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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Daß es Golo mit Genoveva gewesen, die auf eine
nächtliche Fahrt auszogen, darüber blieb ihm kein
Zweifel. Hätt' er sich in seiner Seele frei und rein
gewußt, würde wohl auch eine Besorgniß, es könne
seinem "Erb-, Grund- und Gerichts-Herrn" etwas
Uebles zugedacht sein, ihn angetrieben haben, dem
leichten Pärchen zu folgen? Furcht war es nicht, was
ihn zurück hielt. Weil er sich aber nicht verhehlen
mochte, daß in den Eindruck, den des braunen Mäd-
chens bedenkliche Schönheit auf ihn gemacht, sich nei-
dische Bitterkeit gegen den schwarzen Wolfgang
mische, so fand er sich nicht berufen, zwischen sie und
ihre Abentheuer zu treten. Er eilte vielmehr nach
dem großmütterlichen Häuschen, so rasch die dunkle
Nacht gestatten wollte; dankte Gott, daß er die Alte
schlafend fand; kroch unter seine Decke; betete das
kurze vielsagende Gebet, welches er aus der Kindheit
fromm bewahrt; und bracht' es wirklich zu einem
gesunden stärkenden Schlummer, aus dem erst die
Großmutter ihn zur Morgensuppe emporschütteln
mußte. Außer dieser gewöhnlichen Suppe brachte
diesmal der Morgen zwei ungewöhnliche Neuigkeiten,
die von einer Hausthür, von einer Obstgarten-Umzäu-
nung zur anderen aus gesprächtiger Nachbarinnen

Daß es Golo mit Genoveva geweſen, die auf eine
naͤchtliche Fahrt auszogen, daruͤber blieb ihm kein
Zweifel. Haͤtt’ er ſich in ſeiner Seele frei und rein
gewußt, wuͤrde wohl auch eine Beſorgniß, es koͤnne
ſeinem „Erb-, Grund- und Gerichts-Herrn“ etwas
Uebles zugedacht ſein, ihn angetrieben haben, dem
leichten Paͤrchen zu folgen? Furcht war es nicht, was
ihn zuruͤck hielt. Weil er ſich aber nicht verhehlen
mochte, daß in den Eindruck, den des braunen Maͤd-
chens bedenkliche Schoͤnheit auf ihn gemacht, ſich nei-
diſche Bitterkeit gegen den ſchwarzen Wolfgang
miſche, ſo fand er ſich nicht berufen, zwiſchen ſie und
ihre Abentheuer zu treten. Er eilte vielmehr nach
dem großmuͤtterlichen Haͤuschen, ſo raſch die dunkle
Nacht geſtatten wollte; dankte Gott, daß er die Alte
ſchlafend fand; kroch unter ſeine Decke; betete das
kurze vielſagende Gebet, welches er aus der Kindheit
fromm bewahrt; und bracht’ es wirklich zu einem
geſunden ſtaͤrkenden Schlummer, aus dem erſt die
Großmutter ihn zur Morgenſuppe emporſchuͤtteln
mußte. Außer dieſer gewoͤhnlichen Suppe brachte
diesmal der Morgen zwei ungewoͤhnliche Neuigkeiten,
die von einer Hausthuͤr, von einer Obſtgarten-Umzaͤu-
nung zur anderen aus geſpraͤchtiger Nachbarinnen

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[114/0130] Daß es Golo mit Genoveva geweſen, die auf eine naͤchtliche Fahrt auszogen, daruͤber blieb ihm kein Zweifel. Haͤtt’ er ſich in ſeiner Seele frei und rein gewußt, wuͤrde wohl auch eine Beſorgniß, es koͤnne ſeinem „Erb-, Grund- und Gerichts-Herrn“ etwas Uebles zugedacht ſein, ihn angetrieben haben, dem leichten Paͤrchen zu folgen? Furcht war es nicht, was ihn zuruͤck hielt. Weil er ſich aber nicht verhehlen mochte, daß in den Eindruck, den des braunen Maͤd- chens bedenkliche Schoͤnheit auf ihn gemacht, ſich nei- diſche Bitterkeit gegen den ſchwarzen Wolfgang miſche, ſo fand er ſich nicht berufen, zwiſchen ſie und ihre Abentheuer zu treten. Er eilte vielmehr nach dem großmuͤtterlichen Haͤuschen, ſo raſch die dunkle Nacht geſtatten wollte; dankte Gott, daß er die Alte ſchlafend fand; kroch unter ſeine Decke; betete das kurze vielſagende Gebet, welches er aus der Kindheit fromm bewahrt; und bracht’ es wirklich zu einem geſunden ſtaͤrkenden Schlummer, aus dem erſt die Großmutter ihn zur Morgenſuppe emporſchuͤtteln mußte. Außer dieſer gewoͤhnlichen Suppe brachte diesmal der Morgen zwei ungewoͤhnliche Neuigkeiten, die von einer Hausthuͤr, von einer Obſtgarten-Umzaͤu- nung zur anderen aus geſpraͤchtiger Nachbarinnen

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/130>, abgerufen am 22.11.2024.