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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Liebe zwischen Graf Holdenreich
Adelinde an Holdenreich.
DU kennst ja das Spital/ in dem ich itzt muß blei-
ben/
Du nennest meine Noth aus Schertz den kal-
ten Brandt/
Gewißlich kalt genug! was will ich viel beschreiben?
Mein' Angst ist dir so wohl als meine Faust bekandt.
Mich solte Furcht und Scham ietzt wohl zurücke hal-
ten/
Doch Lieb und Ungedult verträgt den Zügel nicht/
Eh' als der Jugend Gluth soll unterm Eiß erkalten/
So will ich lieber seyn durch Hencker hingericht.
Diß ist ein hartes Wort und in der Frauen Munde
Ein ungemeiner Spruch; doch wer mein Hertze kenne/
Der glaube was itzt folgt. Es steht auf festem Grunde:
Der Alte/ so mich plagt/ muß seyn von mir getrennt.
Was soll mein warmer Leib in seinen kalten Armen?
Was soll mir denn ein Kuß der nach dem Grabe
schmeckt?
Was soll mir denn ein Mann/ der niemahls kan erwar-
men?
Und seine beste Krafft aus einer Krause leckt?
Der ohne Brillen mich nicht eigen kan betrachten/
Und mehr das Spiel der Jagt als meine Jugend sucht;
Mein Grafe/ läst du mich in dieser Noht verschmachten/
So scheint es ja/ ich sey von der Natur verflucht.
Die Finger schmecken mir noch nach dem starcken
Oehlen/
Damit ich seinen Leib fast täglich schmieren muß/
Es
Liebe zwiſchen Graf Holdenreich
Adelinde an Holdenreich.
DU kennſt ja das Spital/ in dem ich itzt muß blei-
ben/
Du nenneſt meine Noth aus Schertz den kal-
ten Brandt/
Gewißlich kalt genug! was will ich viel beſchreiben?
Mein’ Angſt iſt dir ſo wohl als meine Fauſt bekandt.
Mich ſolte Furcht und Scham ietzt wohl zuruͤcke hal-
ten/
Doch Lieb und Ungedult vertraͤgt den Zuͤgel nicht/
Eh’ als der Jugend Gluth ſoll unterm Eiß erkalten/
So will ich lieber ſeyn durch Hencker hingericht.
Diß iſt ein hartes Wort und in der Frauen Munde
Ein ungemeiner Spruch; doch wer mein Hertze kenne/
Der glaube was itzt folgt. Es ſteht auf feſtem Grunde:
Der Alte/ ſo mich plagt/ muß ſeyn von mir getrennt.
Was ſoll mein warmer Leib in ſeinen kalten Armen?
Was ſoll mir denn ein Kuß der nach dem Grabe
ſchmeckt?
Was ſoll mir deñ ein Mann/ der niemahls kan erwar-
men?
Und ſeine beſte Krafft aus einer Krauſe leckt?
Der ohne Brillen mich nicht eigen kan betrachten/
Und mehr das Spiel der Jagt als meine Jugend ſucht;
Mein Grafe/ laͤſt du mich in dieſer Noht verſchmachtẽ/
So ſcheint es ja/ ich ſey von der Natur verflucht.
Die Finger ſchmecken mir noch nach dem ſtarcken
Oehlen/
Damit ich ſeinen Leib faſt taͤglich ſchmieren muß/
Es
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[136/0560] Liebe zwiſchen Graf Holdenreich Adelinde an Holdenreich. DU kennſt ja das Spital/ in dem ich itzt muß blei- ben/ Du nenneſt meine Noth aus Schertz den kal- ten Brandt/ Gewißlich kalt genug! was will ich viel beſchreiben? Mein’ Angſt iſt dir ſo wohl als meine Fauſt bekandt. Mich ſolte Furcht und Scham ietzt wohl zuruͤcke hal- ten/ Doch Lieb und Ungedult vertraͤgt den Zuͤgel nicht/ Eh’ als der Jugend Gluth ſoll unterm Eiß erkalten/ So will ich lieber ſeyn durch Hencker hingericht. Diß iſt ein hartes Wort und in der Frauen Munde Ein ungemeiner Spruch; doch wer mein Hertze kenne/ Der glaube was itzt folgt. Es ſteht auf feſtem Grunde: Der Alte/ ſo mich plagt/ muß ſeyn von mir getrennt. Was ſoll mein warmer Leib in ſeinen kalten Armen? Was ſoll mir denn ein Kuß der nach dem Grabe ſchmeckt? Was ſoll mir deñ ein Mann/ der niemahls kan erwar- men? Und ſeine beſte Krafft aus einer Krauſe leckt? Der ohne Brillen mich nicht eigen kan betrachten/ Und mehr das Spiel der Jagt als meine Jugend ſucht; Mein Grafe/ laͤſt du mich in dieſer Noht verſchmachtẽ/ So ſcheint es ja/ ich ſey von der Natur verflucht. Die Finger ſchmecken mir noch nach dem ſtarcken Oehlen/ Damit ich ſeinen Leib faſt taͤglich ſchmieren muß/ Es

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/560>, abgerufen am 13.05.2024.