Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. Cebes. Es scheinet fast. Socrates. Jch habe mich mit Fleiß ein wenig lange allhier aufgehalten/ euch desto klärer zu erkennen zugeben/ wie gerne ich euch auf meine Meinung bringen möch- te. Meine Meinung nun ist/ daß die Grösse nicht alleine zu einer Zeit nicht wolle groß und kleine seyn/ sondern auch/ daß die Grösse in uns niemals über- wältiget/ und etwas kleines/ sondern daß solche von zweyen Sachen eines würde/ daß nemlich sie die Grösse entweder zurücke wiche/ wann ihr Gegen- spiel als die Kleinheit antritt/ oder gäntzlich vergin- ge/ wann die Kleinheit allbereit angetreten ist; dann sie kan nicht erwarten noch etwas anders werden/ wann sie die Kleinheit annimmt/ als was sie zuvor gewesen. Mich zum Beyspiel anzuziehen/ der ich kleine bin/ so kan ich/ so lange ich dis bin/ was ich bin/ nichts anders als kleine seyn. Wie denn auch eine grosse Sache nicht kleine/ und dieses/ was klei- ne in uns ist/ nicht groß/ oder etwas wiedrieges wer- den kan. Dann ein Ding/ so lange es dieses/ was es ist/ verbleibet/ kan nimmermehr sein eigen Ge- genspiel werden/ sondern es muß alsobald weichen/ oder gantz vergehen/ so bald sein Widriges antritt. Cebes. Das ist eben meine Meinung. Phä- H
Socrates. Cebes. Es ſcheinet faſt. Socrates. Jch habe mich mit Fleiß ein wenig lange allhier aufgehalten/ euch deſto klaͤrer zu erkennen zugeben/ wie gerne ich euch auf meine Meinung bringen moͤch- te. Meine Meinung nun iſt/ daß die Groͤſſe nicht alleine zu einer Zeit nicht wolle groß und kleine ſeyn/ ſondern auch/ daß die Groͤſſe in uns niemals uͤber- waͤltiget/ und etwas kleines/ ſondern daß ſolche von zweyen Sachen eines wuͤrde/ daß nemlich ſie die Groͤſſe entweder zuruͤcke wiche/ wann ihr Gegen- ſpiel als die Kleinheit antritt/ oder gaͤntzlich vergin- ge/ wann die Kleinheit allbereit angetreten iſt; dañ ſie kan nicht erwarten noch etwas anders werden/ wann ſie die Kleinheit annimmt/ als was ſie zuvor geweſen. Mich zum Beyſpiel anzuziehen/ der ich kleine bin/ ſo kan ich/ ſo lange ich dis bin/ was ich bin/ nichts anders als kleine ſeyn. Wie denn auch eine groſſe Sache nicht kleine/ und dieſes/ was klei- ne in uns iſt/ nicht groß/ oder etwas wiedrieges wer- den kan. Dann ein Ding/ ſo lange es dieſes/ was es iſt/ verbleibet/ kan nimmermehr ſein eigen Ge- genſpiel werden/ ſondern es muß alſobald weichen/ oder gantz vergehen/ ſo bald ſein Widriges antritt. Cebes. Das iſt eben meine Meinung. Phaͤ- H
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Socrates.
Cebes.
Es ſcheinet faſt.
Socrates.
Jch habe mich mit Fleiß ein wenig lange allhier
aufgehalten/ euch deſto klaͤrer zu erkennen zugeben/
wie gerne ich euch auf meine Meinung bringen moͤch-
te. Meine Meinung nun iſt/ daß die Groͤſſe nicht
alleine zu einer Zeit nicht wolle groß und kleine ſeyn/
ſondern auch/ daß die Groͤſſe in uns niemals uͤber-
waͤltiget/ und etwas kleines/ ſondern daß ſolche von
zweyen Sachen eines wuͤrde/ daß nemlich ſie die
Groͤſſe entweder zuruͤcke wiche/ wann ihr Gegen-
ſpiel als die Kleinheit antritt/ oder gaͤntzlich vergin-
ge/ wann die Kleinheit allbereit angetreten iſt; dañ
ſie kan nicht erwarten noch etwas anders werden/
wann ſie die Kleinheit annimmt/ als was ſie zuvor
geweſen. Mich zum Beyſpiel anzuziehen/ der ich
kleine bin/ ſo kan ich/ ſo lange ich dis bin/ was ich
bin/ nichts anders als kleine ſeyn. Wie denn auch
eine groſſe Sache nicht kleine/ und dieſes/ was klei-
ne in uns iſt/ nicht groß/ oder etwas wiedrieges wer-
den kan. Dann ein Ding/ ſo lange es dieſes/ was
es iſt/ verbleibet/ kan nimmermehr ſein eigen Ge-
genſpiel werden/ ſondern es muß alſobald weichen/
oder gantz vergehen/ ſo bald ſein Widriges antritt.
Cebes.
Das iſt eben meine Meinung.
Phaͤ-
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