der verzeihlichen Rohheit ihres Herkommens und Berufes, wären die Menschen gewesen, nur zu ahnen, geschweige denn zu begreifen, wie ein Jüngling von Antons einnehmender Persönlichkeit noch schmachten, zweifeln wolle, nach Vorgängen, deren er zwei erlebt. Sie verließen so leicht keine Stadt und kein Städt- chen ohne Bande zu schlingen, die gleich anfänglich durch derbe, aber leicht lösbare Knoten gefestiget wur- den. Doch waren sie praktische Leute und richteten die leichtere, oder festere Verknotung ihrer Bündnisse schon im voraus danach ein, ob sie auf längeren, oder auf kürzeren Aufenthalt am Orte zu rechnen hätten.
K. war eine sogenannte "große Station." Hier entsprachen dauernde Verhältnisse. Beide knüpften dergleichen mit gewohnter Leichtigkeit und Uebung an. Aber beide versahen sich diesmal, trotz ihrer Uebung, im Gegenstande der Wahl. Sie hatten die Herzen zweier Schwestern erobert, -- Töchter eines Nachtwächters -- die jedoch vom strengen Vater mürrisch gehütet und besser bewacht, als das seinen Schlummerstunden anvertraute Stadtviertel, bis dahin ziemlich vorwurfsfrei gelebt, und die Huldigungen der Thier-Männer nur unter sehr bürgerlichen Absich- ten auf Ehestand angenommen hatten. Ja, was noch
der verzeihlichen Rohheit ihres Herkommens und Berufes, waͤren die Menſchen geweſen, nur zu ahnen, geſchweige denn zu begreifen, wie ein Juͤngling von Antons einnehmender Perſoͤnlichkeit noch ſchmachten, zweifeln wolle, nach Vorgaͤngen, deren er zwei erlebt. Sie verließen ſo leicht keine Stadt und kein Staͤdt- chen ohne Bande zu ſchlingen, die gleich anfaͤnglich durch derbe, aber leicht loͤsbare Knoten gefeſtiget wur- den. Doch waren ſie praktiſche Leute und richteten die leichtere, oder feſtere Verknotung ihrer Buͤndniſſe ſchon im voraus danach ein, ob ſie auf laͤngeren, oder auf kuͤrzeren Aufenthalt am Orte zu rechnen haͤtten.
K. war eine ſogenannte „große Station.“ Hier entſprachen dauernde Verhaͤltniſſe. Beide knuͤpften dergleichen mit gewohnter Leichtigkeit und Uebung an. Aber beide verſahen ſich diesmal, trotz ihrer Uebung, im Gegenſtande der Wahl. Sie hatten die Herzen zweier Schweſtern erobert, — Toͤchter eines Nachtwaͤchters — die jedoch vom ſtrengen Vater muͤrriſch gehuͤtet und beſſer bewacht, als das ſeinen Schlummerſtunden anvertraute Stadtviertel, bis dahin ziemlich vorwurfsfrei gelebt, und die Huldigungen der Thier-Maͤnner nur unter ſehr buͤrgerlichen Abſich- ten auf Eheſtand angenommen hatten. Ja, was noch
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der verzeihlichen Rohheit ihres Herkommens und
Berufes, waͤren die Menſchen geweſen, nur zu ahnen,
geſchweige denn zu begreifen, wie ein Juͤngling von
Antons einnehmender Perſoͤnlichkeit noch ſchmachten,
zweifeln wolle, nach Vorgaͤngen, deren er zwei erlebt.
Sie verließen ſo leicht keine Stadt und kein Staͤdt-
chen ohne Bande zu ſchlingen, die gleich anfaͤnglich
durch derbe, aber leicht loͤsbare Knoten gefeſtiget wur-
den. Doch waren ſie praktiſche Leute und richteten
die leichtere, oder feſtere Verknotung ihrer Buͤndniſſe
ſchon im voraus danach ein, ob ſie auf laͤngeren, oder
auf kuͤrzeren Aufenthalt am Orte zu rechnen haͤtten.
K. war eine ſogenannte „große Station.“ Hier
entſprachen dauernde Verhaͤltniſſe. Beide knuͤpften
dergleichen mit gewohnter Leichtigkeit und Uebung
an. Aber beide verſahen ſich diesmal, trotz ihrer
Uebung, im Gegenſtande der Wahl. Sie hatten die
Herzen zweier Schweſtern erobert, — Toͤchter eines
Nachtwaͤchters — die jedoch vom ſtrengen Vater
muͤrriſch gehuͤtet und beſſer bewacht, als das ſeinen
Schlummerſtunden anvertraute Stadtviertel, bis dahin
ziemlich vorwurfsfrei gelebt, und die Huldigungen
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/316>, abgerufen am 24.11.2024.
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