Niemand mehr von der ganzen Verwandtschaft am Leben, wie des verstorbenen Vaters Bruder, der gute Pastor Karich in Liebenau. Diesen auszufor- schen trieb ihn wehmüthige Erinnerung an die dahin- geschiedenen Eltern, denen er so viel Kummer gemacht. Doch kaum war die erste Stunde, dem Gedächtniß der Todten geweiht, vorüber, als des Mannes unver- wüstliche Lustigkeit wieder ausbrach und er in den nachgiebigen Oheim drang, ihn bei Onkel Nasus ein- zuführen, von dessen Nase, großem Durst und drei- töchterlichem Kleeblatt, die gestern zur Sonnabend- feier angelangten Vettern mit schülerhafter Begeiste- rung verkündeten. Nasus, jeglicher künstlerischen Re- gung fremd und ohne Spur von Antheil für einen Virtuosen, nahm doch den Neffen seines treuen See- lenhirten und Winterabend-Gesellschafters gut genug auf, wurde aber sogleich überaus gnädig gegen ihn, als Carino angedeutet, daß Künstler, besonders musi- kalische, unaufhörlich Durst empfänden. Mit Weine angefeuchtet ließ er sich denn auch die fabelhaften Mittheilungen aus Carino's Jrrfahrten huldreich munden. Die Andern hörten zu, wie man thut, wo man nichts Besseres zu thun weiß. Ottilie, wie schon erwähnt, schien mit ihren Gedanken am blauen Him-
Niemand mehr von der ganzen Verwandtſchaft am Leben, wie des verſtorbenen Vaters Bruder, der gute Paſtor Karich in Liebenau. Dieſen auszufor- ſchen trieb ihn wehmuͤthige Erinnerung an die dahin- geſchiedenen Eltern, denen er ſo viel Kummer gemacht. Doch kaum war die erſte Stunde, dem Gedaͤchtniß der Todten geweiht, voruͤber, als des Mannes unver- wuͤſtliche Luſtigkeit wieder ausbrach und er in den nachgiebigen Oheim drang, ihn bei Onkel Naſus ein- zufuͤhren, von deſſen Naſe, großem Durſt und drei- toͤchterlichem Kleeblatt, die geſtern zur Sonnabend- feier angelangten Vettern mit ſchuͤlerhafter Begeiſte- rung verkuͤndeten. Naſus, jeglicher kuͤnſtleriſchen Re- gung fremd und ohne Spur von Antheil fuͤr einen Virtuoſen, nahm doch den Neffen ſeines treuen See- lenhirten und Winterabend-Geſellſchafters gut genug auf, wurde aber ſogleich uͤberaus gnaͤdig gegen ihn, als Carino angedeutet, daß Kuͤnſtler, beſonders muſi- kaliſche, unaufhoͤrlich Durſt empfaͤnden. Mit Weine angefeuchtet ließ er ſich denn auch die fabelhaften Mittheilungen aus Carino’s Jrrfahrten huldreich munden. Die Andern hoͤrten zu, wie man thut, wo man nichts Beſſeres zu thun weiß. Ottilie, wie ſchon erwaͤhnt, ſchien mit ihren Gedanken am blauen Him-
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Niemand mehr von der ganzen Verwandtſchaft am
Leben, wie des verſtorbenen Vaters Bruder, der
gute Paſtor Karich in Liebenau. Dieſen auszufor-
ſchen trieb ihn wehmuͤthige Erinnerung an die dahin-
geſchiedenen Eltern, denen er ſo viel Kummer gemacht.
Doch kaum war die erſte Stunde, dem Gedaͤchtniß
der Todten geweiht, voruͤber, als des Mannes unver-
wuͤſtliche Luſtigkeit wieder ausbrach und er in den
nachgiebigen Oheim drang, ihn bei Onkel Naſus ein-
zufuͤhren, von deſſen Naſe, großem Durſt und drei-
toͤchterlichem Kleeblatt, die geſtern zur Sonnabend-
feier angelangten Vettern mit ſchuͤlerhafter Begeiſte-
rung verkuͤndeten. Naſus, jeglicher kuͤnſtleriſchen Re-
gung fremd und ohne Spur von Antheil fuͤr einen
Virtuoſen, nahm doch den Neffen ſeines treuen See-
lenhirten und Winterabend-Geſellſchafters gut genug
auf, wurde aber ſogleich uͤberaus gnaͤdig gegen ihn,
als Carino angedeutet, daß Kuͤnſtler, beſonders muſi-
kaliſche, unaufhoͤrlich Durſt empfaͤnden. Mit Weine
angefeuchtet ließ er ſich denn auch die fabelhaften
Mittheilungen aus Carino’s Jrrfahrten huldreich
munden. Die Andern hoͤrten zu, wie man thut, wo
man nichts Beſſeres zu thun weiß. Ottilie, wie ſchon
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/78>, abgerufen am 22.11.2024.
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