einen melancholischen Zug um die Augen, als ob sie unglücklich wäre."
"Jch konnte mir's nicht versagen, diese Personen, die mir wie übernatürliche Wesen erschienen waren, in der Nähe anzuschau'n. Da meine Damen ge- schlossene Sitze hatten und ich unter den stehenden Herren mich befand, wurd' es mir leicht, nach den Räumen zu dringen, wo die Reiter und die Rosse Toilette machen. Herr Michaletto Sanchez war auch dort, wie wenn er bei sich zu Hause wäre und stellte mich dem Herrn Direktor Guillaume vor. Nein aber was die Menschen unzuverlässig und falsch sind! Das ist zum Erschrecken! Der nämliche Sanchez, der neu- lich bei uns auf Herrn Guillaume geschimpft, was er nur herausbrachte, war jetzt, wie wir Franzosen sagen, frere et cochon mit ihm, wie mit seinem intimsten Freunde. Da verlasse sich Einer auf die Leute!"
"Herr Guillaume "arbeitet" jetzt nicht mehr; er macht es sich bequem, dirigirt das Ganze, streicht das Geld ein und führt unterweilen die Peitsche, die er nicht schont, wie mir vorkommt. Es wäre ein statt- licher Mann, wenn er nicht einen so dicken Bauch hätte."
"Sanchez erzählte mir, daß dieser Guillaume zu
Die Vagabunden. 19
einen melancholiſchen Zug um die Augen, als ob ſie ungluͤcklich waͤre.“
„Jch konnte mir’s nicht verſagen, dieſe Perſonen, die mir wie uͤbernatuͤrliche Weſen erſchienen waren, in der Naͤhe anzuſchau’n. Da meine Damen ge- ſchloſſene Sitze hatten und ich unter den ſtehenden Herren mich befand, wurd’ es mir leicht, nach den Raͤumen zu dringen, wo die Reiter und die Roſſe Toilette machen. Herr Michaletto Sanchez war auch dort, wie wenn er bei ſich zu Hauſe waͤre und ſtellte mich dem Herrn Direktor Guillaume vor. Nein aber was die Menſchen unzuverlaͤſſig und falſch ſind! Das iſt zum Erſchrecken! Der naͤmliche Sanchez, der neu- lich bei uns auf Herrn Guillaume geſchimpft, was er nur herausbrachte, war jetzt, wie wir Franzoſen ſagen, frère et cochon mit ihm, wie mit ſeinem intimſten Freunde. Da verlaſſe ſich Einer auf die Leute!“
„Herr Guillaume „arbeitet“ jetzt nicht mehr; er macht es ſich bequem, dirigirt das Ganze, ſtreicht das Geld ein und fuͤhrt unterweilen die Peitſche, die er nicht ſchont, wie mir vorkommt. Es waͤre ein ſtatt- licher Mann, wenn er nicht einen ſo dicken Bauch haͤtte.“
„Sanchez erzaͤhlte mir, daß dieſer Guillaume zu
Die Vagabunden. 19
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einen melancholiſchen Zug um die Augen, als ob ſie
ungluͤcklich waͤre.“
„Jch konnte mir’s nicht verſagen, dieſe Perſonen,
die mir wie uͤbernatuͤrliche Weſen erſchienen waren,
in der Naͤhe anzuſchau’n. Da meine Damen ge-
ſchloſſene Sitze hatten und ich unter den ſtehenden
Herren mich befand, wurd’ es mir leicht, nach den
Raͤumen zu dringen, wo die Reiter und die Roſſe
Toilette machen. Herr Michaletto Sanchez war auch
dort, wie wenn er bei ſich zu Hauſe waͤre und ſtellte
mich dem Herrn Direktor Guillaume vor. Nein aber
was die Menſchen unzuverlaͤſſig und falſch ſind! Das
iſt zum Erſchrecken! Der naͤmliche Sanchez, der neu-
lich bei uns auf Herrn Guillaume geſchimpft, was er
nur herausbrachte, war jetzt, wie wir Franzoſen ſagen,
frère et cochon mit ihm, wie mit ſeinem intimſten
Freunde. Da verlaſſe ſich Einer auf die Leute!“
„Herr Guillaume „arbeitet“ jetzt nicht mehr; er
macht es ſich bequem, dirigirt das Ganze, ſtreicht das
Geld ein und fuͤhrt unterweilen die Peitſche, die er
nicht ſchont, wie mir vorkommt. Es waͤre ein ſtatt-
licher Mann, wenn er nicht einen ſo dicken Bauch
haͤtte.“
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Die Vagabunden. 19
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/305>, abgerufen am 24.11.2024.
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