"Den Teufel, mag ich nicht krank sein? Freilich bin ich krank. Jch komme aus dem Fieber gar nicht heraus. Aber wenn ich einen tüchtigen Schluck schar- fen Kornbranntewein hinuntergießen kann, wird mir gleich wieder besser; dann bin ich stark, wie der Ge- sündeste, und nehm' es mit jedem auf. Jetzt sollten die verfluchten Pastorjungen nur über mich fallen, ich wollte sie zusammenhauen sammt ihren Ziegen- hainern!"
Hast Du Schnaps getrunken? fragte Anton erröthend; heute, zum Sonntag?
"Freilich hab' ich, sonst wär' ich nicht so rüstig und meine Augen thäten nicht so brennen. Ein frem- der Herr, der während der Kirche mit einer Kutsche in euer Dorf einfuhr, Postpferde vor den Wagen ge- spannt, hat mir einen Groschen zugeworfen. Nicht mehr? schrie ich, nachdem ich die Münze aufgelesen, steckte dem geizigen Kerl die Zunge heraus, schickte ihm ein paar herzhafte Schimpfwörter auf den Weg nach und bin saufen gegangen."
Aber Wolfgang, flüsterte Anton, da bist Du ja wirklich ein schlechter Mensch?
"Das will ich ja sein," rief jener trotzig. "Und wenn ich nur nicht immer krank wäre und nicht immer
„Den Teufel, mag ich nicht krank ſein? Freilich bin ich krank. Jch komme aus dem Fieber gar nicht heraus. Aber wenn ich einen tuͤchtigen Schluck ſchar- fen Kornbranntewein hinuntergießen kann, wird mir gleich wieder beſſer; dann bin ich ſtark, wie der Ge- ſuͤndeſte, und nehm’ es mit jedem auf. Jetzt ſollten die verfluchten Paſtorjungen nur uͤber mich fallen, ich wollte ſie zuſammenhauen ſammt ihren Ziegen- hainern!“
Haſt Du Schnaps getrunken? fragte Anton erroͤthend; heute, zum Sonntag?
„Freilich hab’ ich, ſonſt waͤr’ ich nicht ſo ruͤſtig und meine Augen thaͤten nicht ſo brennen. Ein frem- der Herr, der waͤhrend der Kirche mit einer Kutſche in euer Dorf einfuhr, Poſtpferde vor den Wagen ge- ſpannt, hat mir einen Groſchen zugeworfen. Nicht mehr? ſchrie ich, nachdem ich die Muͤnze aufgeleſen, ſteckte dem geizigen Kerl die Zunge heraus, ſchickte ihm ein paar herzhafte Schimpfwoͤrter auf den Weg nach und bin ſaufen gegangen.“
Aber Wolfgang, fluͤſterte Anton, da biſt Du ja wirklich ein ſchlechter Menſch?
„Das will ich ja ſein,“ rief jener trotzig. „Und wenn ich nur nicht immer krank waͤre und nicht immer
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„Den Teufel, mag ich nicht krank ſein? Freilich
bin ich krank. Jch komme aus dem Fieber gar nicht
heraus. Aber wenn ich einen tuͤchtigen Schluck ſchar-
fen Kornbranntewein hinuntergießen kann, wird mir
gleich wieder beſſer; dann bin ich ſtark, wie der Ge-
ſuͤndeſte, und nehm’ es mit jedem auf. Jetzt ſollten
die verfluchten Paſtorjungen nur uͤber mich fallen, ich
wollte ſie zuſammenhauen ſammt ihren Ziegen-
hainern!“
Haſt Du Schnaps getrunken? fragte Anton
erroͤthend; heute, zum Sonntag?
„Freilich hab’ ich, ſonſt waͤr’ ich nicht ſo ruͤſtig
und meine Augen thaͤten nicht ſo brennen. Ein frem-
der Herr, der waͤhrend der Kirche mit einer Kutſche
in euer Dorf einfuhr, Poſtpferde vor den Wagen ge-
ſpannt, hat mir einen Groſchen zugeworfen. Nicht
mehr? ſchrie ich, nachdem ich die Muͤnze aufgeleſen,
ſteckte dem geizigen Kerl die Zunge heraus, ſchickte
ihm ein paar herzhafte Schimpfwoͤrter auf den Weg
nach und bin ſaufen gegangen.“
Aber Wolfgang, fluͤſterte Anton, da biſt Du ja
wirklich ein ſchlechter Menſch?
„Das will ich ja ſein,“ rief jener trotzig. „Und
wenn ich nur nicht immer krank waͤre und nicht immer
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/53>, abgerufen am 23.11.2024.
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