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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Mädchen durch alle Zimmer, läßt sich tausenderlei
vorlegen, prüft, tadelt, wählt aus, macht die Leute
verdrüßlich, füllt endlich zwei riesenhafte Karton's
mit theuren Empletten, fordert verächtlich ihre Rech-
nung, will bezahlen -- und hat kein Geld bei sich.
Die Dame vom Komptoir macht ein langes Gesicht,
doch Bärbchens Zuversicht beruhigt sie halb und halb.
Man giebt ihr auf die Versicherung, daß sie dicht bei
wohne, einen handfesten Markthelfer mit, dem, wie
sie wohl hört, heimlich eingeschärft wird, Schachteln
sammt Jnhalt nicht eher zu verabfolgen, als bis er
das Geld dafür sehe. Sie gehen, treten in ein nahe-
gelegenes Haus und beim ersten Schritte, den sie hin-
ein thut, entdeckt sie, daß sie sich in der Straße geirrt,
daß sie sich in einer ihr völlig fremden Gegend befin-
det; daß dies Haus, welches sie im Vorbeifahren für
unser Hotel gehalten, nur zufällig einige Aehnlichkeit
mit demselben habe. Der Bursche wird unartig, der
Portier mengt sich hinein und schüttelt den Kopf;
Bärbchen besteht darauf, man solle die Sachen in
ihre Wohnung tragen: die Männer erwiedern, das
gehe nicht so, dergleichen Schwindeleien kenne man
schon, und was ähnlicher Artigkeiten mehr sind.

Maͤdchen durch alle Zimmer, laͤßt ſich tauſenderlei
vorlegen, pruͤft, tadelt, waͤhlt aus, macht die Leute
verdruͤßlich, fuͤllt endlich zwei rieſenhafte Karton’s
mit theuren Empletten, fordert veraͤchtlich ihre Rech-
nung, will bezahlen — und hat kein Geld bei ſich.
Die Dame vom Komptoir macht ein langes Geſicht,
doch Baͤrbchens Zuverſicht beruhigt ſie halb und halb.
Man giebt ihr auf die Verſicherung, daß ſie dicht bei
wohne, einen handfeſten Markthelfer mit, dem, wie
ſie wohl hoͤrt, heimlich eingeſchaͤrft wird, Schachteln
ſammt Jnhalt nicht eher zu verabfolgen, als bis er
das Geld dafuͤr ſehe. Sie gehen, treten in ein nahe-
gelegenes Haus und beim erſten Schritte, den ſie hin-
ein thut, entdeckt ſie, daß ſie ſich in der Straße geirrt,
daß ſie ſich in einer ihr voͤllig fremden Gegend befin-
det; daß dies Haus, welches ſie im Vorbeifahren fuͤr
unſer Hôtel gehalten, nur zufaͤllig einige Aehnlichkeit
mit demſelben habe. Der Burſche wird unartig, der
Portier mengt ſich hinein und ſchuͤttelt den Kopf;
Baͤrbchen beſteht darauf, man ſolle die Sachen in
ihre Wohnung tragen: die Maͤnner erwiedern, das
gehe nicht ſo, dergleichen Schwindeleien kenne man
ſchon, und was aͤhnlicher Artigkeiten mehr ſind.

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[294/0296] Maͤdchen durch alle Zimmer, laͤßt ſich tauſenderlei vorlegen, pruͤft, tadelt, waͤhlt aus, macht die Leute verdruͤßlich, fuͤllt endlich zwei rieſenhafte Karton’s mit theuren Empletten, fordert veraͤchtlich ihre Rech- nung, will bezahlen — und hat kein Geld bei ſich. Die Dame vom Komptoir macht ein langes Geſicht, doch Baͤrbchens Zuverſicht beruhigt ſie halb und halb. Man giebt ihr auf die Verſicherung, daß ſie dicht bei wohne, einen handfeſten Markthelfer mit, dem, wie ſie wohl hoͤrt, heimlich eingeſchaͤrft wird, Schachteln ſammt Jnhalt nicht eher zu verabfolgen, als bis er das Geld dafuͤr ſehe. Sie gehen, treten in ein nahe- gelegenes Haus und beim erſten Schritte, den ſie hin- ein thut, entdeckt ſie, daß ſie ſich in der Straße geirrt, daß ſie ſich in einer ihr voͤllig fremden Gegend befin- det; daß dies Haus, welches ſie im Vorbeifahren fuͤr unſer Hôtel gehalten, nur zufaͤllig einige Aehnlichkeit mit demſelben habe. Der Burſche wird unartig, der Portier mengt ſich hinein und ſchuͤttelt den Kopf; Baͤrbchen beſteht darauf, man ſolle die Sachen in ihre Wohnung tragen: die Maͤnner erwiedern, das gehe nicht ſo, dergleichen Schwindeleien kenne man ſchon, und was aͤhnlicher Artigkeiten mehr ſind.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/296>, abgerufen am 28.11.2024.