Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

daß kein Taschendieb sich einschleichen werde, Wölfe
und Hyänen heimlich davon zu tragen.

Anton ging im Dunkel auf und ab. Er wollte
sich gar nicht zum schlafen niederlegen. Müde war er
wohl, doch nicht schläfrig. Wandelnd, sinnend, wachte
er Mitternacht heran.

Die Augen der Thiere leuchteten wie glühende
Kohlen. Man vernahm kein Geräusch in ihren Kasten,
so leise traten sie auf. Wie es zwölf Uhr schlug, --
der letzte Ton der großen Thurmglocke verhallte,
eben wendete sich Anton auf seinem gleichförmigen
Wege um, -- da war es ihm, als ob am hinteren
Ende der Bude die Vorhänge, welche leere Käfige,
Kasten und anderes ungebrauchtes Geräth verhüllten,
zu flattern begönnen und sich öffneten, als ob ein
Lichtschimmer daraus hervordränge. Sein erster
Gedanke galt einer Nachlässigkeit der beurlaubten
Knechte, einer vielleicht nicht sorgfältig gelöschten
Lampe. Er schritt eilig vor, .... doch mitten im öden
Raume blieb er unbeweglich stehen .... sein Athem
stockte .... Eiseskälte durchrieselte ihn, er sah die
alte Frau Goksch, seine seelige Großmutter. Sie war
gekleidet wie bei Lebzeiten sie gewöhnlich einherge-

daß kein Taſchendieb ſich einſchleichen werde, Woͤlfe
und Hyaͤnen heimlich davon zu tragen.

Anton ging im Dunkel auf und ab. Er wollte
ſich gar nicht zum ſchlafen niederlegen. Muͤde war er
wohl, doch nicht ſchlaͤfrig. Wandelnd, ſinnend, wachte
er Mitternacht heran.

Die Augen der Thiere leuchteten wie gluͤhende
Kohlen. Man vernahm kein Geraͤuſch in ihren Kaſten,
ſo leiſe traten ſie auf. Wie es zwoͤlf Uhr ſchlug, —
der letzte Ton der großen Thurmglocke verhallte,
eben wendete ſich Anton auf ſeinem gleichfoͤrmigen
Wege um, — da war es ihm, als ob am hinteren
Ende der Bude die Vorhaͤnge, welche leere Kaͤfige,
Kaſten und anderes ungebrauchtes Geraͤth verhuͤllten,
zu flattern begoͤnnen und ſich oͤffneten, als ob ein
Lichtſchimmer daraus hervordraͤnge. Sein erſter
Gedanke galt einer Nachlaͤſſigkeit der beurlaubten
Knechte, einer vielleicht nicht ſorgfaͤltig geloͤſchten
Lampe. Er ſchritt eilig vor, .... doch mitten im oͤden
Raume blieb er unbeweglich ſtehen .... ſein Athem
ſtockte .... Eiſeskaͤlte durchrieſelte ihn, er ſah die
alte Frau Gokſch, ſeine ſeelige Großmutter. Sie war
gekleidet wie bei Lebzeiten ſie gewoͤhnlich einherge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="304"/>
daß kein Ta&#x017F;chendieb &#x017F;ich ein&#x017F;chleichen werde, Wo&#x0364;lfe<lb/>
und Hya&#x0364;nen heimlich davon zu tragen.</p><lb/>
        <p>Anton ging im Dunkel auf und ab. Er wollte<lb/>
&#x017F;ich gar nicht zum &#x017F;chlafen niederlegen. Mu&#x0364;de war er<lb/>
wohl, doch nicht &#x017F;chla&#x0364;frig. Wandelnd, &#x017F;innend, wachte<lb/>
er Mitternacht heran.</p><lb/>
        <p>Die Augen der Thiere leuchteten wie glu&#x0364;hende<lb/>
Kohlen. Man vernahm kein Gera&#x0364;u&#x017F;ch in ihren Ka&#x017F;ten,<lb/>
&#x017F;o lei&#x017F;e traten &#x017F;ie auf. Wie es zwo&#x0364;lf Uhr &#x017F;chlug, &#x2014;<lb/>
der letzte Ton der großen Thurmglocke verhallte,<lb/>
eben wendete &#x017F;ich Anton auf &#x017F;einem gleichfo&#x0364;rmigen<lb/>
Wege um, &#x2014; da war es ihm, als ob am hinteren<lb/>
Ende der Bude die Vorha&#x0364;nge, welche leere Ka&#x0364;fige,<lb/>
Ka&#x017F;ten und anderes ungebrauchtes Gera&#x0364;th verhu&#x0364;llten,<lb/>
zu flattern bego&#x0364;nnen und &#x017F;ich o&#x0364;ffneten, als ob ein<lb/>
Licht&#x017F;chimmer daraus hervordra&#x0364;nge. Sein er&#x017F;ter<lb/>
Gedanke galt einer Nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit der beurlaubten<lb/>
Knechte, einer vielleicht nicht &#x017F;orgfa&#x0364;ltig gelo&#x0364;&#x017F;chten<lb/>
Lampe. Er &#x017F;chritt eilig vor, .... doch mitten im o&#x0364;den<lb/>
Raume blieb er unbeweglich &#x017F;tehen .... &#x017F;ein Athem<lb/>
&#x017F;tockte .... Ei&#x017F;eska&#x0364;lte durchrie&#x017F;elte ihn, er &#x017F;ah die<lb/>
alte Frau Gok&#x017F;ch, &#x017F;eine &#x017F;eelige Großmutter. Sie war<lb/>
gekleidet wie bei Lebzeiten &#x017F;ie gewo&#x0364;hnlich einherge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0320] daß kein Taſchendieb ſich einſchleichen werde, Woͤlfe und Hyaͤnen heimlich davon zu tragen. Anton ging im Dunkel auf und ab. Er wollte ſich gar nicht zum ſchlafen niederlegen. Muͤde war er wohl, doch nicht ſchlaͤfrig. Wandelnd, ſinnend, wachte er Mitternacht heran. Die Augen der Thiere leuchteten wie gluͤhende Kohlen. Man vernahm kein Geraͤuſch in ihren Kaſten, ſo leiſe traten ſie auf. Wie es zwoͤlf Uhr ſchlug, — der letzte Ton der großen Thurmglocke verhallte, eben wendete ſich Anton auf ſeinem gleichfoͤrmigen Wege um, — da war es ihm, als ob am hinteren Ende der Bude die Vorhaͤnge, welche leere Kaͤfige, Kaſten und anderes ungebrauchtes Geraͤth verhuͤllten, zu flattern begoͤnnen und ſich oͤffneten, als ob ein Lichtſchimmer daraus hervordraͤnge. Sein erſter Gedanke galt einer Nachlaͤſſigkeit der beurlaubten Knechte, einer vielleicht nicht ſorgfaͤltig geloͤſchten Lampe. Er ſchritt eilig vor, .... doch mitten im oͤden Raume blieb er unbeweglich ſtehen .... ſein Athem ſtockte .... Eiſeskaͤlte durchrieſelte ihn, er ſah die alte Frau Gokſch, ſeine ſeelige Großmutter. Sie war gekleidet wie bei Lebzeiten ſie gewoͤhnlich einherge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/320
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/320>, abgerufen am 24.11.2024.