den Besitzer eines freundlichen Hauses zu betrachten. Mit jeder Meile, welche ihn den Kästnerischen Do- mainen zuführte, malte er sich die jugendliche Ver- walterin hübscher und wünschenswerther aus. Daß sie Adelheid heiße, wie der Vater ihm vertraut, verlieh ihr aus der Ferne schon einen gewissen Zauber: wer hinderte ihn, eine Adelheid Adele zu nennen?
Wie beinahe für jeden Menschen gewisse Monate, ja Tage des Jahres in ihrer Wiederkehr niemals ohne Bedeutung bleiben, so scheint sich bei Anton der No- vember hervorzuthun, weil der Anfang desselben immer einen Wendepunkt seines Geschickes bezeichnet. Jn den ersten Tagen dieses Monats hat unserer Wanderer Liebenau verlassen; in den ersten Tagen des Novem- ber verbrannte die Menagerie der Simonelli; im No- vember war es, wo Adele Jartour sich von ihm trennte; im November, wo Käthchens gefährliche Neigung ihn einsam und freudlos nach Paris trieb; im November, wo mit Theodor eine kühne Hoffnung für ihn begraben ward.
Und heute, da der verhängnißvolle Tag ihm seit der Trennung von Liebenau zum fünftenmale wieder-
den Beſitzer eines freundlichen Hauſes zu betrachten. Mit jeder Meile, welche ihn den Kaͤſtneriſchen Do- mainen zufuͤhrte, malte er ſich die jugendliche Ver- walterin huͤbſcher und wuͤnſchenswerther aus. Daß ſie Adelheid heiße, wie der Vater ihm vertraut, verlieh ihr aus der Ferne ſchon einen gewiſſen Zauber: wer hinderte ihn, eine Adelheid Adele zu nennen?
Wie beinahe fuͤr jeden Menſchen gewiſſe Monate, ja Tage des Jahres in ihrer Wiederkehr niemals ohne Bedeutung bleiben, ſo ſcheint ſich bei Anton der No- vember hervorzuthun, weil der Anfang deſſelben immer einen Wendepunkt ſeines Geſchickes bezeichnet. Jn den erſten Tagen dieſes Monats hat unſerer Wanderer Liebenau verlaſſen; in den erſten Tagen des Novem- ber verbrannte die Menagerie der Simonelli; im No- vember war es, wo Adele Jartour ſich von ihm trennte; im November, wo Kaͤthchens gefaͤhrliche Neigung ihn einſam und freudlos nach Paris trieb; im November, wo mit Theodor eine kuͤhne Hoffnung fuͤr ihn begraben ward.
Und heute, da der verhaͤngnißvolle Tag ihm ſeit der Trennung von Liebenau zum fuͤnftenmale wieder-
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den Beſitzer eines freundlichen Hauſes zu betrachten.
Mit jeder Meile, welche ihn den Kaͤſtneriſchen Do-
mainen zufuͤhrte, malte er ſich die jugendliche Ver-
walterin huͤbſcher und wuͤnſchenswerther aus. Daß
ſie Adelheid heiße, wie der Vater ihm vertraut, verlieh
ihr aus der Ferne ſchon einen gewiſſen Zauber: wer
hinderte ihn, eine Adelheid Adele zu nennen?
Wie beinahe fuͤr jeden Menſchen gewiſſe Monate,
ja Tage des Jahres in ihrer Wiederkehr niemals ohne
Bedeutung bleiben, ſo ſcheint ſich bei Anton der No-
vember hervorzuthun, weil der Anfang deſſelben immer
einen Wendepunkt ſeines Geſchickes bezeichnet. Jn
den erſten Tagen dieſes Monats hat unſerer Wanderer
Liebenau verlaſſen; in den erſten Tagen des Novem-
ber verbrannte die Menagerie der Simonelli; im No-
vember war es, wo Adele Jartour ſich von ihm
trennte; im November, wo Kaͤthchens gefaͤhrliche
Neigung ihn einſam und freudlos nach Paris trieb;
im November, wo mit Theodor eine kuͤhne Hoffnung
fuͤr ihn begraben ward.
Und heute, da der verhaͤngnißvolle Tag ihm ſeit
der Trennung von Liebenau zum fuͤnftenmale wieder-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/113>, abgerufen am 29.06.2024.
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