Anton blieb am Grabe bis es völlig geschlossen und der Hügel aufgeworfen war, der noch vor Abend mit sorgfältig ausgestochenen Rasenstücken bedeckt wurde.
Achtzehntes Kapitel.
Unser Held geräth mit der Justiz in Widerstreit und verläßt Liebenau.
Wenn die Sterbenden wüßten wie das, was sie ihren letzten Willen nennen, so oft ganz anders als sie meinten, oder gar nicht zur Ausführung gelangt, sie würden, fürcht' ich, statt jenes letzten Willens einen letzten Unwillen kund geben. Wie viele Vermächt- nisse, worin den Zurückbleibenden Einigkeit und gegen- seitige Duldung geboten; wie viele Testamente, in denen Pietät und Förderung für begonnene Unter- nehmungen an's Herz gelegt; wie viele Hinterlassen- schaften, deren weise, der Menschheit ersprießliche Verwendung ausbedungen ward?! Ach, und kaum ist der Mund verstummt, der dies anordnete; kaum die seegensreiche Hand erkaltet, die es niederschrieb; kaum zwei Augen geschlossen, welche darüber wach- ten; -- daß auch schon Mißgunst, Selbstsucht, Eigen- nutz, Verschwendung den besten Vorschriften falsche
Anton blieb am Grabe bis es voͤllig geſchloſſen und der Huͤgel aufgeworfen war, der noch vor Abend mit ſorgfaͤltig ausgeſtochenen Raſenſtuͤcken bedeckt wurde.
Achtzehntes Kapitel.
Unſer Held geräth mit der Juſtiz in Widerſtreit und verläßt Liebenau.
Wenn die Sterbenden wuͤßten wie das, was ſie ihren letzten Willen nennen, ſo oft ganz anders als ſie meinten, oder gar nicht zur Ausfuͤhrung gelangt, ſie wuͤrden, fuͤrcht’ ich, ſtatt jenes letzten Willens einen letzten Unwillen kund geben. Wie viele Vermaͤcht- niſſe, worin den Zuruͤckbleibenden Einigkeit und gegen- ſeitige Duldung geboten; wie viele Teſtamente, in denen Pietaͤt und Foͤrderung fuͤr begonnene Unter- nehmungen an’s Herz gelegt; wie viele Hinterlaſſen- ſchaften, deren weiſe, der Menſchheit erſprießliche Verwendung ausbedungen ward?! Ach, und kaum iſt der Mund verſtummt, der dies anordnete; kaum die ſeegensreiche Hand erkaltet, die es niederſchrieb; kaum zwei Augen geſchloſſen, welche daruͤber wach- ten; — daß auch ſchon Mißgunſt, Selbſtſucht, Eigen- nutz, Verſchwendung den beſten Vorſchriften falſche
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Anton blieb am Grabe bis es voͤllig geſchloſſen
und der Huͤgel aufgeworfen war, der noch vor Abend
mit ſorgfaͤltig ausgeſtochenen Raſenſtuͤcken bedeckt
wurde.
Achtzehntes Kapitel.
Unſer Held geräth mit der Juſtiz in Widerſtreit und verläßt Liebenau.
Wenn die Sterbenden wuͤßten wie das, was ſie
ihren letzten Willen nennen, ſo oft ganz anders als
ſie meinten, oder gar nicht zur Ausfuͤhrung gelangt,
ſie wuͤrden, fuͤrcht’ ich, ſtatt jenes letzten Willens einen
letzten Unwillen kund geben. Wie viele Vermaͤcht-
niſſe, worin den Zuruͤckbleibenden Einigkeit und gegen-
ſeitige Duldung geboten; wie viele Teſtamente, in
denen Pietaͤt und Foͤrderung fuͤr begonnene Unter-
nehmungen an’s Herz gelegt; wie viele Hinterlaſſen-
ſchaften, deren weiſe, der Menſchheit erſprießliche
Verwendung ausbedungen ward?! Ach, und kaum
iſt der Mund verſtummt, der dies anordnete; kaum
die ſeegensreiche Hand erkaltet, die es niederſchrieb;
kaum zwei Augen geſchloſſen, welche daruͤber wach-
ten; — daß auch ſchon Mißgunſt, Selbſtſucht, Eigen-
nutz, Verſchwendung den beſten Vorſchriften falſche
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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