Pflegerin auch so viel Vertrauen, daß Du nicht weiter in sie dringst, wenn sie Dir zuschwört: es ist besser für Dich, in Unwissenheit darüber zu verbleiben. Denke meinetwegen, ich hätte noch einen Verwandten irgend wo gehabt, von dem ich für mich -- vielmehr für Dich, -- vielleicht etwas Günstiges erwartet, und das wäre nun fehlgeschlagen. Oder bilde Dir ein, man habe mir gemeldet, daß eine Person, von der ich immer noch viel Gutes geglaubt, die ich für unglück- lich, aber ehrlich gehalten, mich und mein Vertrauen täuschte; daß ich eine -- Freundin verlor; daß sie mich schwer betrog; daß ich gar nicht mehr an sie denken will. Jrgend so etwas stelle Dir vor, liebes Kind und laß' mich mir selbst und meinen Gedanken über. Habe Geduld mit mir, wenn Du mich niedergeschla- gen siehst. Jch werde mich schon wieder zusammen- rappeln und, so Gott will, auch diesen letzten Schlag verwinden.
Mit solchen ausweichenden Andeutungen mußte sich Anton zufrieden stellen. Doch entging ihm keines- weges, wie die Kraft der Großmutter völlig gebrochen sei. Die Augen blieben tief in den dunklen Höhlen, in welche der Brief sie versenkt; die Nase behielt ihre weiße Spitze; die Lippen lächelten nur noch gezwun-
Pflegerin auch ſo viel Vertrauen, daß Du nicht weiter in ſie dringſt, wenn ſie Dir zuſchwoͤrt: es iſt beſſer fuͤr Dich, in Unwiſſenheit daruͤber zu verbleiben. Denke meinetwegen, ich haͤtte noch einen Verwandten irgend wo gehabt, von dem ich fuͤr mich — vielmehr fuͤr Dich, — vielleicht etwas Guͤnſtiges erwartet, und das waͤre nun fehlgeſchlagen. Oder bilde Dir ein, man habe mir gemeldet, daß eine Perſon, von der ich immer noch viel Gutes geglaubt, die ich fuͤr ungluͤck- lich, aber ehrlich gehalten, mich und mein Vertrauen taͤuſchte; daß ich eine — Freundin verlor; daß ſie mich ſchwer betrog; daß ich gar nicht mehr an ſie denken will. Jrgend ſo etwas ſtelle Dir vor, liebes Kind und laß’ mich mir ſelbſt und meinen Gedanken uͤber. Habe Geduld mit mir, wenn Du mich niedergeſchla- gen ſiehſt. Jch werde mich ſchon wieder zuſammen- rappeln und, ſo Gott will, auch dieſen letzten Schlag verwinden.
Mit ſolchen ausweichenden Andeutungen mußte ſich Anton zufrieden ſtellen. Doch entging ihm keines- weges, wie die Kraft der Großmutter voͤllig gebrochen ſei. Die Augen blieben tief in den dunklen Hoͤhlen, in welche der Brief ſie verſenkt; die Naſe behielt ihre weiße Spitze; die Lippen laͤchelten nur noch gezwun-
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Pflegerin auch ſo viel Vertrauen, daß Du nicht weiter
in ſie dringſt, wenn ſie Dir zuſchwoͤrt: es iſt beſſer
fuͤr Dich, in Unwiſſenheit daruͤber zu verbleiben. Denke
meinetwegen, ich haͤtte noch einen Verwandten irgend
wo gehabt, von dem ich fuͤr mich — vielmehr fuͤr
Dich, — vielleicht etwas Guͤnſtiges erwartet, und
das waͤre nun fehlgeſchlagen. Oder bilde Dir ein,
man habe mir gemeldet, daß eine Perſon, von der ich
immer noch viel Gutes geglaubt, die ich fuͤr ungluͤck-
lich, aber ehrlich gehalten, mich und mein Vertrauen
taͤuſchte; daß ich eine — Freundin verlor; daß ſie mich
ſchwer betrog; daß ich gar nicht mehr an ſie denken
will. Jrgend ſo etwas ſtelle Dir vor, liebes Kind
und laß’ mich mir ſelbſt und meinen Gedanken uͤber.
Habe Geduld mit mir, wenn Du mich niedergeſchla-
gen ſiehſt. Jch werde mich ſchon wieder zuſammen-
rappeln und, ſo Gott will, auch dieſen letzten Schlag
verwinden.
Mit ſolchen ausweichenden Andeutungen mußte
ſich Anton zufrieden ſtellen. Doch entging ihm keines-
weges, wie die Kraft der Großmutter voͤllig gebrochen
ſei. Die Augen blieben tief in den dunklen Hoͤhlen,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/203>, abgerufen am 25.11.2024.
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