Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Durch dergleichen Betrachtungen versuchte sein
Unmuth sich Luft zu machen. Doch die Erleichte-
rung blieb nur gering, und er sehnte sich sehr unge-
duldig nach der baldigen Ankunft des verheißenen
Brautwerbers, die ihn seiner Lehrerwürde entbinden
und ihm gestatten würde, nach E. zurückzukehren,
wo er ebenfalls versuchen wollte, die Erbschaft Mira-
bels zu übernehmen. Denn in E. lebte Hedwig,
und wenn er auch auf sie nicht mehr als Schülerin
rechnen durfte, war es doch schon ein Glück, in einer
Stadt mit ihr zu weilen, -- ihr vielleicht bisweilen
zu begegnen, -- ihr vielleicht gar zeigen zu können,
daß die schwarze Schnur ..... "Wenn nur der
junge Graf schon in's Schloß führe!" stöhnte er von
einer Tanzlektion zur andern.

Und wie wenn sein Stöhnen das Geschick erweicht
hätte, der Ersehnte traf wirklich um eine Woche frü-
her ein, als man darauf gerechnet; kam so uner-
wartet und überraschend, daß er zum Schrecken der
Mutter, zum Schauder beider Tanten, mitten in eine
Tanzstunde platzte.

"Bitte, sich nicht stören zu lassen, meine Schö-
nen --" hier hielt er inne. Es ist schwer zu entschei-
den, ob er den Faden dieser etwas nach Billardzim-

Durch dergleichen Betrachtungen verſuchte ſein
Unmuth ſich Luft zu machen. Doch die Erleichte-
rung blieb nur gering, und er ſehnte ſich ſehr unge-
duldig nach der baldigen Ankunft des verheißenen
Brautwerbers, die ihn ſeiner Lehrerwuͤrde entbinden
und ihm geſtatten wuͤrde, nach E. zuruͤckzukehren,
wo er ebenfalls verſuchen wollte, die Erbſchaft Mira-
bels zu uͤbernehmen. Denn in E. lebte Hedwig,
und wenn er auch auf ſie nicht mehr als Schuͤlerin
rechnen durfte, war es doch ſchon ein Gluͤck, in einer
Stadt mit ihr zu weilen, — ihr vielleicht bisweilen
zu begegnen, — ihr vielleicht gar zeigen zu koͤnnen,
daß die ſchwarze Schnur ..... „Wenn nur der
junge Graf ſchon in’s Schloß fuͤhre!“ ſtoͤhnte er von
einer Tanzlektion zur andern.

Und wie wenn ſein Stoͤhnen das Geſchick erweicht
haͤtte, der Erſehnte traf wirklich um eine Woche fruͤ-
her ein, als man darauf gerechnet; kam ſo uner-
wartet und uͤberraſchend, daß er zum Schrecken der
Mutter, zum Schauder beider Tanten, mitten in eine
Tanzſtunde platzte.

„Bitte, ſich nicht ſtoͤren zu laſſen, meine Schoͤ-
nen —“ hier hielt er inne. Es iſt ſchwer zu entſchei-
den, ob er den Faden dieſer etwas nach Billardzim-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0168" n="164"/>
        <p>Durch dergleichen Betrachtungen ver&#x017F;uchte &#x017F;ein<lb/>
Unmuth &#x017F;ich Luft zu machen. Doch die Erleichte-<lb/>
rung blieb nur gering, und er &#x017F;ehnte &#x017F;ich &#x017F;ehr unge-<lb/>
duldig nach der baldigen Ankunft des verheißenen<lb/>
Brautwerbers, die ihn &#x017F;einer Lehrerwu&#x0364;rde entbinden<lb/>
und ihm ge&#x017F;tatten wu&#x0364;rde, nach E. zuru&#x0364;ckzukehren,<lb/>
wo er ebenfalls ver&#x017F;uchen wollte, die Erb&#x017F;chaft Mira-<lb/>
bels zu u&#x0364;bernehmen. Denn in E. lebte Hedwig,<lb/>
und wenn er auch auf &#x017F;ie nicht mehr als Schu&#x0364;lerin<lb/>
rechnen durfte, war es doch &#x017F;chon ein Glu&#x0364;ck, in einer<lb/>
Stadt mit ihr zu weilen, &#x2014; ihr vielleicht bisweilen<lb/>
zu begegnen, &#x2014; ihr vielleicht gar zeigen zu ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß die &#x017F;chwarze Schnur ..... &#x201E;Wenn nur der<lb/>
junge Graf &#x017F;chon in&#x2019;s Schloß fu&#x0364;hre!&#x201C; &#x017F;to&#x0364;hnte er von<lb/>
einer Tanzlektion zur andern.</p><lb/>
        <p>Und wie wenn &#x017F;ein Sto&#x0364;hnen das Ge&#x017F;chick erweicht<lb/>
ha&#x0364;tte, der Er&#x017F;ehnte traf wirklich um eine Woche fru&#x0364;-<lb/>
her ein, als man darauf gerechnet; kam &#x017F;o uner-<lb/>
wartet und u&#x0364;berra&#x017F;chend, daß er zum Schrecken der<lb/>
Mutter, zum Schauder beider Tanten, mitten in eine<lb/>
Tanz&#x017F;tunde platzte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bitte, &#x017F;ich nicht &#x017F;to&#x0364;ren zu la&#x017F;&#x017F;en, meine Scho&#x0364;-<lb/>
nen &#x2014;&#x201C; hier hielt er inne. Es i&#x017F;t &#x017F;chwer zu ent&#x017F;chei-<lb/>
den, ob er den Faden die&#x017F;er etwas nach Billardzim-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0168] Durch dergleichen Betrachtungen verſuchte ſein Unmuth ſich Luft zu machen. Doch die Erleichte- rung blieb nur gering, und er ſehnte ſich ſehr unge- duldig nach der baldigen Ankunft des verheißenen Brautwerbers, die ihn ſeiner Lehrerwuͤrde entbinden und ihm geſtatten wuͤrde, nach E. zuruͤckzukehren, wo er ebenfalls verſuchen wollte, die Erbſchaft Mira- bels zu uͤbernehmen. Denn in E. lebte Hedwig, und wenn er auch auf ſie nicht mehr als Schuͤlerin rechnen durfte, war es doch ſchon ein Gluͤck, in einer Stadt mit ihr zu weilen, — ihr vielleicht bisweilen zu begegnen, — ihr vielleicht gar zeigen zu koͤnnen, daß die ſchwarze Schnur ..... „Wenn nur der junge Graf ſchon in’s Schloß fuͤhre!“ ſtoͤhnte er von einer Tanzlektion zur andern. Und wie wenn ſein Stoͤhnen das Geſchick erweicht haͤtte, der Erſehnte traf wirklich um eine Woche fruͤ- her ein, als man darauf gerechnet; kam ſo uner- wartet und uͤberraſchend, daß er zum Schrecken der Mutter, zum Schauder beider Tanten, mitten in eine Tanzſtunde platzte. „Bitte, ſich nicht ſtoͤren zu laſſen, meine Schoͤ- nen —“ hier hielt er inne. Es iſt ſchwer zu entſchei- den, ob er den Faden dieſer etwas nach Billardzim-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/168
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/168>, abgerufen am 24.11.2024.