zukommen ließ, über die Grenzen der Herrschaft hin- aus nach einem Hügel hin. Einem Hügel, welcher jenseits der Waldungen diese von fruchtreicheren Ebenen scheidet, und den man, wahrscheinlich nur weil ihm kein höherer Nachbar zur Seite steht, in der Umgegend Berg betitelt. Der Eichberg heißt er. Von dort hinab öffnet sich eine Fernsicht in weite Flächen. Anton war niemals auf seinen Spazier- gängen bis dahin gedrungen; wie er denn überhaupt an die Heimath gebannt, seiner Pflegerin Häuschen für den Mittelpunkt der Welt -- mindestens der seinigen -- gehalten.
Heute kam, ohne bestimmten Anlaß, ihm die unwiderstehliche Lust, auf den Eichberg zu gehen. Die Richtung, die er verfolgen mußte, ihn zu erreichen, war ihm wohl bekannt. Nach anderthalb Stunden schon stand er auf dem abgeplatteten Gipfel des öden Hügels, den nur noch etliche von Zeit, Sturm, Wet- ter und Blitz zertrümmerte, morsche Eichstämme ver- unzierten. Rückwärts gewendet übersah Anton jene Wälder, die er seit frühester Kindheit so vielfach durch- strichen. Nur die Kirchthurmspitze von Liebenau blickte daraus hervor. Nach der andern Seite hin sah er Aecker, Bäche, Wiesen, Dörfer, ja sogar einige
zukommen ließ, uͤber die Grenzen der Herrſchaft hin- aus nach einem Huͤgel hin. Einem Huͤgel, welcher jenſeits der Waldungen dieſe von fruchtreicheren Ebenen ſcheidet, und den man, wahrſcheinlich nur weil ihm kein hoͤherer Nachbar zur Seite ſteht, in der Umgegend Berg betitelt. Der Eichberg heißt er. Von dort hinab oͤffnet ſich eine Fernſicht in weite Flaͤchen. Anton war niemals auf ſeinen Spazier- gaͤngen bis dahin gedrungen; wie er denn uͤberhaupt an die Heimath gebannt, ſeiner Pflegerin Haͤuschen fuͤr den Mittelpunkt der Welt — mindeſtens der ſeinigen — gehalten.
Heute kam, ohne beſtimmten Anlaß, ihm die unwiderſtehliche Luſt, auf den Eichberg zu gehen. Die Richtung, die er verfolgen mußte, ihn zu erreichen, war ihm wohl bekannt. Nach anderthalb Stunden ſchon ſtand er auf dem abgeplatteten Gipfel des oͤden Huͤgels, den nur noch etliche von Zeit, Sturm, Wet- ter und Blitz zertruͤmmerte, morſche Eichſtaͤmme ver- unzierten. Ruͤckwaͤrts gewendet uͤberſah Anton jene Waͤlder, die er ſeit fruͤheſter Kindheit ſo vielfach durch- ſtrichen. Nur die Kirchthurmſpitze von Liebenau blickte daraus hervor. Nach der andern Seite hin ſah er Aecker, Baͤche, Wieſen, Doͤrfer, ja ſogar einige
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zukommen ließ, uͤber die Grenzen der Herrſchaft hin-
aus nach einem Huͤgel hin. Einem Huͤgel, welcher
jenſeits der Waldungen dieſe von fruchtreicheren
Ebenen ſcheidet, und den man, wahrſcheinlich nur
weil ihm kein hoͤherer Nachbar zur Seite ſteht, in der
Umgegend Berg betitelt. Der Eichberg heißt er.
Von dort hinab oͤffnet ſich eine Fernſicht in weite
Flaͤchen. Anton war niemals auf ſeinen Spazier-
gaͤngen bis dahin gedrungen; wie er denn uͤberhaupt
an die Heimath gebannt, ſeiner Pflegerin Haͤuschen
fuͤr den Mittelpunkt der Welt — mindeſtens der
ſeinigen — gehalten.
Heute kam, ohne beſtimmten Anlaß, ihm die
unwiderſtehliche Luſt, auf den Eichberg zu gehen. Die
Richtung, die er verfolgen mußte, ihn zu erreichen,
war ihm wohl bekannt. Nach anderthalb Stunden
ſchon ſtand er auf dem abgeplatteten Gipfel des oͤden
Huͤgels, den nur noch etliche von Zeit, Sturm, Wet-
ter und Blitz zertruͤmmerte, morſche Eichſtaͤmme ver-
unzierten. Ruͤckwaͤrts gewendet uͤberſah Anton jene
Waͤlder, die er ſeit fruͤheſter Kindheit ſo vielfach durch-
ſtrichen. Nur die Kirchthurmſpitze von Liebenau
blickte daraus hervor. Nach der andern Seite hin
ſah er Aecker, Baͤche, Wieſen, Doͤrfer, ja ſogar einige
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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