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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Liebe zwischen Graf Balduin
Jch muste dich betrübt in fremden Händen schauen/
Du soltest Königin und ich ein Sclave seyn.
Doch dieser Sclave führt auch Feuer in dem Hertzen/
Er liebt und dient zugleich/ beklagt und suchet dich/
Erkennst du seine Treu/ so glaub auch seinen Schmer-
tzen/
Jst meine Pein von dir/ so kom und heile mich.
Es steht dir übel an üm Todte stets zuweinen/
Wer fodert solches doch von deiner Augen Pracht?
Die schöne Sonne soll mit mehrern Strahlen scheinen/
Die meines Geistes Trieb zu einer Göttin macht.
Dem Todten hat dein Mund in Wahrheit nicht ge-
schworen/
Kein Eyd verbindet uns auch in den Sarg zugehn/
Die Schätze deiner Brust sind vor kein Grab gebohren/
Der Himmel heisset Sie stets in dem Lichte stehn.
Die Todten und zugleich sich selbst darzu begraben/
Jst zwar ein Wunderwerck/ doch keines Ruhmes
werth/
Wer tod ist kan durch Leid nicht Hülf und Rettung haben/
Und keine Freundschafft hat dergleichen Dienst begehrt.
Wer ewig weinen will/ beweint des Himmels Willen/
Und trägt das grosse Joch mit nasser Ungedult/
Die höchste Traurigkeit muß endlich sich bestillen/
Und sagen/ dieses hat des Himmels Spruch gewolt.
Verlaß die Leiche nun mit Thränen wohl genetzet/
Auch dieser Balsam fault/ und modert mit der Zeit:
Du hast mit treuer Hand sie traurig beygesetzet/
Was wilstu ferner thun in dieser Sterbligkeit?
Vergiß dich selber nicht und deines Leibes Gaben/
Die Blüthe wird beklagt/ die ohne Frucht erstirbt/

Und

Liebe zwiſchen Graf Balduin
Jch muſte dich betruͤbt in fremden Haͤnden ſchauen/
Du ſolteſt Koͤnigin und ich ein Sclave ſeyn.
Doch dieſer Sclave fuͤhrt auch Feuer in dem Hertzen/
Er liebt und dient zugleich/ beklagt und ſuchet dich/
Erkennſt du ſeine Treu/ ſo glaub auch ſeinen Schmer-
tzen/
Jſt meine Pein von dir/ ſo kom und heile mich.
Es ſteht dir uͤbel an uͤm Todte ſtets zuweinen/
Wer fodert ſolches doch von deiner Augen Pracht?
Die ſchoͤne Sonne ſoll mit mehrern Strahlen ſcheinẽ/
Die meines Geiſtes Trieb zu einer Goͤttin macht.
Dem Todten hat dein Mund in Wahrheit nicht ge-
ſchworen/
Kein Eyd verbindet uns auch in den Sarg zugehn/
Die Schaͤtze deiner Bruſt ſind vor kein Grab gebohren/
Der Himmel heiſſet Sie ſtets in dem Lichte ſtehn.
Die Todten und zugleich ſich ſelbſt darzu begraben/
Jſt zwar ein Wunderwerck/ doch keines Ruhmes
werth/
Wer tod iſt kan durch Leid nicht Huͤlf uñ Rettung habẽ/
Und keine Freundſchafft hat dergleichen Dienſt begehrt.
Wer ewig weinen will/ beweint des Himmels Willen/
Und traͤgt das groſſe Joch mit naſſer Ungedult/
Die hoͤchſte Traurigkeit muß endlich ſich beſtillen/
Und ſagen/ dieſes hat des Himmels Spruch gewolt.
Verlaß die Leiche nun mit Thraͤnen wohl genetzet/
Auch dieſer Balſam fault/ und modert mit der Zeit:
Du haſt mit treuer Hand ſie traurig beygeſetzet/
Was wilſtu ferner thun in dieſer Sterbligkeit?
Vergiß dich ſelber nicht und deines Leibes Gaben/
Die Bluͤthe wird beklagt/ die ohne Frucht erſtirbt/

Und
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[74/0498] Liebe zwiſchen Graf Balduin Jch muſte dich betruͤbt in fremden Haͤnden ſchauen/ Du ſolteſt Koͤnigin und ich ein Sclave ſeyn. Doch dieſer Sclave fuͤhrt auch Feuer in dem Hertzen/ Er liebt und dient zugleich/ beklagt und ſuchet dich/ Erkennſt du ſeine Treu/ ſo glaub auch ſeinen Schmer- tzen/ Jſt meine Pein von dir/ ſo kom und heile mich. Es ſteht dir uͤbel an uͤm Todte ſtets zuweinen/ Wer fodert ſolches doch von deiner Augen Pracht? Die ſchoͤne Sonne ſoll mit mehrern Strahlen ſcheinẽ/ Die meines Geiſtes Trieb zu einer Goͤttin macht. Dem Todten hat dein Mund in Wahrheit nicht ge- ſchworen/ Kein Eyd verbindet uns auch in den Sarg zugehn/ Die Schaͤtze deiner Bruſt ſind vor kein Grab gebohren/ Der Himmel heiſſet Sie ſtets in dem Lichte ſtehn. Die Todten und zugleich ſich ſelbſt darzu begraben/ Jſt zwar ein Wunderwerck/ doch keines Ruhmes werth/ Wer tod iſt kan durch Leid nicht Huͤlf uñ Rettung habẽ/ Und keine Freundſchafft hat dergleichen Dienſt begehrt. Wer ewig weinen will/ beweint des Himmels Willen/ Und traͤgt das groſſe Joch mit naſſer Ungedult/ Die hoͤchſte Traurigkeit muß endlich ſich beſtillen/ Und ſagen/ dieſes hat des Himmels Spruch gewolt. Verlaß die Leiche nun mit Thraͤnen wohl genetzet/ Auch dieſer Balſam fault/ und modert mit der Zeit: Du haſt mit treuer Hand ſie traurig beygeſetzet/ Was wilſtu ferner thun in dieſer Sterbligkeit? Vergiß dich ſelber nicht und deines Leibes Gaben/ Die Bluͤthe wird beklagt/ die ohne Frucht erſtirbt/ Und

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/498>, abgerufen am 10.05.2024.