Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Der sterbende weder eine hohe Farbe/ eine schöne Gestalt/ oder et-was dergleichen in sich habe; und wann ich weiter gehen wolte/ so verwirrete ich mir nur. Dieses glaube ich nun steiff und feste/ wiewol ich/ warum es sey/ nicht wol sagen kan/ und nichts anders als daß die Gemeinschafft der Schönheit eine Sache schö- ne mache/ und daß alles was schön ist/ aus Ursache der Schönheit/ schöne seyn müsse. Dieses ist nun/ was ich mir kühnlich zu behaupten getraue. Jst ihm nun nicht also? Jch zweiffele in wenigsten nicht daran/ sagte Cebes. Wie dann auch/ daß eben dieser Ursachen halber/ das Grosse wegen des Grossen groß/ und das Kleine wegen des Kleinen klein seyn müsse. Es ist nicht anders/ gab Cebes zur Antwort. So wirst du dann/ redete Socrates fer- ner/ es nicht mit diesen halten/ so da fürgeben/ daß dieser Mensch des gantzen Kopffes grösser als jener/ und jener des gantzen Kopffes kleiner dann dieser ist/ als wann die Grösse und Klugheit durch den Köpff unterschieden wäre/ und von demselben ur- theilen solte; sondern du wirst vielmehr dieser Mei- nung seyn/ daß alles/ was groß ist/ alleine wegen der Grösse grösser/ und diß/ was kleine/ alleine we- gen der Kleinheit kleiner sey. Wie du denn auch gar weißlich daran thust/ in Erwegung/ daß/ wann du sagen woltest/ daß einer des Kopffes grösser oder kleiner werde/ man dir nicht diesen Einwurff thun dürffte/ daß erstlich dieses ein grössers grösser/ und ein kleiners kleiner würde/ dafern des Kopffes we- gen der eine kleiner/ und einander grösser genennet wird/
Der ſterbende weder eine hohe Farbe/ eine ſchoͤne Geſtalt/ oder et-was dergleichen in ſich habe; und wann ich weiter gehen wolte/ ſo verwirrete ich mir nur. Dieſes glaube ich nun ſteiff und feſte/ wiewol ich/ warum es ſey/ nicht wol ſagen kan/ und nichts anders als daß die Gemeinſchafft der Schoͤnheit eine Sache ſchoͤ- ne mache/ und daß alles was ſchoͤn iſt/ aus Urſache der Schoͤnheit/ ſchoͤne ſeyn muͤſſe. Dieſes iſt nun/ was ich mir kuͤhnlich zu behaupten getraue. Jſt ihm nun nicht alſo? Jch zweiffele in wenigſten nicht daran/ ſagte Cebes. Wie dann auch/ daß eben dieſer Urſachen halber/ das Groſſe wegen des Groſſen groß/ uñ das Kleine wegen des Kleinen klein ſeyn muͤſſe. Es iſt nicht anders/ gab Cebes zur Antwort. So wirſt du dann/ redete Socrates fer- ner/ es nicht mit dieſen halten/ ſo da fuͤrgeben/ daß dieſer Menſch des gantzen Kopffes groͤſſer als jener/ und jener des gantzen Kopffes kleiner dann dieſer iſt/ als wann die Groͤſſe und Klugheit durch den Koͤpff unterſchieden waͤre/ und von demſelben ur- theilen ſolte; ſondern du wirſt vielmehr dieſer Mei- nung ſeyn/ daß alles/ was groß iſt/ alleine wegen der Groͤſſe groͤſſer/ und diß/ was kleine/ alleine we- gen der Kleinheit kleiner ſey. Wie du denn auch gar weißlich daran thuſt/ in Erwegung/ daß/ wann du ſagen wolteſt/ daß einer des Kopffes groͤſſer oder kleiner werde/ man dir nicht dieſen Einwurff thun duͤrffte/ daß erſtlich dieſes ein groͤſſers groͤſſer/ und ein kleiners kleiner wuͤrde/ dafern des Kopffes we- gen der eine kleiner/ und einander groͤſſer genennet wird/
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Der ſterbende
weder eine hohe Farbe/ eine ſchoͤne Geſtalt/ oder et-
was dergleichen in ſich habe; und wann ich weiter
gehen wolte/ ſo verwirrete ich mir nur. Dieſes
glaube ich nun ſteiff und feſte/ wiewol ich/ warum es
ſey/ nicht wol ſagen kan/ und nichts anders als daß
die Gemeinſchafft der Schoͤnheit eine Sache ſchoͤ-
ne mache/ und daß alles was ſchoͤn iſt/ aus Urſache
der Schoͤnheit/ ſchoͤne ſeyn muͤſſe. Dieſes iſt nun/
was ich mir kuͤhnlich zu behaupten getraue. Jſt
ihm nun nicht alſo? Jch zweiffele in wenigſten
nicht daran/ ſagte Cebes. Wie dann auch/ daß
eben dieſer Urſachen halber/ das Groſſe wegen des
Groſſen groß/ uñ das Kleine wegen des Kleinen klein
ſeyn muͤſſe. Es iſt nicht anders/ gab Cebes zur
Antwort. So wirſt du dann/ redete Socrates fer-
ner/ es nicht mit dieſen halten/ ſo da fuͤrgeben/ daß
dieſer Menſch des gantzen Kopffes groͤſſer als jener/
und jener des gantzen Kopffes kleiner dann dieſer
iſt/ als wann die Groͤſſe und Klugheit durch den
Koͤpff unterſchieden waͤre/ und von demſelben ur-
theilen ſolte; ſondern du wirſt vielmehr dieſer Mei-
nung ſeyn/ daß alles/ was groß iſt/ alleine wegen
der Groͤſſe groͤſſer/ und diß/ was kleine/ alleine we-
gen der Kleinheit kleiner ſey. Wie du denn auch
gar weißlich daran thuſt/ in Erwegung/ daß/ wann
du ſagen wolteſt/ daß einer des Kopffes groͤſſer oder
kleiner werde/ man dir nicht dieſen Einwurff thun
duͤrffte/ daß erſtlich dieſes ein groͤſſers groͤſſer/ und
ein kleiners kleiner wuͤrde/ dafern des Kopffes we-
gen der eine kleiner/ und einander groͤſſer genennet
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