Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Jtaliener ein Meister ist, würde er sich während der
ersten Conversation unserm Freunde deutlich zu
machen vergeblich bemüht haben. Wie er aber Wort
und Aktion vereinigte, gelang es ihm verständlich zu
werden. Er ließ Anton manchen Blick in die inneren
Verhältnisse des Hauses Simonelli thun. Madame
war eine reiche Frau und besaß außer den lebenden,
brüllenden, verschlingenden, fahrenden Gütern, auch
solide Fonds in sicheren Papieren. Laura Amelot,
ihr einziges Kind, an einen Seiltänzer, oder Sprin-
ger Amelot verheirathet, lebte seit länger als einem
Jahre von diesem getrennt, weil er sie nicht gut
behandelt und sogar in einem Anfalle von Eifersucht
einst mit der Balancierstange nach ihr geschlagen.
Sie war der Mutter Abgott und hatte, nachdem
Herr Amelot ihr die Liebe zu einem Manne verleidet,
sich den unschuldigen Koko zum Liebhaber erwählt.
Mama Simonelli schien gar nicht ungehalten über
die Trennung der luftspringerischen Ehe, denn
erstens war es ihr an und für sich lieb, ihre Tochter
wieder bei sich zu haben; zweitens lockte deren Gegen-
wart an der Kasse in größeren Städten gar viele
Herren zu häufig-wiederholtem Besuche der Menagerie
heran. Für gewöhnlich lebten sie, Menschen und

Jtaliener ein Meiſter iſt, wuͤrde er ſich waͤhrend der
erſten Converſation unſerm Freunde deutlich zu
machen vergeblich bemuͤht haben. Wie er aber Wort
und Aktion vereinigte, gelang es ihm verſtaͤndlich zu
werden. Er ließ Anton manchen Blick in die inneren
Verhaͤltniſſe des Hauſes Simonelli thun. Madame
war eine reiche Frau und beſaß außer den lebenden,
bruͤllenden, verſchlingenden, fahrenden Guͤtern, auch
ſolide Fonds in ſicheren Papieren. Laura Amelot,
ihr einziges Kind, an einen Seiltaͤnzer, oder Sprin-
ger Amelot verheirathet, lebte ſeit laͤnger als einem
Jahre von dieſem getrennt, weil er ſie nicht gut
behandelt und ſogar in einem Anfalle von Eiferſucht
einſt mit der Balancierſtange nach ihr geſchlagen.
Sie war der Mutter Abgott und hatte, nachdem
Herr Amelot ihr die Liebe zu einem Manne verleidet,
ſich den unſchuldigen Koko zum Liebhaber erwaͤhlt.
Mama Simonelli ſchien gar nicht ungehalten uͤber
die Trennung der luftſpringeriſchen Ehe, denn
erſtens war es ihr an und fuͤr ſich lieb, ihre Tochter
wieder bei ſich zu haben; zweitens lockte deren Gegen-
wart an der Kaſſe in groͤßeren Staͤdten gar viele
Herren zu haͤufig-wiederholtem Beſuche der Menagerie
heran. Fuͤr gewoͤhnlich lebten ſie, Menſchen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0264" n="248"/>
Jtaliener ein Mei&#x017F;ter i&#x017F;t, wu&#x0364;rde er &#x017F;ich wa&#x0364;hrend der<lb/>
er&#x017F;ten Conver&#x017F;ation un&#x017F;erm Freunde deutlich zu<lb/>
machen vergeblich bemu&#x0364;ht haben. Wie er aber Wort<lb/>
und Aktion vereinigte, gelang es ihm ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu<lb/>
werden. Er ließ Anton manchen Blick in die inneren<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Hau&#x017F;es Simonelli thun. Madame<lb/>
war eine reiche Frau und be&#x017F;aß außer den lebenden,<lb/>
bru&#x0364;llenden, ver&#x017F;chlingenden, fahrenden Gu&#x0364;tern, auch<lb/>
&#x017F;olide Fonds in &#x017F;icheren Papieren. Laura Amelot,<lb/>
ihr einziges Kind, an einen Seilta&#x0364;nzer, oder Sprin-<lb/>
ger Amelot verheirathet, lebte &#x017F;eit la&#x0364;nger als einem<lb/>
Jahre von die&#x017F;em getrennt, weil er &#x017F;ie nicht gut<lb/>
behandelt und &#x017F;ogar in einem Anfalle von Eifer&#x017F;ucht<lb/>
ein&#x017F;t mit der Balancier&#x017F;tange nach ihr ge&#x017F;chlagen.<lb/>
Sie war der Mutter Abgott und hatte, nachdem<lb/>
Herr Amelot ihr die Liebe zu einem Manne verleidet,<lb/>
&#x017F;ich den un&#x017F;chuldigen Koko zum Liebhaber erwa&#x0364;hlt.<lb/>
Mama Simonelli &#x017F;chien gar nicht ungehalten u&#x0364;ber<lb/>
die Trennung der luft&#x017F;pringeri&#x017F;chen Ehe, denn<lb/>
er&#x017F;tens war es ihr an und fu&#x0364;r &#x017F;ich lieb, ihre Tochter<lb/>
wieder bei &#x017F;ich zu haben; zweitens lockte deren Gegen-<lb/>
wart an der Ka&#x017F;&#x017F;e in gro&#x0364;ßeren Sta&#x0364;dten gar viele<lb/>
Herren zu ha&#x0364;ufig-wiederholtem Be&#x017F;uche der Menagerie<lb/>
heran. Fu&#x0364;r gewo&#x0364;hnlich lebten &#x017F;ie, Men&#x017F;chen und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0264] Jtaliener ein Meiſter iſt, wuͤrde er ſich waͤhrend der erſten Converſation unſerm Freunde deutlich zu machen vergeblich bemuͤht haben. Wie er aber Wort und Aktion vereinigte, gelang es ihm verſtaͤndlich zu werden. Er ließ Anton manchen Blick in die inneren Verhaͤltniſſe des Hauſes Simonelli thun. Madame war eine reiche Frau und beſaß außer den lebenden, bruͤllenden, verſchlingenden, fahrenden Guͤtern, auch ſolide Fonds in ſicheren Papieren. Laura Amelot, ihr einziges Kind, an einen Seiltaͤnzer, oder Sprin- ger Amelot verheirathet, lebte ſeit laͤnger als einem Jahre von dieſem getrennt, weil er ſie nicht gut behandelt und ſogar in einem Anfalle von Eiferſucht einſt mit der Balancierſtange nach ihr geſchlagen. Sie war der Mutter Abgott und hatte, nachdem Herr Amelot ihr die Liebe zu einem Manne verleidet, ſich den unſchuldigen Koko zum Liebhaber erwaͤhlt. Mama Simonelli ſchien gar nicht ungehalten uͤber die Trennung der luftſpringeriſchen Ehe, denn erſtens war es ihr an und fuͤr ſich lieb, ihre Tochter wieder bei ſich zu haben; zweitens lockte deren Gegen- wart an der Kaſſe in groͤßeren Staͤdten gar viele Herren zu haͤufig-wiederholtem Beſuche der Menagerie heran. Fuͤr gewoͤhnlich lebten ſie, Menſchen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/264
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/264>, abgerufen am 17.05.2024.