solle! Anton konnte sich kaum so weit beherrschen, daß er ein lautes Hohngelächter unterdrückte; er verließ den treuherzigen Betbruder in Livree und begab sich nach dem Dorfe, wo er ein Fuhrwerk miethete, wel- ches ihn und seinen Kram noch an diesem Nachmit- tage fortschaffen sollte; er bestellte dasselbe, um kein Aufsehn zu machen, an eine Hinterthür des Gartens, schlich sich dann auf sein Zimmer, wo er zusammen- packte, rief einen Hausknecht zu Hülfe und machte sich mit diesem und seinem Gepäck auf den Weg, um den bestellten Wagen unbemerkt zu erreichen. Leider mußten sie hinter einem Bosquet vorüber, in wel- chem Louis mit den Damen, welche die letzten Strah- len einer matten Herbstsonne genießen wollten, bei'm Theetisch saß. Der alte Diener hatte kurz vorher Anton's Scheidebrief überreicht; es wurde darüber geredet. Anton hörte seinen Namen, winkte dem Hausknecht weiter zu gehen, und blieb einen Moment lauschend stehen. Er hörte, wie Mutter und Töchter, ihn lobend und seinen raschen Entschluß bedauernd, keine Ursache dafür zu finden wußten. Graf Louis, in übermüthiger Laune, in welche er durch die Ent- fernung eines Feindes versetzt war, der, wenn er hier blieb und redete, ihm sehr schädlich werden konnte,
ſolle! Anton konnte ſich kaum ſo weit beherrſchen, daß er ein lautes Hohngelaͤchter unterdruͤckte; er verließ den treuherzigen Betbruder in Livree und begab ſich nach dem Dorfe, wo er ein Fuhrwerk miethete, wel- ches ihn und ſeinen Kram noch an dieſem Nachmit- tage fortſchaffen ſollte; er beſtellte daſſelbe, um kein Aufſehn zu machen, an eine Hinterthuͤr des Gartens, ſchlich ſich dann auf ſein Zimmer, wo er zuſammen- packte, rief einen Hausknecht zu Huͤlfe und machte ſich mit dieſem und ſeinem Gepaͤck auf den Weg, um den beſtellten Wagen unbemerkt zu erreichen. Leider mußten ſie hinter einem Bosquet voruͤber, in wel- chem Louis mit den Damen, welche die letzten Strah- len einer matten Herbſtſonne genießen wollten, bei’m Theetiſch ſaß. Der alte Diener hatte kurz vorher Anton’s Scheidebrief uͤberreicht; es wurde daruͤber geredet. Anton hoͤrte ſeinen Namen, winkte dem Hausknecht weiter zu gehen, und blieb einen Moment lauſchend ſtehen. Er hoͤrte, wie Mutter und Toͤchter, ihn lobend und ſeinen raſchen Entſchluß bedauernd, keine Urſache dafuͤr zu finden wußten. Graf Louis, in uͤbermuͤthiger Laune, in welche er durch die Ent- fernung eines Feindes verſetzt war, der, wenn er hier blieb und redete, ihm ſehr ſchaͤdlich werden konnte,
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ſolle! Anton konnte ſich kaum ſo weit beherrſchen, daß
er ein lautes Hohngelaͤchter unterdruͤckte; er verließ
den treuherzigen Betbruder in Livree und begab ſich
nach dem Dorfe, wo er ein Fuhrwerk miethete, wel-
ches ihn und ſeinen Kram noch an dieſem Nachmit-
tage fortſchaffen ſollte; er beſtellte daſſelbe, um kein
Aufſehn zu machen, an eine Hinterthuͤr des Gartens,
ſchlich ſich dann auf ſein Zimmer, wo er zuſammen-
packte, rief einen Hausknecht zu Huͤlfe und machte
ſich mit dieſem und ſeinem Gepaͤck auf den Weg, um
den beſtellten Wagen unbemerkt zu erreichen. Leider
mußten ſie hinter einem Bosquet voruͤber, in wel-
chem Louis mit den Damen, welche die letzten Strah-
len einer matten Herbſtſonne genießen wollten, bei’m
Theetiſch ſaß. Der alte Diener hatte kurz vorher
Anton’s Scheidebrief uͤberreicht; es wurde daruͤber
geredet. Anton hoͤrte ſeinen Namen, winkte dem
Hausknecht weiter zu gehen, und blieb einen Moment
lauſchend ſtehen. Er hoͤrte, wie Mutter und Toͤchter,
ihn lobend und ſeinen raſchen Entſchluß bedauernd,
keine Urſache dafuͤr zu finden wußten. Graf Louis,
in uͤbermuͤthiger Laune, in welche er durch die Ent-
fernung eines Feindes verſetzt war, der, wenn er hier
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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