Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen. Binnen drei Wochen, -- denn nach Ablauf
dieser Frist wurde "Graf Louis" erwartet, -- ver-
langte man, daß Antoine Wunder gewirkt und den
Schwestern, hauptsächlich der zum Opfer auserwähl-
ten, beigebracht haben solle, was bis auf diesen
Augenblick wie unnütze, vielleicht sträfliche Tändelei,
gar nicht geübt worden war. Er selbst nannte die
Unterrichtsstunden, die er, -- natürlich in Gegen-
wart von Mutter und unterschiedlichen alten Tan-
ten, -- den linkischen, verlegenen, bleichsüchtigen
Mädchen täglich dreimal zu ertheilen hatte, eine
Pferde-Arbeit. Und er mußte sich häufig über dem
sündlichen Wunsche ertappen, daß es ihm vergönnt
sein möge, nur ein Bischen von den frivolen Anla-
gen seiner kürzlich verlassenen Schülerinnen auf die
unbewegliche, leblose Kälte der jetzigen zaubern zu
können, -- sollt' es auch mit Gefahr für der Letzte-
ren Sittsamkeit geschehen!

"Hedwig war doch gewiß ein Musterbild von
jungfräulicher, züchtiger Tugend. Aber wie gewandt
war sie dabei, wie graziös, -- die beste Tänzerin von
allen achten! Diese Drei tanzen wie bleierne Vögel.
Gott verzeih' mir's, ich glaube, sie haben krumme
Beine, weil sie so viel auf den Knieen beten müssen!"

11 *

laſſen. Binnen drei Wochen, — denn nach Ablauf
dieſer Friſt wurde „Graf Louis“ erwartet, — ver-
langte man, daß Antoine Wunder gewirkt und den
Schweſtern, hauptſaͤchlich der zum Opfer auserwaͤhl-
ten, beigebracht haben ſolle, was bis auf dieſen
Augenblick wie unnuͤtze, vielleicht ſtraͤfliche Taͤndelei,
gar nicht geuͤbt worden war. Er ſelbſt nannte die
Unterrichtsſtunden, die er, — natuͤrlich in Gegen-
wart von Mutter und unterſchiedlichen alten Tan-
ten, — den linkiſchen, verlegenen, bleichſuͤchtigen
Maͤdchen taͤglich dreimal zu ertheilen hatte, eine
Pferde-Arbeit. Und er mußte ſich haͤufig uͤber dem
ſuͤndlichen Wunſche ertappen, daß es ihm vergoͤnnt
ſein moͤge, nur ein Bischen von den frivolen Anla-
gen ſeiner kuͤrzlich verlaſſenen Schuͤlerinnen auf die
unbewegliche, lebloſe Kaͤlte der jetzigen zaubern zu
koͤnnen, — ſollt’ es auch mit Gefahr fuͤr der Letzte-
ren Sittſamkeit geſchehen!

„Hedwig war doch gewiß ein Muſterbild von
jungfraͤulicher, zuͤchtiger Tugend. Aber wie gewandt
war ſie dabei, wie grazioͤs, — die beſte Taͤnzerin von
allen achten! Dieſe Drei tanzen wie bleierne Voͤgel.
Gott verzeih’ mir’s, ich glaube, ſie haben krumme
Beine, weil ſie ſo viel auf den Knieen beten muͤſſen!“

11 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="163"/>
la&#x017F;&#x017F;en. Binnen drei Wochen, &#x2014; denn nach Ablauf<lb/>
die&#x017F;er Fri&#x017F;t wurde &#x201E;Graf Louis&#x201C; erwartet, &#x2014; ver-<lb/>
langte man, daß Antoine Wunder gewirkt und den<lb/>
Schwe&#x017F;tern, haupt&#x017F;a&#x0364;chlich der zum Opfer auserwa&#x0364;hl-<lb/>
ten, beigebracht haben &#x017F;olle, was bis auf die&#x017F;en<lb/>
Augenblick wie unnu&#x0364;tze, vielleicht &#x017F;tra&#x0364;fliche Ta&#x0364;ndelei,<lb/>
gar nicht geu&#x0364;bt worden war. Er &#x017F;elb&#x017F;t nannte die<lb/>
Unterrichts&#x017F;tunden, die er, &#x2014; natu&#x0364;rlich in Gegen-<lb/>
wart von Mutter und unter&#x017F;chiedlichen alten Tan-<lb/>
ten, &#x2014; den linki&#x017F;chen, verlegenen, bleich&#x017F;u&#x0364;chtigen<lb/>
Ma&#x0364;dchen ta&#x0364;glich dreimal zu ertheilen hatte, eine<lb/>
Pferde-Arbeit. Und er mußte &#x017F;ich ha&#x0364;ufig u&#x0364;ber dem<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ndlichen Wun&#x017F;che ertappen, daß es ihm vergo&#x0364;nnt<lb/>
&#x017F;ein mo&#x0364;ge, nur ein Bischen von den frivolen Anla-<lb/>
gen &#x017F;einer ku&#x0364;rzlich verla&#x017F;&#x017F;enen Schu&#x0364;lerinnen auf die<lb/>
unbewegliche, leblo&#x017F;e Ka&#x0364;lte der jetzigen zaubern zu<lb/>
ko&#x0364;nnen, &#x2014; &#x017F;ollt&#x2019; es auch mit Gefahr fu&#x0364;r der Letzte-<lb/>
ren Sitt&#x017F;amkeit ge&#x017F;chehen!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hedwig war doch gewiß ein Mu&#x017F;terbild von<lb/>
jungfra&#x0364;ulicher, zu&#x0364;chtiger Tugend. Aber wie gewandt<lb/>
war &#x017F;ie dabei, wie grazio&#x0364;s, &#x2014; die be&#x017F;te Ta&#x0364;nzerin von<lb/>
allen achten! Die&#x017F;e Drei tanzen wie bleierne Vo&#x0364;gel.<lb/>
Gott verzeih&#x2019; mir&#x2019;s, ich glaube, &#x017F;ie haben krumme<lb/>
Beine, weil &#x017F;ie &#x017F;o viel auf den Knieen beten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">11 *</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0167] laſſen. Binnen drei Wochen, — denn nach Ablauf dieſer Friſt wurde „Graf Louis“ erwartet, — ver- langte man, daß Antoine Wunder gewirkt und den Schweſtern, hauptſaͤchlich der zum Opfer auserwaͤhl- ten, beigebracht haben ſolle, was bis auf dieſen Augenblick wie unnuͤtze, vielleicht ſtraͤfliche Taͤndelei, gar nicht geuͤbt worden war. Er ſelbſt nannte die Unterrichtsſtunden, die er, — natuͤrlich in Gegen- wart von Mutter und unterſchiedlichen alten Tan- ten, — den linkiſchen, verlegenen, bleichſuͤchtigen Maͤdchen taͤglich dreimal zu ertheilen hatte, eine Pferde-Arbeit. Und er mußte ſich haͤufig uͤber dem ſuͤndlichen Wunſche ertappen, daß es ihm vergoͤnnt ſein moͤge, nur ein Bischen von den frivolen Anla- gen ſeiner kuͤrzlich verlaſſenen Schuͤlerinnen auf die unbewegliche, lebloſe Kaͤlte der jetzigen zaubern zu koͤnnen, — ſollt’ es auch mit Gefahr fuͤr der Letzte- ren Sittſamkeit geſchehen! „Hedwig war doch gewiß ein Muſterbild von jungfraͤulicher, zuͤchtiger Tugend. Aber wie gewandt war ſie dabei, wie grazioͤs, — die beſte Taͤnzerin von allen achten! Dieſe Drei tanzen wie bleierne Voͤgel. Gott verzeih’ mir’s, ich glaube, ſie haben krumme Beine, weil ſie ſo viel auf den Knieen beten muͤſſen!“ 11 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/167
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/167>, abgerufen am 18.05.2024.