gangen. Aber größer schien sie ihm, hielt sich mehr aufgerichtet. Sie sah ihn bittend an.
Was bedeutet mir das? stammelte er.
Die Erscheinung hub ihre Rechte empor und deu- tete damit nach dem Ausgange hin. Kaum aber hatte sie einige Sekunden lang angedauert, als ihre Umrisse unsicher wurden, sich nach und nach verwisch- ten und bald in einen grauen Nebel aufzulösen schie- nen, der sich wie dünner Rauch verzog. Die Stelle ward wieder dunkel, wie sie vorher gewesen. Anton untersuchte die Vorhänge, schob sie auseinander, .... Alles leer und still. Sogar die Hunde unter den Reise-Wagen schliefen ruhig, daß man das regelmäßige Schnarchen ihrer Kehlen vernahm.
Anton's Haupt wurde wieder frei, der Andrang des Blutes zog sich zurück. Da rieb er sich die Augen und sprach zu sich selbst: es war nicht außer mir! die Erscheinung kam aus meinem Jnnern. Deshalb hat sie doch etwas zu bedeuten, ich soll diesen Ort meiden. ... Jetzt kann ich das nicht, ich darf es nicht. Jch glaube an Ahnungen, aber ich darf dennoch nicht davon laufen. Es wäre elende Feigheit. Bleiben muß ich, gescheh' was da wolle; ich hab's einmal übernommen.
Die Vagabunden. I. 20
gangen. Aber groͤßer ſchien ſie ihm, hielt ſich mehr aufgerichtet. Sie ſah ihn bittend an.
Was bedeutet mir das? ſtammelte er.
Die Erſcheinung hub ihre Rechte empor und deu- tete damit nach dem Ausgange hin. Kaum aber hatte ſie einige Sekunden lang angedauert, als ihre Umriſſe unſicher wurden, ſich nach und nach verwiſch- ten und bald in einen grauen Nebel aufzuloͤſen ſchie- nen, der ſich wie duͤnner Rauch verzog. Die Stelle ward wieder dunkel, wie ſie vorher geweſen. Anton unterſuchte die Vorhaͤnge, ſchob ſie auseinander, .... Alles leer und ſtill. Sogar die Hunde unter den Reiſe-Wagen ſchliefen ruhig, daß man das regelmaͤßige Schnarchen ihrer Kehlen vernahm.
Anton’s Haupt wurde wieder frei, der Andrang des Blutes zog ſich zuruͤck. Da rieb er ſich die Augen und ſprach zu ſich ſelbſt: es war nicht außer mir! die Erſcheinung kam aus meinem Jnnern. Deshalb hat ſie doch etwas zu bedeuten, ich ſoll dieſen Ort meiden. ... Jetzt kann ich das nicht, ich darf es nicht. Jch glaube an Ahnungen, aber ich darf dennoch nicht davon laufen. Es waͤre elende Feigheit. Bleiben muß ich, geſcheh’ was da wolle; ich hab’s einmal uͤbernommen.
Die Vagabunden. I. 20
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gangen. Aber groͤßer ſchien ſie ihm, hielt ſich mehr
aufgerichtet. Sie ſah ihn bittend an.
Was bedeutet mir das? ſtammelte er.
Die Erſcheinung hub ihre Rechte empor und deu-
tete damit nach dem Ausgange hin. Kaum aber
hatte ſie einige Sekunden lang angedauert, als ihre
Umriſſe unſicher wurden, ſich nach und nach verwiſch-
ten und bald in einen grauen Nebel aufzuloͤſen ſchie-
nen, der ſich wie duͤnner Rauch verzog. Die Stelle
ward wieder dunkel, wie ſie vorher geweſen. Anton
unterſuchte die Vorhaͤnge, ſchob ſie auseinander, ....
Alles leer und ſtill. Sogar die Hunde unter den
Reiſe-Wagen ſchliefen ruhig, daß man das regelmaͤßige
Schnarchen ihrer Kehlen vernahm.
Anton’s Haupt wurde wieder frei, der Andrang
des Blutes zog ſich zuruͤck. Da rieb er ſich die Augen
und ſprach zu ſich ſelbſt: es war nicht außer mir!
die Erſcheinung kam aus meinem Jnnern. Deshalb
hat ſie doch etwas zu bedeuten, ich ſoll dieſen Ort
meiden. ... Jetzt kann ich das nicht, ich darf es nicht.
Jch glaube an Ahnungen, aber ich darf dennoch nicht
davon laufen. Es waͤre elende Feigheit. Bleiben
muß ich, geſcheh’ was da wolle; ich hab’s einmal
uͤbernommen.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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