Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

unter ländlich-kleinen Erfahrungen und Wahrneh-
mungen aufgewachsen; noch unbekannt mit Vielem,
was in minder beschränkten Verhältnissen kleine
Kinder durchschauen würden; vorzüglich aber, muß
ich hinzufügen, in seiner unschuldvollen Verehrung
für alle schöne Frauen, in seinem Köhlerglauben an
sie und ihren reinsten Werth, konnte wohl nicht
anders, als sich den kürzlich geschilderten Vorgängen
zu Folge, für Laura's Bräutigam halten! Für einen
verlobten Bräutigam, welchem lediglich der Segen
der Kirche noch mangelt, um ein Ehegatte zu sein.
Sie hatte ihm gesagt: ich liebe Dich, Du mußt mein
werden! Was konnte das sonst bedeuten, außer: wir
wollen uns heirathen? Jhr ferneres Benehmen hatte
diesem Entschlusse mehr als zu deutlich entsprochen.
Wittwe war sie auch, -- oder doch von ihrem
ersten Gatten getrennt, was eben so viel heißt.
Die bisweilen in ihm aufsteigende Bedenklich-
keit, daß sie sammt all' ihren Reizen, doch vielleicht
vier bis fünf Jahre länger auf dieser Erde umher-
wandle, als er, wies er, von ihrer Schönheit entzün-
det, entschieden zurück.

Aber die Mama? Madame Simonelli? Jn wie
weit war sie unterrichtet von den Gefühlen ihrer

unter laͤndlich-kleinen Erfahrungen und Wahrneh-
mungen aufgewachſen; noch unbekannt mit Vielem,
was in minder beſchraͤnkten Verhaͤltniſſen kleine
Kinder durchſchauen wuͤrden; vorzuͤglich aber, muß
ich hinzufuͤgen, in ſeiner unſchuldvollen Verehrung
fuͤr alle ſchoͤne Frauen, in ſeinem Koͤhlerglauben an
ſie und ihren reinſten Werth, konnte wohl nicht
anders, als ſich den kuͤrzlich geſchilderten Vorgaͤngen
zu Folge, fuͤr Laura’s Braͤutigam halten! Fuͤr einen
verlobten Braͤutigam, welchem lediglich der Segen
der Kirche noch mangelt, um ein Ehegatte zu ſein.
Sie hatte ihm geſagt: ich liebe Dich, Du mußt mein
werden! Was konnte das ſonſt bedeuten, außer: wir
wollen uns heirathen? Jhr ferneres Benehmen hatte
dieſem Entſchluſſe mehr als zu deutlich entſprochen.
Wittwe war ſie auch, — oder doch von ihrem
erſten Gatten getrennt, was eben ſo viel heißt.
Die bisweilen in ihm aufſteigende Bedenklich-
keit, daß ſie ſammt all’ ihren Reizen, doch vielleicht
vier bis fuͤnf Jahre laͤnger auf dieſer Erde umher-
wandle, als er, wies er, von ihrer Schoͤnheit entzuͤn-
det, entſchieden zuruͤck.

Aber die Mama? Madame Simonelli? Jn wie
weit war ſie unterrichtet von den Gefuͤhlen ihrer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0328" n="312"/>
unter la&#x0364;ndlich-kleinen Erfahrungen und Wahrneh-<lb/>
mungen aufgewach&#x017F;en; noch unbekannt mit Vielem,<lb/>
was in minder be&#x017F;chra&#x0364;nkten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en kleine<lb/>
Kinder durch&#x017F;chauen wu&#x0364;rden; vorzu&#x0364;glich aber, muß<lb/>
ich hinzufu&#x0364;gen, in &#x017F;einer un&#x017F;chuldvollen Verehrung<lb/>
fu&#x0364;r alle &#x017F;cho&#x0364;ne Frauen, in &#x017F;einem Ko&#x0364;hlerglauben an<lb/>
&#x017F;ie und ihren rein&#x017F;ten Werth, konnte wohl nicht<lb/>
anders, als &#x017F;ich den ku&#x0364;rzlich ge&#x017F;childerten Vorga&#x0364;ngen<lb/>
zu Folge, fu&#x0364;r Laura&#x2019;s Bra&#x0364;utigam halten! Fu&#x0364;r einen<lb/>
verlobten Bra&#x0364;utigam, welchem lediglich der Segen<lb/>
der Kirche noch mangelt, um ein Ehegatte zu &#x017F;ein.<lb/>
Sie hatte ihm ge&#x017F;agt: ich liebe Dich, Du mußt mein<lb/>
werden! Was konnte das &#x017F;on&#x017F;t bedeuten, außer: wir<lb/>
wollen uns heirathen? Jhr ferneres Benehmen hatte<lb/>
die&#x017F;em Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e mehr als zu deutlich ent&#x017F;prochen.<lb/>
Wittwe war &#x017F;ie auch, &#x2014; oder doch von ihrem<lb/>
er&#x017F;ten Gatten getrennt, was eben &#x017F;o viel heißt.<lb/>
Die bisweilen in ihm auf&#x017F;teigende Bedenklich-<lb/>
keit, daß &#x017F;ie &#x017F;ammt all&#x2019; ihren Reizen, doch vielleicht<lb/>
vier bis fu&#x0364;nf Jahre la&#x0364;nger auf die&#x017F;er Erde umher-<lb/>
wandle, als er, wies er, von ihrer Scho&#x0364;nheit entzu&#x0364;n-<lb/>
det, ent&#x017F;chieden zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>Aber die Mama? Madame Simonelli? Jn wie<lb/>
weit war &#x017F;ie unterrichtet von den Gefu&#x0364;hlen ihrer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0328] unter laͤndlich-kleinen Erfahrungen und Wahrneh- mungen aufgewachſen; noch unbekannt mit Vielem, was in minder beſchraͤnkten Verhaͤltniſſen kleine Kinder durchſchauen wuͤrden; vorzuͤglich aber, muß ich hinzufuͤgen, in ſeiner unſchuldvollen Verehrung fuͤr alle ſchoͤne Frauen, in ſeinem Koͤhlerglauben an ſie und ihren reinſten Werth, konnte wohl nicht anders, als ſich den kuͤrzlich geſchilderten Vorgaͤngen zu Folge, fuͤr Laura’s Braͤutigam halten! Fuͤr einen verlobten Braͤutigam, welchem lediglich der Segen der Kirche noch mangelt, um ein Ehegatte zu ſein. Sie hatte ihm geſagt: ich liebe Dich, Du mußt mein werden! Was konnte das ſonſt bedeuten, außer: wir wollen uns heirathen? Jhr ferneres Benehmen hatte dieſem Entſchluſſe mehr als zu deutlich entſprochen. Wittwe war ſie auch, — oder doch von ihrem erſten Gatten getrennt, was eben ſo viel heißt. Die bisweilen in ihm aufſteigende Bedenklich- keit, daß ſie ſammt all’ ihren Reizen, doch vielleicht vier bis fuͤnf Jahre laͤnger auf dieſer Erde umher- wandle, als er, wies er, von ihrer Schoͤnheit entzuͤn- det, entſchieden zuruͤck. Aber die Mama? Madame Simonelli? Jn wie weit war ſie unterrichtet von den Gefuͤhlen ihrer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/328
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/328>, abgerufen am 17.05.2024.