kehrt, heute hält er seinen Einzug in dem Gebirgs- dörfchen, allwo sein Herr und Meister -- vielleicht Schwiegervater -- heimisch ist; wo Adelheid ihm entgegen treten soll; wo, wenn anders menschlichen Plänen und Voraussetzungen zu vertrauen wäre, sein ruhelos-wandelbares Dasein nach und nach übergehen wird in friedfertige Einförmigkeit des auf kleiner Erd- scholle vegetirenden Menschenlebens.
Ein solcher Uebergang konnte nur durch Vermit- telung der Tochter vom Hause stattfinden; nur wenn Kästners Wunsch in Erfüllung ging, wenn Anton Adelheids Gatte wurde, war ihm diese kleine Hei- math beschieden. Darum auch dürfen wir ihn nicht schelten, daß er mit gespannter Ungeduld dem ersten Ersehen entgegenharrte. Ueber des "Kindes" Alter war der Vater bis jetzt eben so stumm geblieben, als über ihre etwaigen persönlichen Vorzüge. Er hatte sich begnügt, ihre Wirthschaftsführung zu preisen, ihre Häuslichkeit zu schildern, die Strenge ihres Re- gimentes in helles Licht zu stellen. Dadurch entstand in Antons Phantasie ein greller Umschlag. Aus dem derben, einfachen, doch hübschen und sanften Land- mädchen, wie er sich's erst träumen wollen, wuchs ihm durch des Vaters Schilderungen nach und nach
kehrt, heute haͤlt er ſeinen Einzug in dem Gebirgs- doͤrfchen, allwo ſein Herr und Meiſter — vielleicht Schwiegervater — heimiſch iſt; wo Adelheid ihm entgegen treten ſoll; wo, wenn anders menſchlichen Plaͤnen und Vorausſetzungen zu vertrauen waͤre, ſein ruhelos-wandelbares Daſein nach und nach uͤbergehen wird in friedfertige Einfoͤrmigkeit des auf kleiner Erd- ſcholle vegetirenden Menſchenlebens.
Ein ſolcher Uebergang konnte nur durch Vermit- telung der Tochter vom Hauſe ſtattfinden; nur wenn Kaͤſtners Wunſch in Erfuͤllung ging, wenn Anton Adelheids Gatte wurde, war ihm dieſe kleine Hei- math beſchieden. Darum auch duͤrfen wir ihn nicht ſchelten, daß er mit geſpannter Ungeduld dem erſten Erſehen entgegenharrte. Ueber des „Kindes“ Alter war der Vater bis jetzt eben ſo ſtumm geblieben, als uͤber ihre etwaigen perſoͤnlichen Vorzuͤge. Er hatte ſich begnuͤgt, ihre Wirthſchaftsfuͤhrung zu preiſen, ihre Haͤuslichkeit zu ſchildern, die Strenge ihres Re- gimentes in helles Licht zu ſtellen. Dadurch entſtand in Antons Phantaſie ein greller Umſchlag. Aus dem derben, einfachen, doch huͤbſchen und ſanften Land- maͤdchen, wie er ſich’s erſt traͤumen wollen, wuchs ihm durch des Vaters Schilderungen nach und nach
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kehrt, heute haͤlt er ſeinen Einzug in dem Gebirgs-
doͤrfchen, allwo ſein Herr und Meiſter — vielleicht
Schwiegervater — heimiſch iſt; wo Adelheid ihm
entgegen treten ſoll; wo, wenn anders menſchlichen
Plaͤnen und Vorausſetzungen zu vertrauen waͤre, ſein
ruhelos-wandelbares Daſein nach und nach uͤbergehen
wird in friedfertige Einfoͤrmigkeit des auf kleiner Erd-
ſcholle vegetirenden Menſchenlebens.
Ein ſolcher Uebergang konnte nur durch Vermit-
telung der Tochter vom Hauſe ſtattfinden; nur wenn
Kaͤſtners Wunſch in Erfuͤllung ging, wenn Anton
Adelheids Gatte wurde, war ihm dieſe kleine Hei-
math beſchieden. Darum auch duͤrfen wir ihn nicht
ſchelten, daß er mit geſpannter Ungeduld dem erſten
Erſehen entgegenharrte. Ueber des „Kindes“ Alter
war der Vater bis jetzt eben ſo ſtumm geblieben, als
uͤber ihre etwaigen perſoͤnlichen Vorzuͤge. Er hatte
ſich begnuͤgt, ihre Wirthſchaftsfuͤhrung zu preiſen,
ihre Haͤuslichkeit zu ſchildern, die Strenge ihres Re-
gimentes in helles Licht zu ſtellen. Dadurch entſtand
in Antons Phantaſie ein greller Umſchlag. Aus dem
derben, einfachen, doch huͤbſchen und ſanften Land-
maͤdchen, wie er ſich’s erſt traͤumen wollen, wuchs
ihm durch des Vaters Schilderungen nach und nach
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/114>, abgerufen am 26.06.2024.
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