"Die Adelheid ist eigentlich ein recht hübsches Mädchen. Wenn sie nur nicht für mich bestimmt wäre, und ich für sie; das raubt ihr in meinen Augen viel von ihren Reizen.
Und daß sie weiß, daß ich weiß, der Vater will sie mir geben, darin liegt die Prosa des Verhält- nisses. Sie selbst, so sehr sie wünschen mag, unter die Haube zu kommen, hält es gar nicht erst der Mühe werth, einen Liebeshandel anzuspinnen. Die Gewiß- heit, wie es werden wird, läßt auch sie ruhig erschei- nen. Denn daß der Alte ihr seinen Plan eröffnet hat, leidet keinen Zweifel. Jch entnehme das aus einzelnen Worten, die beiden gelegentlich entschlüpfen, wenn sie sich unbeachtet glauben.
Die Acker-Wirthschaft ist recht hübsch.
Am Ende, wenn Papa sich zur Ruhe setzt, künf- tig daheim bleibt und mich alljährlich mit den Thieren auf einen Ausflug entläßt, kann ich mir die Heirath gefallen lassen. Jch verbau're dann doch nicht ganz und gar, sehe immer wieder die große Welt, erlebe Mancherlei und halte nachher wieder ein Weilchen bei meiner kleinen Frau Gemahlin aus.
Es ist halt ein Leben wie ein anderes. Aber
8*
Vom 19. November.
„Die Adelheid iſt eigentlich ein recht huͤbſches Maͤdchen. Wenn ſie nur nicht fuͤr mich beſtimmt waͤre, und ich fuͤr ſie; das raubt ihr in meinen Augen viel von ihren Reizen.
Und daß ſie weiß, daß ich weiß, der Vater will ſie mir geben, darin liegt die Proſa des Verhaͤlt- niſſes. Sie ſelbſt, ſo ſehr ſie wuͤnſchen mag, unter die Haube zu kommen, haͤlt es gar nicht erſt der Muͤhe werth, einen Liebeshandel anzuſpinnen. Die Gewiß- heit, wie es werden wird, laͤßt auch ſie ruhig erſchei- nen. Denn daß der Alte ihr ſeinen Plan eroͤffnet hat, leidet keinen Zweifel. Jch entnehme das aus einzelnen Worten, die beiden gelegentlich entſchluͤpfen, wenn ſie ſich unbeachtet glauben.
Die Acker-Wirthſchaft iſt recht huͤbſch.
Am Ende, wenn Papa ſich zur Ruhe ſetzt, kuͤnf- tig daheim bleibt und mich alljaͤhrlich mit den Thieren auf einen Ausflug entlaͤßt, kann ich mir die Heirath gefallen laſſen. Jch verbau’re dann doch nicht ganz und gar, ſehe immer wieder die große Welt, erlebe Mancherlei und halte nachher wieder ein Weilchen bei meiner kleinen Frau Gemahlin aus.
Es iſt halt ein Leben wie ein anderes. Aber
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Vom 19. November.
„Die Adelheid iſt eigentlich ein recht huͤbſches
Maͤdchen. Wenn ſie nur nicht fuͤr mich beſtimmt waͤre,
und ich fuͤr ſie; das raubt ihr in meinen Augen viel
von ihren Reizen.
Und daß ſie weiß, daß ich weiß, der Vater
will ſie mir geben, darin liegt die Proſa des Verhaͤlt-
niſſes. Sie ſelbſt, ſo ſehr ſie wuͤnſchen mag, unter
die Haube zu kommen, haͤlt es gar nicht erſt der Muͤhe
werth, einen Liebeshandel anzuſpinnen. Die Gewiß-
heit, wie es werden wird, laͤßt auch ſie ruhig erſchei-
nen. Denn daß der Alte ihr ſeinen Plan eroͤffnet hat,
leidet keinen Zweifel. Jch entnehme das aus einzelnen
Worten, die beiden gelegentlich entſchluͤpfen, wenn ſie
ſich unbeachtet glauben.
Die Acker-Wirthſchaft iſt recht huͤbſch.
Am Ende, wenn Papa ſich zur Ruhe ſetzt, kuͤnf-
tig daheim bleibt und mich alljaͤhrlich mit den Thieren
auf einen Ausflug entlaͤßt, kann ich mir die Heirath
gefallen laſſen. Jch verbau’re dann doch nicht ganz
und gar, ſehe immer wieder die große Welt, erlebe
Mancherlei und halte nachher wieder ein Weilchen bei
meiner kleinen Frau Gemahlin aus.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/119>, abgerufen am 26.06.2024.
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