Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Luft. Mit dem einen Arme halten sie sich umschlun-
gen, der andere hilft balanciren. Sie sind angekleidet
wie Pagen, oder so etwas. Beide sehr gut gewachsen;
es sieht also allerliebst aus, doch find' ich es nicht
recht schicksam. Die oberen Theile der Leuchter sind
eingerichtet, daß sie sich leicht drehen und nun fangen
die beiden Frauenzimmer sich zu wenden an, und
wechseln Seiten und Arme, und biegen sich vor und
zurück, und verfertigen die kunstvollsten Stellungen.
Einigemale meint' ich, sie müßten herunter purzeln.
Aber nichts da. Gleich sind sie wieder aufgerichtet
und stehen so fest und gerade, wie wenn sie wirklich
ein paar bemalte Wachskerzen wären."

"Die Rosalie, die sich auf dem schlaffen Seile
schwingt, ist die hübscheste; das heißt, der Madame
Amelot reicht sie nicht das Wasser. Doch hat ihr
Papa die Wahrheit von ihr gesagt; sie ist wirklich ein
Satan. Nicht nur auf dem Seile; auch so. Höch-
stens vierzehn Jahr' kann sie haben und doch lieb-
äugelte sie mit allen Herren im ganzen Saale. So-
gar mit den Alten. Einigemale warf sie mir recht
kecke Blicke zu, und jedesmal, wenn sie das that,
zuckte Madame Amelot mit dem Ellenbogen, als

Luft. Mit dem einen Arme halten ſie ſich umſchlun-
gen, der andere hilft balanciren. Sie ſind angekleidet
wie Pagen, oder ſo etwas. Beide ſehr gut gewachſen;
es ſieht alſo allerliebſt aus, doch find’ ich es nicht
recht ſchickſam. Die oberen Theile der Leuchter ſind
eingerichtet, daß ſie ſich leicht drehen und nun fangen
die beiden Frauenzimmer ſich zu wenden an, und
wechſeln Seiten und Arme, und biegen ſich vor und
zuruͤck, und verfertigen die kunſtvollſten Stellungen.
Einigemale meint’ ich, ſie muͤßten herunter purzeln.
Aber nichts da. Gleich ſind ſie wieder aufgerichtet
und ſtehen ſo feſt und gerade, wie wenn ſie wirklich
ein paar bemalte Wachskerzen waͤren.“

„Die Roſalie, die ſich auf dem ſchlaffen Seile
ſchwingt, iſt die huͤbſcheſte; das heißt, der Madame
Amelot reicht ſie nicht das Waſſer. Doch hat ihr
Papa die Wahrheit von ihr geſagt; ſie iſt wirklich ein
Satan. Nicht nur auf dem Seile; auch ſo. Hoͤch-
ſtens vierzehn Jahr’ kann ſie haben und doch lieb-
aͤugelte ſie mit allen Herren im ganzen Saale. So-
gar mit den Alten. Einigemale warf ſie mir recht
kecke Blicke zu, und jedesmal, wenn ſie das that,
zuckte Madame Amelot mit dem Ellenbogen, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry" n="3">
            <p><pb facs="#f0303" n="287"/>
Luft. Mit dem einen Arme halten &#x017F;ie &#x017F;ich um&#x017F;chlun-<lb/>
gen, der andere hilft balanciren. Sie &#x017F;ind angekleidet<lb/>
wie Pagen, oder &#x017F;o etwas. Beide &#x017F;ehr gut gewach&#x017F;en;<lb/>
es &#x017F;ieht al&#x017F;o allerlieb&#x017F;t aus, doch find&#x2019; ich es nicht<lb/>
recht &#x017F;chick&#x017F;am. Die oberen Theile der Leuchter &#x017F;ind<lb/>
eingerichtet, daß &#x017F;ie &#x017F;ich leicht drehen und nun fangen<lb/>
die beiden Frauenzimmer &#x017F;ich zu wenden an, und<lb/>
wech&#x017F;eln Seiten und Arme, und biegen &#x017F;ich vor und<lb/>
zuru&#x0364;ck, und verfertigen die kun&#x017F;tvoll&#x017F;ten Stellungen.<lb/>
Einigemale meint&#x2019; ich, &#x017F;ie mu&#x0364;ßten herunter purzeln.<lb/>
Aber nichts da. Gleich &#x017F;ind &#x017F;ie wieder aufgerichtet<lb/>
und &#x017F;tehen &#x017F;o fe&#x017F;t und gerade, wie wenn &#x017F;ie wirklich<lb/>
ein paar bemalte Wachskerzen wa&#x0364;ren.&#x201C;</p><lb/>
            <p>&#x201E;Die Ro&#x017F;alie, die &#x017F;ich auf dem &#x017F;chlaffen Seile<lb/>
&#x017F;chwingt, i&#x017F;t die hu&#x0364;b&#x017F;che&#x017F;te; das heißt, der Madame<lb/>
Amelot reicht &#x017F;ie nicht das Wa&#x017F;&#x017F;er. Doch hat ihr<lb/>
Papa die Wahrheit von ihr ge&#x017F;agt; &#x017F;ie i&#x017F;t wirklich ein<lb/>
Satan. Nicht nur auf dem Seile; auch &#x017F;o. Ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;tens vierzehn Jahr&#x2019; kann &#x017F;ie haben und doch lieb-<lb/>
a&#x0364;ugelte &#x017F;ie mit allen Herren im ganzen Saale. So-<lb/>
gar mit den Alten. Einigemale warf &#x017F;ie mir recht<lb/>
kecke Blicke zu, und jedesmal, wenn &#x017F;ie das that,<lb/>
zuckte Madame Amelot mit dem Ellenbogen, als<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0303] Luft. Mit dem einen Arme halten ſie ſich umſchlun- gen, der andere hilft balanciren. Sie ſind angekleidet wie Pagen, oder ſo etwas. Beide ſehr gut gewachſen; es ſieht alſo allerliebſt aus, doch find’ ich es nicht recht ſchickſam. Die oberen Theile der Leuchter ſind eingerichtet, daß ſie ſich leicht drehen und nun fangen die beiden Frauenzimmer ſich zu wenden an, und wechſeln Seiten und Arme, und biegen ſich vor und zuruͤck, und verfertigen die kunſtvollſten Stellungen. Einigemale meint’ ich, ſie muͤßten herunter purzeln. Aber nichts da. Gleich ſind ſie wieder aufgerichtet und ſtehen ſo feſt und gerade, wie wenn ſie wirklich ein paar bemalte Wachskerzen waͤren.“ „Die Roſalie, die ſich auf dem ſchlaffen Seile ſchwingt, iſt die huͤbſcheſte; das heißt, der Madame Amelot reicht ſie nicht das Waſſer. Doch hat ihr Papa die Wahrheit von ihr geſagt; ſie iſt wirklich ein Satan. Nicht nur auf dem Seile; auch ſo. Hoͤch- ſtens vierzehn Jahr’ kann ſie haben und doch lieb- aͤugelte ſie mit allen Herren im ganzen Saale. So- gar mit den Alten. Einigemale warf ſie mir recht kecke Blicke zu, und jedesmal, wenn ſie das that, zuckte Madame Amelot mit dem Ellenbogen, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/303
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/303>, abgerufen am 17.05.2024.