Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Peter Abelards und Heloissen. wolte/ und die Anmuth dessen/ was er allbereitüberkommen/ ward durch die imbrünstige Be- gierde etwas vollkommenes zu holen gleichsam vergället. Es gerieth endlich dahin/ daß nun- mehr das liebe Latein sambt andern Wissenschaf- ten gäntzlich vergessen war/ und diese zwey ver- liebten in ihrer Muttersprache ziemlich offen- hertzig zu reden einen Anfang machten. Heloisse that dem Ansuchen ihres Liebsten endlich Thür und Angel auf/ und der Canari-Zucker gegen- wertiger Zeit/ ließ sie an den Wermuth der künff- tigen nicht wohl gedencken. Was nur unge- wöhnlich in der Liebe zu finden/ war sinnreich herfür gesuchet/ und sie meyneten/ es were eine Unvollkommenheit/ wann sie allein gelehrt re- den und schreiben/ und auch nicht zugleich ge- lehrt buhlen solten. Sie überschütteten sich endlich der gestalt mit Wollust gerichten/ daß un- sre schöne Jungfrau sich in kurtzen gegen ihren Liebsten verlauten ließ; Daß sie diesen Tag der Stunde wegen Unwillen des Magens nicht ab- warten konte/ und wenig Zeit hernach fragte/ was es doch wohl bedeutete/ wann einem zwey Her- tzen zugleich im Leibe schlügen; Abelard war die- ses Uhrwerck/ so er selbst aufgezogen/ nicht unbe- kandt/ er verständigte seine Schöne/ daß sie ehe- stes ein stummer Gast verrathen würde/ und entschloß sich Spott und Schaden zu vermeiden/ endl- K ij
Peter Abelards und Heloiſſen. wolte/ und die Anmuth deſſen/ was er allbereituͤberkommen/ ward durch die imbruͤnſtige Be- gierde etwas vollkommenes zu holen gleichſam vergaͤllet. Es gerieth endlich dahin/ daß nun- mehr das liebe Latein ſambt andern Wiſſenſchaf- ten gaͤntzlich vergeſſen war/ und dieſe zwey ver- liebten in ihrer Mutterſprache ziemlich offen- hertzig zu reden einen Anfang machten. Heloiſſe that dem Anſuchen ihres Liebſten endlich Thuͤr und Angel auf/ und der Canari-Zucker gegen- wertiger Zeit/ ließ ſie an den Wermuth der kuͤnff- tigen nicht wohl gedencken. Was nur unge- woͤhnlich in der Liebe zu finden/ war ſinnreich herfuͤr geſuchet/ und ſie meyneten/ es were eine Unvollkommenheit/ wann ſie allein gelehrt re- den und ſchreiben/ und auch nicht zugleich ge- lehrt buhlen ſolten. Sie uͤberſchuͤtteten ſich endlich der geſtalt mit Wolluſt gerichten/ daß un- ſre ſchoͤne Jungfrau ſich in kurtzen gegen ihren Liebſten verlauten ließ; Daß ſie dieſen Tag der Stunde wegen Unwillen des Magens nicht ab- warten konte/ und wenig Zeit heꝛnach fragte/ was es doch wohl bedeutete/ wann einem zwey Her- tzen zugleich im Leibe ſchluͤgen; Abelard war die- ſes Uhrwerck/ ſo er ſelbſt aufgezogen/ nicht unbe- kandt/ er verſtaͤndigte ſeine Schoͤne/ daß ſie ehe- ſtes ein ſtummer Gaſt verrathen wuͤrde/ und entſchloß ſich Spott und Schaden zu vermeiden/ endl- K ij
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Peter Abelards und Heloiſſen.
wolte/ und die Anmuth deſſen/ was er allbereit
uͤberkommen/ ward durch die imbruͤnſtige Be-
gierde etwas vollkommenes zu holen gleichſam
vergaͤllet. Es gerieth endlich dahin/ daß nun-
mehr das liebe Latein ſambt andern Wiſſenſchaf-
ten gaͤntzlich vergeſſen war/ und dieſe zwey ver-
liebten in ihrer Mutterſprache ziemlich offen-
hertzig zu reden einen Anfang machten. Heloiſſe
that dem Anſuchen ihres Liebſten endlich Thuͤr
und Angel auf/ und der Canari-Zucker gegen-
wertiger Zeit/ ließ ſie an den Wermuth der kuͤnff-
tigen nicht wohl gedencken. Was nur unge-
woͤhnlich in der Liebe zu finden/ war ſinnreich
herfuͤr geſuchet/ und ſie meyneten/ es were eine
Unvollkommenheit/ wann ſie allein gelehrt re-
den und ſchreiben/ und auch nicht zugleich ge-
lehrt buhlen ſolten. Sie uͤberſchuͤtteten ſich
endlich der geſtalt mit Wolluſt gerichten/ daß un-
ſre ſchoͤne Jungfrau ſich in kurtzen gegen ihren
Liebſten verlauten ließ; Daß ſie dieſen Tag der
Stunde wegen Unwillen des Magens nicht ab-
warten konte/ und wenig Zeit heꝛnach fragte/ was
es doch wohl bedeutete/ wann einem zwey Her-
tzen zugleich im Leibe ſchluͤgen; Abelard war die-
ſes Uhrwerck/ ſo er ſelbſt aufgezogen/ nicht unbe-
kandt/ er verſtaͤndigte ſeine Schoͤne/ daß ſie ehe-
ſtes ein ſtummer Gaſt verrathen wuͤrde/ und
entſchloß ſich Spott und Schaden zu vermeiden/
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