derselben seiner Lili-Laura einigermaßen begreiflich und zugänglich zu machen. Anton wußte doch jetzt recht gut französisch, sprach es so geläufig beinahe wie Deutsch; und sprach es besser, als Jene die eine fremde Sprache aus den Regeln der Schule erlernen, weil er es von lebendigen Lippen, -- und was für Lippen, -- entnommen. Aber an diesem Versuche scheiterte jegliches Bestreben. Sinn und Worte und Form fand er für die meisten Strofen -- dennoch fehlte immer etwas, -- und ohne dieses Etwas gerade, wurd' es eben etwas ganz Anderes. Solche eigen- sinnige, unbesiegliche Sonderung zweier Sprachen führte unsern Freund auf mancherlei Betrachtungen über den Geist der Sprache im Allgemeinen. Betrach- tungen, welche man eben so wenig bei einem Mena- gerie-Wärter suchen, als Göthe geahnet haben dürfte, daß ein solcher sich üben, ärgern und wiederum kräf- tigen werde, an einem Gedichte, welches Er im Un- muth unbefriedigter Leidenschaften einstmals hinwarf. Aber so geht es:
Der Urgeist streut den Saamen in die Winde, Daß manch' ein Körnlein Grund wie Boden finde!
Anton hatte niemand, dem er sich mittheilen kön- nen. Weder Schwarz- noch Rothbart, abgesehen von
derſelben ſeiner Lili-Laura einigermaßen begreiflich und zugaͤnglich zu machen. Anton wußte doch jetzt recht gut franzoͤſiſch, ſprach es ſo gelaͤufig beinahe wie Deutſch; und ſprach es beſſer, als Jene die eine fremde Sprache aus den Regeln der Schule erlernen, weil er es von lebendigen Lippen, — und was fuͤr Lippen, — entnommen. Aber an dieſem Verſuche ſcheiterte jegliches Beſtreben. Sinn und Worte und Form fand er fuͤr die meiſten Strofen — dennoch fehlte immer etwas, — und ohne dieſes Etwas gerade, wurd’ es eben etwas ganz Anderes. Solche eigen- ſinnige, unbeſiegliche Sonderung zweier Sprachen fuͤhrte unſern Freund auf mancherlei Betrachtungen uͤber den Geiſt der Sprache im Allgemeinen. Betrach- tungen, welche man eben ſo wenig bei einem Mena- gerie-Waͤrter ſuchen, als Goͤthe geahnet haben duͤrfte, daß ein ſolcher ſich uͤben, aͤrgern und wiederum kraͤf- tigen werde, an einem Gedichte, welches Er im Un- muth unbefriedigter Leidenſchaften einſtmals hinwarf. Aber ſo geht es:
Der Urgeiſt ſtreut den Saamen in die Winde, Daß manch’ ein Körnlein Grund wie Boden finde!
Anton hatte niemand, dem er ſich mittheilen koͤn- nen. Weder Schwarz- noch Rothbart, abgeſehen von
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derſelben ſeiner Lili-Laura einigermaßen begreiflich
und zugaͤnglich zu machen. Anton wußte doch jetzt
recht gut franzoͤſiſch, ſprach es ſo gelaͤufig beinahe
wie Deutſch; und ſprach es beſſer, als Jene die eine
fremde Sprache aus den Regeln der Schule erlernen,
weil er es von lebendigen Lippen, — und was fuͤr
Lippen, — entnommen. Aber an dieſem Verſuche
ſcheiterte jegliches Beſtreben. Sinn und Worte und
Form fand er fuͤr die meiſten Strofen — dennoch
fehlte immer etwas, — und ohne dieſes Etwas gerade,
wurd’ es eben etwas ganz Anderes. Solche eigen-
ſinnige, unbeſiegliche Sonderung zweier Sprachen
fuͤhrte unſern Freund auf mancherlei Betrachtungen
uͤber den Geiſt der Sprache im Allgemeinen. Betrach-
tungen, welche man eben ſo wenig bei einem Mena-
gerie-Waͤrter ſuchen, als Goͤthe geahnet haben duͤrfte,
daß ein ſolcher ſich uͤben, aͤrgern und wiederum kraͤf-
tigen werde, an einem Gedichte, welches Er im Un-
muth unbefriedigter Leidenſchaften einſtmals hinwarf.
Aber ſo geht es:
Der Urgeiſt ſtreut den Saamen in die Winde,
Daß manch’ ein Körnlein Grund wie Boden finde!
Anton hatte niemand, dem er ſich mittheilen koͤn-
nen. Weder Schwarz- noch Rothbart, abgeſehen von
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/315>, abgerufen am 24.11.2024.
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