brauchten nichts mehr. Als die Mutter hinter ihm die Stubenthür in's Schloß warf, durch welche er sich nun von der Tochter getrennt wußte, überkam ihn eine Art von Raserei. Wüthend rannte er hinab, suchte sich einen abgelegenen Winkel in irgend einem Heuschuppen und warf sich, vor Begier und Aerger heulend hin, ohne weiter nach den Thieren zu fragen. Pierre und Jean vermißten ihn wohl, beruhigten sich jedoch mit dem Gedanken, er sei bei den Damen, und da beide schon längst zu wissen wähnten, wie sie mit "ihm und ihr" daran waren, ja ihn beinahe schon als ihren Herrn betrachteten, so fragten sie weiter nicht und machten ihre Arbeit ohne ihn.
Der Heuschuppen in welchem Anton: sich selbst -- Madame Simonelli -- diese Nacht -- die ganze Welt! verwünschte, wurde durch eine Bretterwand von einem ähnlichen Behältniß getrennt, in welchem Stroh aufgespeichert lag, zur Streu für die Gastställe. Die Bretterwand erhob sich nur einige Ellen über gewöhnliche Mannshöhe; der obere Raum war offen. Anton lag mit dem Rücken gegen diese Wand und starrte hinauf in die dunkle Leere. Durch das schadhafte, mit hölzernen Schindeln und Schilf gedeckte Dach blitzte hin und wieder ein Stern. Jm
brauchten nichts mehr. Als die Mutter hinter ihm die Stubenthuͤr in’s Schloß warf, durch welche er ſich nun von der Tochter getrennt wußte, uͤberkam ihn eine Art von Raſerei. Wuͤthend rannte er hinab, ſuchte ſich einen abgelegenen Winkel in irgend einem Heuſchuppen und warf ſich, vor Begier und Aerger heulend hin, ohne weiter nach den Thieren zu fragen. Pierre und Jean vermißten ihn wohl, beruhigten ſich jedoch mit dem Gedanken, er ſei bei den Damen, und da beide ſchon laͤngſt zu wiſſen waͤhnten, wie ſie mit „ihm und ihr“ daran waren, ja ihn beinahe ſchon als ihren Herrn betrachteten, ſo fragten ſie weiter nicht und machten ihre Arbeit ohne ihn.
Der Heuſchuppen in welchem Anton: ſich ſelbſt — Madame Simonelli — dieſe Nacht — die ganze Welt! verwuͤnſchte, wurde durch eine Bretterwand von einem aͤhnlichen Behaͤltniß getrennt, in welchem Stroh aufgeſpeichert lag, zur Streu fuͤr die Gaſtſtaͤlle. Die Bretterwand erhob ſich nur einige Ellen uͤber gewoͤhnliche Mannshoͤhe; der obere Raum war offen. Anton lag mit dem Ruͤcken gegen dieſe Wand und ſtarrte hinauf in die dunkle Leere. Durch das ſchadhafte, mit hoͤlzernen Schindeln und Schilf gedeckte Dach blitzte hin und wieder ein Stern. Jm
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brauchten nichts mehr. Als die Mutter hinter ihm
die Stubenthuͤr in’s Schloß warf, durch welche er
ſich nun von der Tochter getrennt wußte, uͤberkam
ihn eine Art von Raſerei. Wuͤthend rannte er hinab,
ſuchte ſich einen abgelegenen Winkel in irgend einem
Heuſchuppen und warf ſich, vor Begier und Aerger
heulend hin, ohne weiter nach den Thieren zu fragen.
Pierre und Jean vermißten ihn wohl, beruhigten ſich
jedoch mit dem Gedanken, er ſei bei den Damen,
und da beide ſchon laͤngſt zu wiſſen waͤhnten, wie ſie
mit „ihm und ihr“ daran waren, ja ihn beinahe ſchon
als ihren Herrn betrachteten, ſo fragten ſie weiter
nicht und machten ihre Arbeit ohne ihn.
Der Heuſchuppen in welchem Anton: ſich ſelbſt
— Madame Simonelli — dieſe Nacht — die ganze
Welt! verwuͤnſchte, wurde durch eine Bretterwand
von einem aͤhnlichen Behaͤltniß getrennt, in welchem
Stroh aufgeſpeichert lag, zur Streu fuͤr die Gaſtſtaͤlle.
Die Bretterwand erhob ſich nur einige Ellen uͤber
gewoͤhnliche Mannshoͤhe; der obere Raum war
offen. Anton lag mit dem Ruͤcken gegen dieſe Wand
und ſtarrte hinauf in die dunkle Leere. Durch das
ſchadhafte, mit hoͤlzernen Schindeln und Schilf
gedeckte Dach blitzte hin und wieder ein Stern. Jm
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/334>, abgerufen am 24.11.2024.
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