Wie mir das Herz schlug, in Erwartung, die kleine Treppe hinauf.
Weil ich ihr Zeit lassen wollte, sich erst auszuklei- den, schielte ich nur seitwärts nach ihrer Stubenthür und trat in die meinige, um dort zu harren.
Wer saß da schon, lebendig und leibhaftig?
Sie! Sie selbst! Adelheid!
Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch sie ließ mich nicht im Zweifel; sie sprach mich an:
"Jhr habt das Schloß an meiner Thür verdorben, wahrscheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran gerüttelt habt, um einzudringen. Schade um das Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden wünschtet, durftet Jhr's nur sagen; ich hab' ja auch mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht schon längst geschehen. Jetzt bin ich hier; nun könnt ihr sprechen."
Die Seelenruhe des Mädchens machte mich irre. Jch stotterte etwas von getäuschter Hoffnung, von Ueberraschung in ihrem Gemach, von einsamem Lager, von zärtlichem Besuche und so dergleichen; brachte jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil sie mich dabei ansah, wie Papa Kästner seinen jüngsten Hirsch,
Wie mir das Herz ſchlug, in Erwartung, die kleine Treppe hinauf.
Weil ich ihr Zeit laſſen wollte, ſich erſt auszuklei- den, ſchielte ich nur ſeitwaͤrts nach ihrer Stubenthuͤr und trat in die meinige, um dort zu harren.
Wer ſaß da ſchon, lebendig und leibhaftig?
Sie! Sie ſelbſt! Adelheid!
Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch ſie ließ mich nicht im Zweifel; ſie ſprach mich an:
„Jhr habt das Schloß an meiner Thuͤr verdorben, wahrſcheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran geruͤttelt habt, um einzudringen. Schade um das Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden wuͤnſchtet, durftet Jhr’s nur ſagen; ich hab’ ja auch mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht ſchon laͤngſt geſchehen. Jetzt bin ich hier; nun koͤnnt ihr ſprechen.“
Die Seelenruhe des Maͤdchens machte mich irre. Jch ſtotterte etwas von getaͤuſchter Hoffnung, von Ueberraſchung in ihrem Gemach, von einſamem Lager, von zaͤrtlichem Beſuche und ſo dergleichen; brachte jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil ſie mich dabei anſah, wie Papa Kaͤſtner ſeinen juͤngſten Hirſch,
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Wie mir das Herz ſchlug, in Erwartung, die
kleine Treppe hinauf.
Weil ich ihr Zeit laſſen wollte, ſich erſt auszuklei-
den, ſchielte ich nur ſeitwaͤrts nach ihrer Stubenthuͤr
und trat in die meinige, um dort zu harren.
Wer ſaß da ſchon, lebendig und leibhaftig?
Sie! Sie ſelbſt! Adelheid!
Jch wußte gar nicht, was das bedeute! Doch ſie
ließ mich nicht im Zweifel; ſie ſprach mich an:
„Jhr habt das Schloß an meiner Thuͤr verdorben,
wahrſcheinlich, weil ihr mehreremale vergeblich daran
geruͤttelt habt, um einzudringen. Schade um das
Schloß. Wenn Jhr unter vier Augen mit mir zu reden
wuͤnſchtet, durftet Jhr’s nur ſagen; ich hab’ ja auch
mit Euch zu reden. Eure Schuld allein, daß es nicht
ſchon laͤngſt geſchehen. Jetzt bin ich hier; nun koͤnnt
ihr ſprechen.“
Die Seelenruhe des Maͤdchens machte mich irre.
Jch ſtotterte etwas von getaͤuſchter Hoffnung, von
Ueberraſchung in ihrem Gemach, von einſamem Lager,
von zaͤrtlichem Beſuche und ſo dergleichen; brachte
jedoch nichts Rechtes zu Stande, weil ſie mich dabei
anſah, wie Papa Kaͤſtner ſeinen juͤngſten Hirſch,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/132>, abgerufen am 26.06.2024.
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