Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Rascheren Schrittes ging er nun auf und nieder;
machte sich mit den Thieren zu schaffen; reichte seinem
alten Feinde, dem Tiger, einige wohlangebrachte
Peitschenhiebe; liebkosete seinen alten Freund, den
indischen, kindischen Bären; schüttelte dem großen
Löwen die Mähne; -- kurz er vertrieb sich die Zeit
so anmuthig, als es in solchem Kreise gehen will.

Jedesmal wenn er sich der Aus- und Eingangs-
thüre näherte, verspürte er einen unbestimmten Antrieb,
nachzuforschen ob sie offen stehe. Es kam ihm vor,
wie wenn ein nächtlicher Luftzug durch die Gardinen
eindringe, mit denen Kasse und Vorhalle drapirt
waren. Jedesmal nahm er einen Anlauf dazu, --
und unterließ es wieder, ohne zu wissen, warum?

Da fuhr ihm plötzlich durch den Sinn, daß er in
P. belauscht worden und doch eigentlich nie zur
Gewißheit gelangt sei, durch wen? daß er damals
Laura beargwöhnt und diese Vermuthung nachher
halb und halb wieder aufgegeben habe, daß seitdem
.... "Und wie, wenn sie -- jetzt!? ...."

Als wär' er unter wilden Geschöpfen selbst zum
reißenden Thiere geworden, welches auf seinen Raub
springen will, so stürzte er heftig hinaus und ergreift,
ehe sie noch zu entfliehen vermochte, eine warme

Raſcheren Schrittes ging er nun auf und nieder;
machte ſich mit den Thieren zu ſchaffen; reichte ſeinem
alten Feinde, dem Tiger, einige wohlangebrachte
Peitſchenhiebe; liebkoſete ſeinen alten Freund, den
indiſchen, kindiſchen Baͤren; ſchuͤttelte dem großen
Loͤwen die Maͤhne; — kurz er vertrieb ſich die Zeit
ſo anmuthig, als es in ſolchem Kreiſe gehen will.

Jedesmal wenn er ſich der Aus- und Eingangs-
thuͤre naͤherte, verſpuͤrte er einen unbeſtimmten Antrieb,
nachzuforſchen ob ſie offen ſtehe. Es kam ihm vor,
wie wenn ein naͤchtlicher Luftzug durch die Gardinen
eindringe, mit denen Kaſſe und Vorhalle drapirt
waren. Jedesmal nahm er einen Anlauf dazu, —
und unterließ es wieder, ohne zu wiſſen, warum?

Da fuhr ihm ploͤtzlich durch den Sinn, daß er in
P. belauſcht worden und doch eigentlich nie zur
Gewißheit gelangt ſei, durch wen? daß er damals
Laura beargwoͤhnt und dieſe Vermuthung nachher
halb und halb wieder aufgegeben habe, daß ſeitdem
.... „Und wie, wenn ſie — jetzt!? ....“

Als waͤr’ er unter wilden Geſchoͤpfen ſelbſt zum
reißenden Thiere geworden, welches auf ſeinen Raub
ſpringen will, ſo ſtuͤrzte er heftig hinaus und ergreift,
ehe ſie noch zu entfliehen vermochte, eine warme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0322" n="306"/>
        <p>Ra&#x017F;cheren Schrittes ging er nun auf und nieder;<lb/>
machte &#x017F;ich mit den Thieren zu &#x017F;chaffen; reichte &#x017F;einem<lb/>
alten Feinde, dem Tiger, einige wohlangebrachte<lb/>
Peit&#x017F;chenhiebe; liebko&#x017F;ete &#x017F;einen alten Freund, den<lb/>
indi&#x017F;chen, kindi&#x017F;chen Ba&#x0364;ren; &#x017F;chu&#x0364;ttelte dem großen<lb/>
Lo&#x0364;wen die Ma&#x0364;hne; &#x2014; kurz er vertrieb &#x017F;ich die Zeit<lb/>
&#x017F;o anmuthig, als es in &#x017F;olchem Krei&#x017F;e gehen will.</p><lb/>
        <p>Jedesmal wenn er &#x017F;ich der Aus- und Eingangs-<lb/>
thu&#x0364;re na&#x0364;herte, ver&#x017F;pu&#x0364;rte er einen unbe&#x017F;timmten Antrieb,<lb/>
nachzufor&#x017F;chen ob &#x017F;ie offen &#x017F;tehe. Es kam ihm vor,<lb/>
wie wenn ein na&#x0364;chtlicher Luftzug durch die Gardinen<lb/>
eindringe, mit denen Ka&#x017F;&#x017F;e und Vorhalle drapirt<lb/>
waren. Jedesmal nahm er einen Anlauf dazu, &#x2014;<lb/>
und unterließ es wieder, ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en, warum?</p><lb/>
        <p>Da fuhr ihm plo&#x0364;tzlich durch den Sinn, daß er in<lb/>
P. belau&#x017F;cht worden und doch eigentlich nie zur<lb/>
Gewißheit gelangt &#x017F;ei, durch wen? daß er damals<lb/>
Laura beargwo&#x0364;hnt und die&#x017F;e Vermuthung nachher<lb/>
halb und halb wieder aufgegeben habe, daß &#x017F;eitdem<lb/>
.... &#x201E;Und wie, wenn <hi rendition="#g">&#x017F;ie &#x2014; jetzt!?</hi> ....&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als wa&#x0364;r&#x2019; er unter wilden Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen &#x017F;elb&#x017F;t zum<lb/>
reißenden Thiere geworden, welches auf &#x017F;einen Raub<lb/>
&#x017F;pringen will, &#x017F;o &#x017F;tu&#x0364;rzte er heftig hinaus und ergreift,<lb/>
ehe &#x017F;ie noch zu entfliehen vermochte, eine warme<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0322] Raſcheren Schrittes ging er nun auf und nieder; machte ſich mit den Thieren zu ſchaffen; reichte ſeinem alten Feinde, dem Tiger, einige wohlangebrachte Peitſchenhiebe; liebkoſete ſeinen alten Freund, den indiſchen, kindiſchen Baͤren; ſchuͤttelte dem großen Loͤwen die Maͤhne; — kurz er vertrieb ſich die Zeit ſo anmuthig, als es in ſolchem Kreiſe gehen will. Jedesmal wenn er ſich der Aus- und Eingangs- thuͤre naͤherte, verſpuͤrte er einen unbeſtimmten Antrieb, nachzuforſchen ob ſie offen ſtehe. Es kam ihm vor, wie wenn ein naͤchtlicher Luftzug durch die Gardinen eindringe, mit denen Kaſſe und Vorhalle drapirt waren. Jedesmal nahm er einen Anlauf dazu, — und unterließ es wieder, ohne zu wiſſen, warum? Da fuhr ihm ploͤtzlich durch den Sinn, daß er in P. belauſcht worden und doch eigentlich nie zur Gewißheit gelangt ſei, durch wen? daß er damals Laura beargwoͤhnt und dieſe Vermuthung nachher halb und halb wieder aufgegeben habe, daß ſeitdem .... „Und wie, wenn ſie — jetzt!? ....“ Als waͤr’ er unter wilden Geſchoͤpfen ſelbſt zum reißenden Thiere geworden, welches auf ſeinen Raub ſpringen will, ſo ſtuͤrzte er heftig hinaus und ergreift, ehe ſie noch zu entfliehen vermochte, eine warme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/322
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/322>, abgerufen am 17.05.2024.