raubt. Er fühlt sich wieder Diener, nach dem er einen Augenblick lang gewähnt hatte, Herr zu werden.
Sein Geschäft, -- die Thiere, die übelriechende Bude, -- das Publikum, -- der Gesang, -- die Musik, -- Alles widert ihn an. Seine Einbildungs- kraft weiset ihn auf Guillaume's lustige Bande zurück. Er schwebt in wachen Träumen mit dem kecken Volk auf wieherndem Renner die Bahn entlang; seine seidnen Gewändern flattern rauschend bei'm tobenden Schalle der Musik. Er möchte die Flucht ergreifen, möchte den schnöden Affen, großen Katzen, Bären und Hyänen Valet sagen! Aber Laura lächelt ihn, wie aus Zerstreuung, einmal an, und es ist aus.
Eines noch hält ihn aufrecht: das Bedürfniß zu lesen, zu lernen, wie sonst. Nur daß er es jetzt in Städten leichter befriedigen kann, als während seines Landlebens. Französische Bücher wechseln mit deut- schen; was die Leihbibliotheken besitzen, stöbert er auf. Unter anderen sind ihm auch Göthes Gedichte zugekommen. Viele hat er ausgeschrieben, manche auswendig gelernt. Eines rezitirt er, wo er geht und steht. Doch den Titel hat er umgeändert. Nicht Lili's, -- nein "Laura's Park" nennt er's. Oft, wenn
raubt. Er fuͤhlt ſich wieder Diener, nach dem er einen Augenblick lang gewaͤhnt hatte, Herr zu werden.
Sein Geſchaͤft, — die Thiere, die uͤbelriechende Bude, — das Publikum, — der Geſang, — die Muſik, — Alles widert ihn an. Seine Einbildungs- kraft weiſet ihn auf Guillaume’s luſtige Bande zuruͤck. Er ſchwebt in wachen Traͤumen mit dem kecken Volk auf wieherndem Renner die Bahn entlang; ſeine ſeidnen Gewaͤndern flattern rauſchend bei’m tobenden Schalle der Muſik. Er moͤchte die Flucht ergreifen, moͤchte den ſchnoͤden Affen, großen Katzen, Baͤren und Hyaͤnen Valet ſagen! Aber Laura laͤchelt ihn, wie aus Zerſtreuung, einmal an, und es iſt aus.
Eines noch haͤlt ihn aufrecht: das Beduͤrfniß zu leſen, zu lernen, wie ſonſt. Nur daß er es jetzt in Staͤdten leichter befriedigen kann, als waͤhrend ſeines Landlebens. Franzoͤſiſche Buͤcher wechſeln mit deut- ſchen; was die Leihbibliotheken beſitzen, ſtoͤbert er auf. Unter anderen ſind ihm auch Goͤthes Gedichte zugekommen. Viele hat er ausgeſchrieben, manche auswendig gelernt. Eines rezitirt er, wo er geht und ſteht. Doch den Titel hat er umgeaͤndert. Nicht Lili’s, — nein „Laura’s Park“ nennt er’s. Oft, wenn
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raubt. Er fuͤhlt ſich wieder Diener, nach dem er einen
Augenblick lang gewaͤhnt hatte, Herr zu werden.
Sein Geſchaͤft, — die Thiere, die uͤbelriechende
Bude, — das Publikum, — der Geſang, — die
Muſik, — Alles widert ihn an. Seine Einbildungs-
kraft weiſet ihn auf Guillaume’s luſtige Bande zuruͤck.
Er ſchwebt in wachen Traͤumen mit dem kecken Volk
auf wieherndem Renner die Bahn entlang; ſeine
ſeidnen Gewaͤndern flattern rauſchend bei’m tobenden
Schalle der Muſik. Er moͤchte die Flucht ergreifen,
moͤchte den ſchnoͤden Affen, großen Katzen, Baͤren
und Hyaͤnen Valet ſagen! Aber Laura laͤchelt ihn,
wie aus Zerſtreuung, einmal an, und es iſt aus.
Eines noch haͤlt ihn aufrecht: das Beduͤrfniß zu
leſen, zu lernen, wie ſonſt. Nur daß er es jetzt in
Staͤdten leichter befriedigen kann, als waͤhrend ſeines
Landlebens. Franzoͤſiſche Buͤcher wechſeln mit deut-
ſchen; was die Leihbibliotheken beſitzen, ſtoͤbert er
auf. Unter anderen ſind ihm auch Goͤthes Gedichte
zugekommen. Viele hat er ausgeſchrieben, manche
auswendig gelernt. Eines rezitirt er, wo er geht und
ſteht. Doch den Titel hat er umgeaͤndert. Nicht Lili’s,
— nein „Laura’s Park“ nennt er’s. Oft, wenn
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/313>, abgerufen am 24.11.2024.
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