Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Bücher muß ich mitbringen, wenn ich künftig zurück-
kehre."


"Jch bin, bei Lichte betrachtet, ein rechter Narr!
Da langweil' ich mich nun, wie sich nur meine Hasen
in ihrem dunklen Verschlage langweilen können, und
thue doch nichts dafür, etwas Leben in diese Einför-
migkeit zu bringen, wozu ich doch die schönste Gele-
genheit zur Hand hätte! Ein Mädel wie Adelheid
geht stündlich um mich herum, wohnt mir gegenüber,
Thür' an Thür' -- den alten Schornstein bei Seite
gesetzt, -- und ich weiche ihr aus. Warum? Weil
ihr Vater mir gesagt hat, daß ich seiner Tochter Ehe-
mann werden soll.

Jst das ein vernünftiger Grund? Werd' ich nicht
Zeit genug haben, mich gesetzlich zu langweilen, wenn
ich in Wahrheit verheirathet bin? Und wär' es nicht
gescheidter, die Gegenwart zu benützen, ohne an die
Zukunft zu denken? Eine Liebschaft hinter dem Rücken
des Vaters anfangen; mich ihr nähern und sie ver-
traulich machen, ohne vom Ehestand zu reden; den
Liebhaber spielen, wie wenn ich von meinen Berech-
tigungen keine Ahnung hätte, und so gewissermaßen
wie mein eigener Nebenbuhler auftreten? -- das

Buͤcher muß ich mitbringen, wenn ich kuͤnftig zuruͤck-
kehre.“


„Jch bin, bei Lichte betrachtet, ein rechter Narr!
Da langweil’ ich mich nun, wie ſich nur meine Haſen
in ihrem dunklen Verſchlage langweilen koͤnnen, und
thue doch nichts dafuͤr, etwas Leben in dieſe Einfoͤr-
migkeit zu bringen, wozu ich doch die ſchoͤnſte Gele-
genheit zur Hand haͤtte! Ein Maͤdel wie Adelheid
geht ſtuͤndlich um mich herum, wohnt mir gegenuͤber,
Thuͤr’ an Thuͤr’ — den alten Schornſtein bei Seite
geſetzt, — und ich weiche ihr aus. Warum? Weil
ihr Vater mir geſagt hat, daß ich ſeiner Tochter Ehe-
mann werden ſoll.

Jſt das ein vernuͤnftiger Grund? Werd’ ich nicht
Zeit genug haben, mich geſetzlich zu langweilen, wenn
ich in Wahrheit verheirathet bin? Und waͤr’ es nicht
geſcheidter, die Gegenwart zu benuͤtzen, ohne an die
Zukunft zu denken? Eine Liebſchaft hinter dem Ruͤcken
des Vaters anfangen; mich ihr naͤhern und ſie ver-
traulich machen, ohne vom Eheſtand zu reden; den
Liebhaber ſpielen, wie wenn ich von meinen Berech-
tigungen keine Ahnung haͤtte, und ſo gewiſſermaßen
wie mein eigener Nebenbuhler auftreten? — das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry">
            <p><pb facs="#f0120" n="116"/>
Bu&#x0364;cher muß ich mitbringen, wenn ich ku&#x0364;nftig zuru&#x0364;ck-<lb/>
kehre.&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div type="diaryEntry">
            <dateline> <hi rendition="#et">Vom 23. November.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x201E;Jch bin, bei Lichte betrachtet, ein rechter Narr!<lb/>
Da langweil&#x2019; ich mich nun, wie &#x017F;ich nur meine Ha&#x017F;en<lb/>
in ihrem dunklen Ver&#x017F;chlage langweilen ko&#x0364;nnen, und<lb/>
thue doch nichts dafu&#x0364;r, etwas Leben in die&#x017F;e Einfo&#x0364;r-<lb/>
migkeit zu bringen, wozu ich doch die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Gele-<lb/>
genheit zur Hand ha&#x0364;tte! Ein Ma&#x0364;del wie Adelheid<lb/>
geht &#x017F;tu&#x0364;ndlich um mich herum, wohnt mir gegenu&#x0364;ber,<lb/>
Thu&#x0364;r&#x2019; an Thu&#x0364;r&#x2019; &#x2014; den alten Schorn&#x017F;tein bei Seite<lb/>
ge&#x017F;etzt, &#x2014; und ich weiche ihr aus. Warum? Weil<lb/>
ihr Vater mir ge&#x017F;agt hat, daß ich &#x017F;einer Tochter Ehe-<lb/>
mann werden &#x017F;oll.</p><lb/>
            <p>J&#x017F;t das ein vernu&#x0364;nftiger Grund? Werd&#x2019; ich nicht<lb/>
Zeit genug haben, mich ge&#x017F;etzlich zu langweilen, wenn<lb/>
ich in Wahrheit verheirathet bin? Und wa&#x0364;r&#x2019; es nicht<lb/>
ge&#x017F;cheidter, die Gegenwart zu benu&#x0364;tzen, ohne an die<lb/>
Zukunft zu denken? Eine Lieb&#x017F;chaft hinter dem Ru&#x0364;cken<lb/>
des Vaters anfangen; mich ihr na&#x0364;hern und &#x017F;ie ver-<lb/>
traulich machen, ohne vom Ehe&#x017F;tand zu reden; den<lb/>
Liebhaber &#x017F;pielen, wie wenn ich von meinen Berech-<lb/>
tigungen keine Ahnung ha&#x0364;tte, und &#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen<lb/>
wie mein eigener Nebenbuhler auftreten? &#x2014; das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0120] Buͤcher muß ich mitbringen, wenn ich kuͤnftig zuruͤck- kehre.“ Vom 23. November. „Jch bin, bei Lichte betrachtet, ein rechter Narr! Da langweil’ ich mich nun, wie ſich nur meine Haſen in ihrem dunklen Verſchlage langweilen koͤnnen, und thue doch nichts dafuͤr, etwas Leben in dieſe Einfoͤr- migkeit zu bringen, wozu ich doch die ſchoͤnſte Gele- genheit zur Hand haͤtte! Ein Maͤdel wie Adelheid geht ſtuͤndlich um mich herum, wohnt mir gegenuͤber, Thuͤr’ an Thuͤr’ — den alten Schornſtein bei Seite geſetzt, — und ich weiche ihr aus. Warum? Weil ihr Vater mir geſagt hat, daß ich ſeiner Tochter Ehe- mann werden ſoll. Jſt das ein vernuͤnftiger Grund? Werd’ ich nicht Zeit genug haben, mich geſetzlich zu langweilen, wenn ich in Wahrheit verheirathet bin? Und waͤr’ es nicht geſcheidter, die Gegenwart zu benuͤtzen, ohne an die Zukunft zu denken? Eine Liebſchaft hinter dem Ruͤcken des Vaters anfangen; mich ihr naͤhern und ſie ver- traulich machen, ohne vom Eheſtand zu reden; den Liebhaber ſpielen, wie wenn ich von meinen Berech- tigungen keine Ahnung haͤtte, und ſo gewiſſermaßen wie mein eigener Nebenbuhler auftreten? — das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/120
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/120>, abgerufen am 26.11.2024.