Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ist. Jhr Seegen ruht auf ihm! Anton, im Namen
Gottes ruft ein alter Mann Dir zu, -- daß die ganze
Gemeinde es höre! -- Deiner Großmutter Seegen
wird Dich begleiten durch's Leben. Welche Ver-
suchungen, welche Prüfungen, welche Leiden Dir
etwa vorbehalten sein mögen, -- Du wirst über alle
siegen und zuletzt glücklich sein, -- so gewiß die Seele
seelig ist, deren Hülle wir jetzt versenkt haben!! Laßt
uns ein stilles Gebet sprechen und kehre dann ein
Jedes an seinen Heerd. Amen.

Nachdem das Gebet vollendet war, drängten sich
Alt und Jung herbei, ihre drei Handvoll Erde auf
den Sarg zu werfen. Anton blieb unbeweglich, bis
Keiner mehr zurück war. Dann warf er seine Spende
hinab. Und wie er so schweigend, still, -- denn
Thränen hatten seine Augen nicht mehr, -- in's Grab
starrte, trat Ottilie an ihn heran.

Toni! rief sie laut, daß die Leute ringsumher es
hörten und auf beide blickten.

Er schrack zusammen und sah sie fragend an.

Sie umschlang seinen Kopf mit beiden Händen,
drückte einen langen Kuß auf seine Stirn und sagte:
Leb' wohl! Hierauf folgte sie ihren Schwestern. Das
Gewühl zerstreute sich.

Die Vagabunden. I. 14

iſt. Jhr Seegen ruht auf ihm! Anton, im Namen
Gottes ruft ein alter Mann Dir zu, — daß die ganze
Gemeinde es hoͤre! — Deiner Großmutter Seegen
wird Dich begleiten durch’s Leben. Welche Ver-
ſuchungen, welche Pruͤfungen, welche Leiden Dir
etwa vorbehalten ſein moͤgen, — Du wirſt uͤber alle
ſiegen und zuletzt gluͤcklich ſein, — ſo gewiß die Seele
ſeelig iſt, deren Huͤlle wir jetzt verſenkt haben!! Laßt
uns ein ſtilles Gebet ſprechen und kehre dann ein
Jedes an ſeinen Heerd. Amen.

Nachdem das Gebet vollendet war, draͤngten ſich
Alt und Jung herbei, ihre drei Handvoll Erde auf
den Sarg zu werfen. Anton blieb unbeweglich, bis
Keiner mehr zuruͤck war. Dann warf er ſeine Spende
hinab. Und wie er ſo ſchweigend, ſtill, — denn
Thraͤnen hatten ſeine Augen nicht mehr, — in’s Grab
ſtarrte, trat Ottilie an ihn heran.

Toni! rief ſie laut, daß die Leute ringsumher es
hoͤrten und auf beide blickten.

Er ſchrack zuſammen und ſah ſie fragend an.

Sie umſchlang ſeinen Kopf mit beiden Haͤnden,
druͤckte einen langen Kuß auf ſeine Stirn und ſagte:
Leb’ wohl! Hierauf folgte ſie ihren Schweſtern. Das
Gewuͤhl zerſtreute ſich.

Die Vagabunden. I. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0225" n="209"/>
i&#x017F;t. Jhr Seegen ruht auf ihm! Anton, im Namen<lb/>
Gottes ruft ein alter Mann Dir zu, &#x2014; daß die ganze<lb/>
Gemeinde es ho&#x0364;re! &#x2014; Deiner Großmutter Seegen<lb/>
wird Dich begleiten durch&#x2019;s Leben. Welche Ver-<lb/>
&#x017F;uchungen, welche Pru&#x0364;fungen, welche Leiden Dir<lb/>
etwa vorbehalten &#x017F;ein mo&#x0364;gen, &#x2014; Du wir&#x017F;t u&#x0364;ber alle<lb/>
&#x017F;iegen und zuletzt glu&#x0364;cklich &#x017F;ein, &#x2014; &#x017F;o gewiß die Seele<lb/>
&#x017F;eelig i&#x017F;t, deren Hu&#x0364;lle wir jetzt ver&#x017F;enkt haben!! Laßt<lb/>
uns ein &#x017F;tilles Gebet &#x017F;prechen und kehre dann ein<lb/>
Jedes an &#x017F;einen Heerd. Amen.</p><lb/>
        <p>Nachdem das Gebet vollendet war, dra&#x0364;ngten &#x017F;ich<lb/>
Alt und Jung herbei, ihre drei Handvoll Erde auf<lb/>
den Sarg zu werfen. Anton blieb unbeweglich, bis<lb/>
Keiner mehr zuru&#x0364;ck war. Dann warf er &#x017F;eine Spende<lb/>
hinab. Und wie er &#x017F;o &#x017F;chweigend, &#x017F;till, &#x2014; denn<lb/>
Thra&#x0364;nen hatten &#x017F;eine Augen nicht mehr, &#x2014; in&#x2019;s Grab<lb/>
&#x017F;tarrte, trat Ottilie an ihn heran.</p><lb/>
        <p>Toni! rief &#x017F;ie laut, daß die Leute ringsumher es<lb/>
ho&#x0364;rten und auf beide blickten.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;chrack zu&#x017F;ammen und &#x017F;ah &#x017F;ie fragend an.</p><lb/>
        <p>Sie um&#x017F;chlang &#x017F;einen Kopf mit beiden Ha&#x0364;nden,<lb/>
dru&#x0364;ckte einen langen Kuß auf &#x017F;eine Stirn und &#x017F;agte:<lb/>
Leb&#x2019; wohl! Hierauf folgte &#x017F;ie ihren Schwe&#x017F;tern. Das<lb/>
Gewu&#x0364;hl zer&#x017F;treute &#x017F;ich.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">I.</hi> 14</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0225] iſt. Jhr Seegen ruht auf ihm! Anton, im Namen Gottes ruft ein alter Mann Dir zu, — daß die ganze Gemeinde es hoͤre! — Deiner Großmutter Seegen wird Dich begleiten durch’s Leben. Welche Ver- ſuchungen, welche Pruͤfungen, welche Leiden Dir etwa vorbehalten ſein moͤgen, — Du wirſt uͤber alle ſiegen und zuletzt gluͤcklich ſein, — ſo gewiß die Seele ſeelig iſt, deren Huͤlle wir jetzt verſenkt haben!! Laßt uns ein ſtilles Gebet ſprechen und kehre dann ein Jedes an ſeinen Heerd. Amen. Nachdem das Gebet vollendet war, draͤngten ſich Alt und Jung herbei, ihre drei Handvoll Erde auf den Sarg zu werfen. Anton blieb unbeweglich, bis Keiner mehr zuruͤck war. Dann warf er ſeine Spende hinab. Und wie er ſo ſchweigend, ſtill, — denn Thraͤnen hatten ſeine Augen nicht mehr, — in’s Grab ſtarrte, trat Ottilie an ihn heran. Toni! rief ſie laut, daß die Leute ringsumher es hoͤrten und auf beide blickten. Er ſchrack zuſammen und ſah ſie fragend an. Sie umſchlang ſeinen Kopf mit beiden Haͤnden, druͤckte einen langen Kuß auf ſeine Stirn und ſagte: Leb’ wohl! Hierauf folgte ſie ihren Schweſtern. Das Gewuͤhl zerſtreute ſich. Die Vagabunden. I. 14

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/225
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/225>, abgerufen am 07.05.2024.