich berufen, eine Urſache anzugeben, und
waͤhnte dieſe Gelegenheit zur Herabſetzung des Ab-
weſenden und zur Erhebung ſeiner eigenen Tapfer-
keit benuͤtzen zu duͤrfen. Er gab alſobald ein Maͤhr-
chen zum Beſten, welches ihn als glorreichen Sieger
uͤber Anton darſtellte, den er mit dem Beinamen
eines Vagabunden, luͤderlichen Herumtreibers, durch-
gepruͤgelten Haͤndelmacher’s reichlich beſchenkte. Anton
vergaß ſeine guten Vorſaͤtze, ſich durchaus nicht zwi-
ſchen dieſe Perſonen ſtellen zu wollen; von verzeih-
lichem Zorne uͤbermannt, trat er vor und fuͤhrte, ohne
Schonung gegen einen prahleriſchen Luͤgner, die Ver-
theidigung ſeiner Ehre, indem er die reine Wahrheit
erzaͤhlte. Dieſer gegenuͤber blieb Graf Louis ſtumm:
ſein Schweigen wurde zum Anklaͤger und Richter fuͤr
ihn in der Meinung der Damen.

Welche Folgen dieſe Szene gehabt und kuͤnftig
noch haben ſollte, werden wir im weiteren Verlaufe
unſerer Erzaͤhlung erfahren. Fuͤr jetzt genuͤgt uns,
Anton’s naͤchſte Schickſale zu verfolgen und wir gelei-
ten ihn nur bis zu ſeinem laͤndlichen Stuhlwagen, in
welchem er ohne Weiteres die Reiſe nach E. antrat.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="167"/>
meinte &#x017F;ich berufen, eine Ur&#x017F;ache anzugeben, und<lb/>
wa&#x0364;hnte die&#x017F;e Gelegenheit zur Herab&#x017F;etzung des Ab-<lb/>
we&#x017F;enden und zur Erhebung &#x017F;einer eigenen Tapfer-<lb/>
keit benu&#x0364;tzen zu du&#x0364;rfen. Er gab al&#x017F;obald ein Ma&#x0364;hr-<lb/>
chen zum Be&#x017F;ten, welches ihn als glorreichen Sieger<lb/>
u&#x0364;ber Anton dar&#x017F;tellte, den er mit dem Beinamen<lb/>
eines Vagabunden, lu&#x0364;derlichen Herumtreibers, durch-<lb/>
gepru&#x0364;gelten Ha&#x0364;ndelmacher&#x2019;s reichlich be&#x017F;chenkte. Anton<lb/>
vergaß &#x017F;eine guten Vor&#x017F;a&#x0364;tze, &#x017F;ich durchaus nicht zwi-<lb/>
&#x017F;chen die&#x017F;e Per&#x017F;onen &#x017F;tellen zu wollen; von verzeih-<lb/>
lichem Zorne u&#x0364;bermannt, trat er vor und fu&#x0364;hrte, ohne<lb/>
Schonung gegen einen prahleri&#x017F;chen Lu&#x0364;gner, die Ver-<lb/>
theidigung &#x017F;einer Ehre, indem er die reine Wahrheit<lb/>
erza&#x0364;hlte. Die&#x017F;er gegenu&#x0364;ber blieb Graf Louis &#x017F;tumm:<lb/>
&#x017F;ein Schweigen wurde zum Ankla&#x0364;ger und Richter fu&#x0364;r<lb/>
ihn in der Meinung der Damen.</p><lb/>
        <p>Welche Folgen die&#x017F;e Szene gehabt und ku&#x0364;nftig<lb/>
noch haben &#x017F;ollte, werden wir im weiteren Verlaufe<lb/>
un&#x017F;erer Erza&#x0364;hlung erfahren. Fu&#x0364;r jetzt genu&#x0364;gt uns,<lb/>
Anton&#x2019;s na&#x0364;ch&#x017F;te Schick&#x017F;ale zu verfolgen und wir gelei-<lb/>
ten ihn nur bis zu &#x017F;einem la&#x0364;ndlichen Stuhlwagen, in<lb/>
welchem er ohne Weiteres die Rei&#x017F;e nach E. antrat.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0171] meinte ſich berufen, eine Urſache anzugeben, und waͤhnte dieſe Gelegenheit zur Herabſetzung des Ab- weſenden und zur Erhebung ſeiner eigenen Tapfer- keit benuͤtzen zu duͤrfen. Er gab alſobald ein Maͤhr- chen zum Beſten, welches ihn als glorreichen Sieger uͤber Anton darſtellte, den er mit dem Beinamen eines Vagabunden, luͤderlichen Herumtreibers, durch- gepruͤgelten Haͤndelmacher’s reichlich beſchenkte. Anton vergaß ſeine guten Vorſaͤtze, ſich durchaus nicht zwi- ſchen dieſe Perſonen ſtellen zu wollen; von verzeih- lichem Zorne uͤbermannt, trat er vor und fuͤhrte, ohne Schonung gegen einen prahleriſchen Luͤgner, die Ver- theidigung ſeiner Ehre, indem er die reine Wahrheit erzaͤhlte. Dieſer gegenuͤber blieb Graf Louis ſtumm: ſein Schweigen wurde zum Anklaͤger und Richter fuͤr ihn in der Meinung der Damen. Welche Folgen dieſe Szene gehabt und kuͤnftig noch haben ſollte, werden wir im weiteren Verlaufe unſerer Erzaͤhlung erfahren. Fuͤr jetzt genuͤgt uns, Anton’s naͤchſte Schickſale zu verfolgen und wir gelei- ten ihn nur bis zu ſeinem laͤndlichen Stuhlwagen, in welchem er ohne Weiteres die Reiſe nach E. antrat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/171
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/171>, abgerufen am 24.11.2024.