Abreise von D. Neuer Aufenthalt in K. -- Lili's Park. -- Roth- und Schwarz- bart lieben ernsthaft; Anton wacht für sie. Er hat eine Erscheinung, die nur Schein ist. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird.
Madame Laura Amelot scheint denn doch keine gewöhnliche Frau zu sein. Nachdem die Eifersucht ausgetobt, hat sie wieder weibliche Fassung und Würde gewonnen. Sie benimmt sich, als wäre zwi- schen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er weiß abermals nicht, woran er ist. Wir finden sie auf der Reise durch einige kleinere Städte, in welchen ihr Weilen von ganz kurzer Dauer ist und holen sie, nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo sie sich des Breiteren festgesetzt haben, ohne daß im Ver- hältniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther äußerlicher Wechsel eingetreten wäre, wobei aller- dings nicht zu verhehlen, daß sich Anton innerlich bedeutend verändert hat. Seine Träume sind Wünsche geworden, seine Wünsche Begierden. Sie waren einige Tage hindurch Hoffnungen. Diesen letzteren hat Laura's Zurückhaltung die Flügel gestutzt und nun kriechen sie, ohne Aufschwung, fast erbittert am Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit
Sechsundzwanzigſtes Kapitel.
Abreiſe von D. Neuer Aufenthalt in K. — Lili’s Park. — Roth- und Schwarz- bart lieben ernſthaft; Anton wacht für ſie. Er hat eine Erſcheinung, die nur Schein iſt. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird.
Madame Laura Amelot ſcheint denn doch keine gewoͤhnliche Frau zu ſein. Nachdem die Eiferſucht ausgetobt, hat ſie wieder weibliche Faſſung und Wuͤrde gewonnen. Sie benimmt ſich, als waͤre zwi- ſchen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er weiß abermals nicht, woran er iſt. Wir finden ſie auf der Reiſe durch einige kleinere Staͤdte, in welchen ihr Weilen von ganz kurzer Dauer iſt und holen ſie, nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo ſie ſich des Breiteren feſtgeſetzt haben, ohne daß im Ver- haͤltniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther aͤußerlicher Wechſel eingetreten waͤre, wobei aller- dings nicht zu verhehlen, daß ſich Anton innerlich bedeutend veraͤndert hat. Seine Traͤume ſind Wuͤnſche geworden, ſeine Wuͤnſche Begierden. Sie waren einige Tage hindurch Hoffnungen. Dieſen letzteren hat Laura’s Zuruͤckhaltung die Fluͤgel geſtutzt und nun kriechen ſie, ohne Aufſchwung, faſt erbittert am Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit
<TEI><text><body><pbfacs="#f0312"n="296"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Sechsundzwanzigſtes Kapitel.</hi></head><lb/><argument><p>Abreiſe von D. Neuer Aufenthalt in K. — Lili’s Park. — Roth- und Schwarz-<lb/>
bart lieben ernſthaft; Anton wacht für ſie. Er hat eine Erſcheinung, die nur<lb/><hirendition="#c">Schein iſt. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird.</hi></p></argument><lb/><p>Madame Laura Amelot ſcheint denn doch keine<lb/>
gewoͤhnliche Frau zu ſein. Nachdem die Eiferſucht<lb/>
ausgetobt, hat ſie wieder weibliche Faſſung und<lb/>
Wuͤrde gewonnen. Sie benimmt ſich, als waͤre zwi-<lb/>ſchen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er<lb/>
weiß abermals nicht, woran er iſt. Wir finden ſie<lb/>
auf der Reiſe durch einige kleinere Staͤdte, in welchen<lb/>
ihr Weilen von ganz kurzer Dauer iſt und holen ſie,<lb/>
nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo ſie<lb/>ſich des Breiteren feſtgeſetzt haben, ohne daß im Ver-<lb/>
haͤltniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther<lb/>
aͤußerlicher Wechſel eingetreten waͤre, wobei aller-<lb/>
dings nicht zu verhehlen, daß ſich Anton innerlich<lb/>
bedeutend veraͤndert hat. Seine Traͤume ſind Wuͤnſche<lb/>
geworden, ſeine Wuͤnſche Begierden. Sie waren<lb/>
einige Tage hindurch Hoffnungen. Dieſen letzteren<lb/>
hat Laura’s Zuruͤckhaltung die Fluͤgel geſtutzt und<lb/>
nun kriechen ſie, ohne Aufſchwung, faſt erbittert am<lb/>
Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[296/0312]
Sechsundzwanzigſtes Kapitel.
Abreiſe von D. Neuer Aufenthalt in K. — Lili’s Park. — Roth- und Schwarz-
bart lieben ernſthaft; Anton wacht für ſie. Er hat eine Erſcheinung, die nur
Schein iſt. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird.
Madame Laura Amelot ſcheint denn doch keine
gewoͤhnliche Frau zu ſein. Nachdem die Eiferſucht
ausgetobt, hat ſie wieder weibliche Faſſung und
Wuͤrde gewonnen. Sie benimmt ſich, als waͤre zwi-
ſchen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er
weiß abermals nicht, woran er iſt. Wir finden ſie
auf der Reiſe durch einige kleinere Staͤdte, in welchen
ihr Weilen von ganz kurzer Dauer iſt und holen ſie,
nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo ſie
ſich des Breiteren feſtgeſetzt haben, ohne daß im Ver-
haͤltniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther
aͤußerlicher Wechſel eingetreten waͤre, wobei aller-
dings nicht zu verhehlen, daß ſich Anton innerlich
bedeutend veraͤndert hat. Seine Traͤume ſind Wuͤnſche
geworden, ſeine Wuͤnſche Begierden. Sie waren
einige Tage hindurch Hoffnungen. Dieſen letzteren
hat Laura’s Zuruͤckhaltung die Fluͤgel geſtutzt und
nun kriechen ſie, ohne Aufſchwung, faſt erbittert am
Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/312>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.