Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn der nicht Achtung giebt beim Lernen, und wenn
die Reitpeitsche schon wackelt.

Sie ließ mich ausstottern und fing hierauf wieder
an: "Jch dachte mir's beinah', daß Jhr eine solche Un-
verschämtheit im Sinne habt, darum bin ich lieber
gleich herüber gekommen, statt mich niederzulegen.
Sagt mir nur, was Euch einfällt? Eh' ein junger
Bursch ein Mädel bei Nacht besucht, muß er doch
sicher sein, ob sie seinen Besuch haben will? Und daß
ich Euch nicht will, wüßtet ihr seit Eurem ersten Tritt
in's Haus, wenn Jhr nicht ein eitler Geck wäret, wie
sie wahrscheinlich draußen hundertweise umherlaufen.
Bei uns werden sie ausgelacht. Der Vater hat mir's
kund gegeben, daß er Euch meine Hand so zu sagen
versprochen. Jch hab' dem Vater darauf erklärt, daß
ich Euch nicht mag. Er wollte Euch das nicht selbst
eröffnen, wollte sein Wort nicht zurücknehmen; wir
haben uns fast verzürnt Euretwegen, er und ich. Jhr
seid der Stein des Anstoßes im Hause. Zu Anfang
dacht' ich, Jhr werdet mit Euch reden lassen, bemühete
mich, freundlich zu sein, die gute Stunde abzuwarten,
-- Jhr habt's falsch verstanden in Eurer hochmüthigen
Einbildung. Nun möchtet Jhr mir gar Gewalt
anthun? Jch will Euch 'was sagen: könnt Jhr meinen

Die Vagabunden. III. 9

wenn der nicht Achtung giebt beim Lernen, und wenn
die Reitpeitſche ſchon wackelt.

Sie ließ mich ausſtottern und fing hierauf wieder
an: „Jch dachte mir’s beinah’, daß Jhr eine ſolche Un-
verſchaͤmtheit im Sinne habt, darum bin ich lieber
gleich heruͤber gekommen, ſtatt mich niederzulegen.
Sagt mir nur, was Euch einfaͤllt? Eh’ ein junger
Burſch ein Maͤdel bei Nacht beſucht, muß er doch
ſicher ſein, ob ſie ſeinen Beſuch haben will? Und daß
ich Euch nicht will, wuͤßtet ihr ſeit Eurem erſten Tritt
in’s Haus, wenn Jhr nicht ein eitler Geck waͤret, wie
ſie wahrſcheinlich draußen hundertweiſe umherlaufen.
Bei uns werden ſie ausgelacht. Der Vater hat mir’s
kund gegeben, daß er Euch meine Hand ſo zu ſagen
verſprochen. Jch hab’ dem Vater darauf erklaͤrt, daß
ich Euch nicht mag. Er wollte Euch das nicht ſelbſt
eroͤffnen, wollte ſein Wort nicht zuruͤcknehmen; wir
haben uns faſt verzuͤrnt Euretwegen, er und ich. Jhr
ſeid der Stein des Anſtoßes im Hauſe. Zu Anfang
dacht’ ich, Jhr werdet mit Euch reden laſſen, bemuͤhete
mich, freundlich zu ſein, die gute Stunde abzuwarten,
— Jhr habt’s falſch verſtanden in Eurer hochmuͤthigen
Einbildung. Nun moͤchtet Jhr mir gar Gewalt
anthun? Jch will Euch ’was ſagen: koͤnnt Jhr meinen

Die Vagabunden. III. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry">
            <p><pb facs="#f0133" n="129"/>
wenn der nicht Achtung giebt beim Lernen, und wenn<lb/>
die Reitpeit&#x017F;che &#x017F;chon wackelt.</p><lb/>
            <p>Sie ließ mich aus&#x017F;tottern und fing hierauf wieder<lb/>
an: &#x201E;Jch dachte mir&#x2019;s beinah&#x2019;, daß Jhr eine &#x017F;olche Un-<lb/>
ver&#x017F;cha&#x0364;mtheit im Sinne habt, darum bin ich lieber<lb/>
gleich heru&#x0364;ber gekommen, &#x017F;tatt mich niederzulegen.<lb/>
Sagt mir nur, was Euch einfa&#x0364;llt? Eh&#x2019; ein junger<lb/>
Bur&#x017F;ch ein Ma&#x0364;del bei Nacht be&#x017F;ucht, muß er doch<lb/>
&#x017F;icher &#x017F;ein, ob &#x017F;ie &#x017F;einen Be&#x017F;uch haben will? Und daß<lb/>
ich Euch nicht will, wu&#x0364;ßtet ihr &#x017F;eit Eurem er&#x017F;ten Tritt<lb/>
in&#x2019;s Haus, wenn Jhr nicht ein eitler Geck wa&#x0364;ret, wie<lb/>
&#x017F;ie wahr&#x017F;cheinlich draußen hundertwei&#x017F;e umherlaufen.<lb/>
Bei uns werden &#x017F;ie ausgelacht. Der Vater hat mir&#x2019;s<lb/>
kund gegeben, daß er Euch meine Hand &#x017F;o zu &#x017F;agen<lb/>
ver&#x017F;prochen. Jch hab&#x2019; dem Vater darauf erkla&#x0364;rt, daß<lb/>
ich Euch nicht mag. Er wollte Euch das nicht &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ero&#x0364;ffnen, wollte &#x017F;ein Wort nicht zuru&#x0364;cknehmen; wir<lb/>
haben uns fa&#x017F;t verzu&#x0364;rnt Euretwegen, er und ich. Jhr<lb/>
&#x017F;eid der Stein des An&#x017F;toßes im Hau&#x017F;e. Zu Anfang<lb/>
dacht&#x2019; ich, Jhr werdet mit Euch reden la&#x017F;&#x017F;en, bemu&#x0364;hete<lb/>
mich, freundlich zu &#x017F;ein, die gute Stunde abzuwarten,<lb/>
&#x2014; Jhr habt&#x2019;s fal&#x017F;ch ver&#x017F;tanden in Eurer hochmu&#x0364;thigen<lb/>
Einbildung. Nun mo&#x0364;chtet Jhr mir gar Gewalt<lb/>
anthun? Jch will Euch &#x2019;was &#x017F;agen: ko&#x0364;nnt Jhr meinen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">III.</hi> 9</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0133] wenn der nicht Achtung giebt beim Lernen, und wenn die Reitpeitſche ſchon wackelt. Sie ließ mich ausſtottern und fing hierauf wieder an: „Jch dachte mir’s beinah’, daß Jhr eine ſolche Un- verſchaͤmtheit im Sinne habt, darum bin ich lieber gleich heruͤber gekommen, ſtatt mich niederzulegen. Sagt mir nur, was Euch einfaͤllt? Eh’ ein junger Burſch ein Maͤdel bei Nacht beſucht, muß er doch ſicher ſein, ob ſie ſeinen Beſuch haben will? Und daß ich Euch nicht will, wuͤßtet ihr ſeit Eurem erſten Tritt in’s Haus, wenn Jhr nicht ein eitler Geck waͤret, wie ſie wahrſcheinlich draußen hundertweiſe umherlaufen. Bei uns werden ſie ausgelacht. Der Vater hat mir’s kund gegeben, daß er Euch meine Hand ſo zu ſagen verſprochen. Jch hab’ dem Vater darauf erklaͤrt, daß ich Euch nicht mag. Er wollte Euch das nicht ſelbſt eroͤffnen, wollte ſein Wort nicht zuruͤcknehmen; wir haben uns faſt verzuͤrnt Euretwegen, er und ich. Jhr ſeid der Stein des Anſtoßes im Hauſe. Zu Anfang dacht’ ich, Jhr werdet mit Euch reden laſſen, bemuͤhete mich, freundlich zu ſein, die gute Stunde abzuwarten, — Jhr habt’s falſch verſtanden in Eurer hochmuͤthigen Einbildung. Nun moͤchtet Jhr mir gar Gewalt anthun? Jch will Euch ’was ſagen: koͤnnt Jhr meinen Die Vagabunden. III. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/133
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/133>, abgerufen am 25.11.2024.