Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Hofe wurd' es nach und nach ruhig. Die Hunde
hörten auf, zu bellen. Die wilden Thiere, nach so
später Abendmahlzeit, ließen auch nichts von sich
hören; Affen, Papageien, alles kleine Vieh, dankten
ihrem Gott, daß sie nicht mehr gerüttelt und geschüt-
telt wurden. Pierre und Jean hatten im bequemen
Reisewagen ihrer Herrin den Bivouac aufgeschlagen.
Alles schien zu schlafen .... nur Anton schlief nicht.

Er wußte, ach nur allzusicher, daß jede Möglich-
keit eines Zusammentreffens zerstört war; er begriff
ohne Schwierigkeit, daß Madame Simonelli ihre
Tochter verhindern wollte, sich ferner zu kompromit-
tiren, er sah deutlich ein, daß diese nicht kommen
konnte -- und dennoch erwartete er sie von einem
Pulsschlage zum andern!

Das klingt wie Unsinn, und ist dennoch wahr;
ist nicht nur wahr, in diesem vereinzelten Falle; es ist
auch wahr im Allgemeinen. Gar mancher meiner
Leser, will er aufrichtig sein, wird diese Wahrheit
aus eigener Erfahrung bestätigen können.

Haben wir denn Mondschein? brummte der Ge-
marterte, nach Verlauf einiger Stunden, in das Heu
hinein, worin er vergraben lag. Jst's mir doch, als

Hofe wurd’ es nach und nach ruhig. Die Hunde
hoͤrten auf, zu bellen. Die wilden Thiere, nach ſo
ſpaͤter Abendmahlzeit, ließen auch nichts von ſich
hoͤren; Affen, Papageien, alles kleine Vieh, dankten
ihrem Gott, daß ſie nicht mehr geruͤttelt und geſchuͤt-
telt wurden. Pierre und Jean hatten im bequemen
Reiſewagen ihrer Herrin den Bivouac aufgeſchlagen.
Alles ſchien zu ſchlafen .... nur Anton ſchlief nicht.

Er wußte, ach nur allzuſicher, daß jede Moͤglich-
keit eines Zuſammentreffens zerſtoͤrt war; er begriff
ohne Schwierigkeit, daß Madame Simonelli ihre
Tochter verhindern wollte, ſich ferner zu kompromit-
tiren, er ſah deutlich ein, daß dieſe nicht kommen
konnte — und dennoch erwartete er ſie von einem
Pulsſchlage zum andern!

Das klingt wie Unſinn, und iſt dennoch wahr;
iſt nicht nur wahr, in dieſem vereinzelten Falle; es iſt
auch wahr im Allgemeinen. Gar mancher meiner
Leſer, will er aufrichtig ſein, wird dieſe Wahrheit
aus eigener Erfahrung beſtaͤtigen koͤnnen.

Haben wir denn Mondſchein? brummte der Ge-
marterte, nach Verlauf einiger Stunden, in das Heu
hinein, worin er vergraben lag. Jſt’s mir doch, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0335" n="319"/>
Hofe wurd&#x2019; es nach und nach ruhig. Die Hunde<lb/>
ho&#x0364;rten auf, zu bellen. Die wilden Thiere, nach &#x017F;o<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ter Abendmahlzeit, ließen auch nichts von &#x017F;ich<lb/>
ho&#x0364;ren; Affen, Papageien, alles kleine Vieh, dankten<lb/>
ihrem Gott, daß &#x017F;ie nicht mehr geru&#x0364;ttelt und ge&#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
telt wurden. Pierre und Jean hatten im bequemen<lb/>
Rei&#x017F;ewagen ihrer Herrin den Bivouac aufge&#x017F;chlagen.<lb/>
Alles &#x017F;chien zu &#x017F;chlafen .... nur Anton &#x017F;chlief nicht.</p><lb/>
        <p>Er wußte, ach nur allzu&#x017F;icher, daß jede Mo&#x0364;glich-<lb/>
keit eines Zu&#x017F;ammentreffens zer&#x017F;to&#x0364;rt war; er begriff<lb/>
ohne Schwierigkeit, daß Madame Simonelli ihre<lb/>
Tochter verhindern wollte, &#x017F;ich ferner zu kompromit-<lb/>
tiren, er &#x017F;ah deutlich ein, daß die&#x017F;e nicht kommen<lb/><hi rendition="#g">konnte</hi> &#x2014; und dennoch <hi rendition="#g">erwartete</hi> er &#x017F;ie von einem<lb/>
Puls&#x017F;chlage zum andern!</p><lb/>
        <p>Das klingt wie Un&#x017F;inn, und i&#x017F;t dennoch wahr;<lb/>
i&#x017F;t nicht nur wahr, in die&#x017F;em vereinzelten Falle; es i&#x017F;t<lb/>
auch wahr im Allgemeinen. Gar mancher meiner<lb/>
Le&#x017F;er, will er aufrichtig &#x017F;ein, wird die&#x017F;e Wahrheit<lb/>
aus eigener Erfahrung be&#x017F;ta&#x0364;tigen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Haben wir denn Mond&#x017F;chein? brummte der Ge-<lb/>
marterte, nach Verlauf einiger Stunden, in das Heu<lb/>
hinein, worin er vergraben lag. J&#x017F;t&#x2019;s mir doch, als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0335] Hofe wurd’ es nach und nach ruhig. Die Hunde hoͤrten auf, zu bellen. Die wilden Thiere, nach ſo ſpaͤter Abendmahlzeit, ließen auch nichts von ſich hoͤren; Affen, Papageien, alles kleine Vieh, dankten ihrem Gott, daß ſie nicht mehr geruͤttelt und geſchuͤt- telt wurden. Pierre und Jean hatten im bequemen Reiſewagen ihrer Herrin den Bivouac aufgeſchlagen. Alles ſchien zu ſchlafen .... nur Anton ſchlief nicht. Er wußte, ach nur allzuſicher, daß jede Moͤglich- keit eines Zuſammentreffens zerſtoͤrt war; er begriff ohne Schwierigkeit, daß Madame Simonelli ihre Tochter verhindern wollte, ſich ferner zu kompromit- tiren, er ſah deutlich ein, daß dieſe nicht kommen konnte — und dennoch erwartete er ſie von einem Pulsſchlage zum andern! Das klingt wie Unſinn, und iſt dennoch wahr; iſt nicht nur wahr, in dieſem vereinzelten Falle; es iſt auch wahr im Allgemeinen. Gar mancher meiner Leſer, will er aufrichtig ſein, wird dieſe Wahrheit aus eigener Erfahrung beſtaͤtigen koͤnnen. Haben wir denn Mondſchein? brummte der Ge- marterte, nach Verlauf einiger Stunden, in das Heu hinein, worin er vergraben lag. Jſt’s mir doch, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/335
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/335>, abgerufen am 17.05.2024.