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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Tochter? Aus welchem Gesichtspunkte sah sie das
Verhältniß mit einem ihrer Diener? Darüber täuschte
er sich nicht: sie war nicht mehr so freundlich, nicht
mehr so mütterlich-derb gegen ihn; ihre Artigkeit
beschränkte sich auf kalte Hinweisungen für's Ge-
schäft, ohne eine Silbe zutraulichen Geschwätzes.
Keine Frage, sie misbilligte das Verhältniß.

Aus diesen Bedenklichkeiten entstand eine für
beide Theile bezeichnende Unterhaltung zwischen ihm
und Laura, auf der Reise von K. nach Kurland.
Man mußte dazumal noch den langen, beschwerlichen
und oft gefährlichen Weg am Strande machen. Die
plumpen Frachtwagen versanken schier im Flugsande;
die Vorspannpferde arbeiteten fürchterlich. Anton
war längst zu Fuße gegangen, dem Schneckenzuge
leicht einen Vorsprung abgewinnend. Eh' er sich's
versah hatte Laura ihn eingeholt. Die ersten Worte
galten der Gegenwart, vielmehr der allernächsten
Zukunft. Ein Zusammentreffen im Nachtquartier
wurde begehrt und gewährt. Dann wendete Anton
sich seinen Besorgnissen zu und theilte ihr mit, was
er im Angesicht der Mutter zu lesen glaube. Sie
sagte:

"Es ist ihr unlieb, daß ich Dich liebe. Jch habe

Tochter? Aus welchem Geſichtspunkte ſah ſie das
Verhaͤltniß mit einem ihrer Diener? Daruͤber taͤuſchte
er ſich nicht: ſie war nicht mehr ſo freundlich, nicht
mehr ſo muͤtterlich-derb gegen ihn; ihre Artigkeit
beſchraͤnkte ſich auf kalte Hinweiſungen fuͤr’s Ge-
ſchaͤft, ohne eine Silbe zutraulichen Geſchwaͤtzes.
Keine Frage, ſie misbilligte das Verhaͤltniß.

Aus dieſen Bedenklichkeiten entſtand eine fuͤr
beide Theile bezeichnende Unterhaltung zwiſchen ihm
und Laura, auf der Reiſe von K. nach Kurland.
Man mußte dazumal noch den langen, beſchwerlichen
und oft gefaͤhrlichen Weg am Strande machen. Die
plumpen Frachtwagen verſanken ſchier im Flugſande;
die Vorſpannpferde arbeiteten fuͤrchterlich. Anton
war laͤngſt zu Fuße gegangen, dem Schneckenzuge
leicht einen Vorſprung abgewinnend. Eh’ er ſich’s
verſah hatte Laura ihn eingeholt. Die erſten Worte
galten der Gegenwart, vielmehr der allernaͤchſten
Zukunft. Ein Zuſammentreffen im Nachtquartier
wurde begehrt und gewaͤhrt. Dann wendete Anton
ſich ſeinen Beſorgniſſen zu und theilte ihr mit, was
er im Angeſicht der Mutter zu leſen glaube. Sie
ſagte:

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[313/0329] Tochter? Aus welchem Geſichtspunkte ſah ſie das Verhaͤltniß mit einem ihrer Diener? Daruͤber taͤuſchte er ſich nicht: ſie war nicht mehr ſo freundlich, nicht mehr ſo muͤtterlich-derb gegen ihn; ihre Artigkeit beſchraͤnkte ſich auf kalte Hinweiſungen fuͤr’s Ge- ſchaͤft, ohne eine Silbe zutraulichen Geſchwaͤtzes. Keine Frage, ſie misbilligte das Verhaͤltniß. Aus dieſen Bedenklichkeiten entſtand eine fuͤr beide Theile bezeichnende Unterhaltung zwiſchen ihm und Laura, auf der Reiſe von K. nach Kurland. Man mußte dazumal noch den langen, beſchwerlichen und oft gefaͤhrlichen Weg am Strande machen. Die plumpen Frachtwagen verſanken ſchier im Flugſande; die Vorſpannpferde arbeiteten fuͤrchterlich. Anton war laͤngſt zu Fuße gegangen, dem Schneckenzuge leicht einen Vorſprung abgewinnend. Eh’ er ſich’s verſah hatte Laura ihn eingeholt. Die erſten Worte galten der Gegenwart, vielmehr der allernaͤchſten Zukunft. Ein Zuſammentreffen im Nachtquartier wurde begehrt und gewaͤhrt. Dann wendete Anton ſich ſeinen Beſorgniſſen zu und theilte ihr mit, was er im Angeſicht der Mutter zu leſen glaube. Sie ſagte: „Es iſt ihr unlieb, daß ich Dich liebe. Jch habe

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/329>, abgerufen am 24.11.2024.