weiter hinauf) ererbt hatte, war auch einmal jung gewesen, wie das bei vielen alten Baronen der Fall zu sein pflegt. Und als er jung, war er ein wilder, nichtsnutziger, lüderlicher, junger Herr gewesen, wie das bei vielen jungen Baronen der Fall zu sein pflegt. Deshalb hatte er denn auch in seine älteren Tage nicht viel mehr mit hinüber gebracht, als drei Töch- ter, -- deren Mutter bei Geburt der jüngsten starb, -- dreimal so viel Schulden, als schon bei seines Vaters Lebzeiten auf Liebenau gehaftet; -- einen unversieg- baren und unbesieglichen Durst, (doch nicht nach Wasser); -- und endlich eine dreimal dreimal, folg- lich neunmal größere Nase, als Freiherrn, Ritter und Grafen im gewöhnlichen Laufe der Dinge zu tragen belieben. Diese Nase gab unserm Anton, welcher ihr blau-rothes Farbenspiel von Kindheit auf mit beson- derer Andacht observiret, erwünschte Gelegenheit, den gestrengen Gutsherrn mit dem Beinamen: "Onkel Nasus" zu belehnen; eine Benennung, welche an- fänglich kaum durchdringen wollte, da des Pastors Söhne vorher eine andere geschaffen. Sie behaupte- ten, der Freiherr schreibe sich nicht Kannabich, sondern von Rechtswegen: "Kannenpich," weil er lieber aus großen "Kannen," denn aus kleinen Gläsern "pichle."
weiter hinauf) ererbt hatte, war auch einmal jung geweſen, wie das bei vielen alten Baronen der Fall zu ſein pflegt. Und als er jung, war er ein wilder, nichtsnutziger, luͤderlicher, junger Herr geweſen, wie das bei vielen jungen Baronen der Fall zu ſein pflegt. Deshalb hatte er denn auch in ſeine aͤlteren Tage nicht viel mehr mit hinuͤber gebracht, als drei Toͤch- ter, — deren Mutter bei Geburt der juͤngſten ſtarb, — dreimal ſo viel Schulden, als ſchon bei ſeines Vaters Lebzeiten auf Liebenau gehaftet; — einen unverſieg- baren und unbeſieglichen Durſt, (doch nicht nach Waſſer); — und endlich eine dreimal dreimal, folg- lich neunmal groͤßere Naſe, als Freiherrn, Ritter und Grafen im gewoͤhnlichen Laufe der Dinge zu tragen belieben. Dieſe Naſe gab unſerm Anton, welcher ihr blau-rothes Farbenſpiel von Kindheit auf mit beſon- derer Andacht obſerviret, erwuͤnſchte Gelegenheit, den geſtrengen Gutsherrn mit dem Beinamen: „Onkel Naſus“ zu belehnen; eine Benennung, welche an- faͤnglich kaum durchdringen wollte, da des Paſtors Soͤhne vorher eine andere geſchaffen. Sie behaupte- ten, der Freiherr ſchreibe ſich nicht Kannabich, ſondern von Rechtswegen: „Kannenpich,“ weil er lieber aus großen „Kannen,“ denn aus kleinen Glaͤſern „pichle.“
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weiter hinauf) ererbt hatte, war auch einmal jung
geweſen, wie das bei vielen alten Baronen der Fall
zu ſein pflegt. Und als er jung, war er ein wilder,
nichtsnutziger, luͤderlicher, junger Herr geweſen, wie
das bei vielen jungen Baronen der Fall zu ſein pflegt.
Deshalb hatte er denn auch in ſeine aͤlteren Tage
nicht viel mehr mit hinuͤber gebracht, als drei Toͤch-
ter, — deren Mutter bei Geburt der juͤngſten ſtarb, —
dreimal ſo viel Schulden, als ſchon bei ſeines Vaters
Lebzeiten auf Liebenau gehaftet; — einen unverſieg-
baren und unbeſieglichen Durſt, (doch nicht nach
Waſſer); — und endlich eine dreimal dreimal, folg-
lich neunmal groͤßere Naſe, als Freiherrn, Ritter und
Grafen im gewoͤhnlichen Laufe der Dinge zu tragen
belieben. Dieſe Naſe gab unſerm Anton, welcher ihr
blau-rothes Farbenſpiel von Kindheit auf mit beſon-
derer Andacht obſerviret, erwuͤnſchte Gelegenheit, den
geſtrengen Gutsherrn mit dem Beinamen: „Onkel
Naſus“ zu belehnen; eine Benennung, welche an-
faͤnglich kaum durchdringen wollte, da des Paſtors
Soͤhne vorher eine andere geſchaffen. Sie behaupte-
ten, der Freiherr ſchreibe ſich nicht Kannabich, ſondern
von Rechtswegen: „Kannenpich,“ weil er lieber aus
großen „Kannen,“ denn aus kleinen Glaͤſern „pichle.“
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/60>, abgerufen am 25.11.2024.
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