Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite
Socrates.
Wir waren gantz bestürtzt/ es wanckte Muth und Fuß/
Wir sahen einen Satz den andern überwinden/
Und lenckten allbereit auf diesen letzten Schluß/
Doch konten wir uns auch nicht recht vergnüget finden.
Die Meinung Socrates war uns so hell und klar/
Daß unser gantzer Geist damit zu frieden war/
Und itzt begunte er fast wiederum zu wancken;
Dann weil der letzte Streit uns aus der Bahn gebracht/
So hielten wir das Werck vor irrige Gedancken/
Und unser Urthel gantz begraben in der Nacht.
Es ist nicht ohne Ursache Phädon/ daß ihr in
diesen Zweiffel und Verwirrung gerahten/ denn
mir ist bloß aus deiner Erzehlung ein Mißtrauen
des Socrates Vorgeben erwachsen/ und weiß auch
nicht recht/ wie mir seine Meinung in Zweiffel zu
ziehen in den Sinn kommen. Dieses aber sind al-
lezeit meine Gedancken gewesen/ daß zwischen der
Seele und vorerwehnter Einstimmung eine grosse
Verwandschafft sey/ und dein Gespräche hat mich
nicht wenig darinnen bestätiget/ daß man mir also
nothwendig einen besseren Grund zeigen muß/ da-
fern ich die Seele vor unsterblich halten soll. Doch
sey gebeten/ mir zugleiche zu entdecken/ ob Socra-
tes sich auch wie die andern über diesen Einwürffen
bestutzt befand/ ob er mit etwas Gewissen seine Mei-
nung bestätigen konte/ auf was vor Art er wiede-
rum zu teidigen begonnen/ wie er sich darinnen ver-
halten.

Weil ich den Socratem in dieser Welt gekennet/
So hat mich seine Art zu reden stets entzückt/
Doch hat mich dessen Krafft fast nie so starck berennet/
Als solches Sonnenklar itz und herfür geblickt,
Der
Socrates.
Wir waren gantz beſtuͤrtzt/ es wanckte Muth und Fuß/
Wir ſahen einen Satz den andern uͤberwinden/
Und lenckten allbereit auf dieſen letzten Schluß/
Doch konten wir uns auch nicht recht vergnuͤget finden.
Die Meinung Socrates war uns ſo hell und klar/
Daß unſer gantzer Geiſt damit zu frieden war/
Und itzt begunte er faſt wiederum zu wancken;
Dann weil der letzte Streit uns aus der Bahn gebracht/
So hielten wir das Werck vor irrige Gedancken/
Und unſer Urthel gantz begraben in der Nacht.
Es iſt nicht ohne Urſache Phaͤdon/ daß ihr in
dieſen Zweiffel und Verwirrung gerahten/ denn
mir iſt bloß aus deiner Erzehlung ein Mißtrauen
des Socrates Vorgeben erwachſen/ und weiß auch
nicht recht/ wie mir ſeine Meinung in Zweiffel zu
ziehen in den Sinn kommen. Dieſes aber ſind al-
lezeit meine Gedancken geweſen/ daß zwiſchen der
Seele und vorerwehnter Einſtimmung eine groſſe
Verwandſchafft ſey/ und dein Geſpraͤche hat mich
nicht wenig darinnen beſtaͤtiget/ daß man mir alſo
nothwendig einen beſſeren Grund zeigen muß/ da-
fern ich die Seele vor unſterblich halten ſoll. Doch
ſey gebeten/ mir zugleiche zu entdecken/ ob Socra-
tes ſich auch wie die andern uͤber dieſen Einwuͤrffen
beſtutzt befand/ ob er mit etwas Gewiſſen ſeine Mei-
nung beſtaͤtigen konte/ auf was vor Art er wiede-
rum zu teidigen begonnen/ wie er ſich darinnen ver-
halten.

Weil ich den Socratem in dieſer Welt gekennet/
So hat mich ſeine Art zu reden ſtets entzuͤckt/
Doch hat mich deſſen Krafft faſt nie ſo ſtarck berennet/
Als ſolches Sonnenklar itz und herfuͤr geblickt,
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SIM">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0327" n="69"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Socrates.</hi> </fw><lb/>
            <l>Wir waren gantz be&#x017F;tu&#x0364;rtzt/ es wanckte Muth und Fuß/</l><lb/>
            <l>Wir &#x017F;ahen einen Satz den andern u&#x0364;berwinden/</l><lb/>
            <l>Und lenckten allbereit auf die&#x017F;en letzten Schluß/</l><lb/>
            <l>Doch konten wir uns auch nicht recht vergnu&#x0364;get finden.</l><lb/>
            <l>Die Meinung Socrates war uns &#x017F;o hell und klar/</l><lb/>
            <l>Daß un&#x017F;er gantzer Gei&#x017F;t damit zu frieden war/</l><lb/>
            <l>Und itzt begunte er fa&#x017F;t wiederum zu wancken;</l><lb/>
            <l>Dann weil der letzte Streit uns aus der Bahn gebracht/</l><lb/>
            <l>So hielten wir das Werck vor irrige Gedancken/</l><lb/>
            <l>Und un&#x017F;er Urthel gantz begraben in der Nacht.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t nicht ohne Ur&#x017F;ache Pha&#x0364;don/ daß ihr in<lb/>
die&#x017F;en Zweiffel und Verwirrung gerahten/ denn<lb/>
mir i&#x017F;t bloß aus deiner Erzehlung ein Mißtrauen<lb/>
des Socrates Vorgeben erwach&#x017F;en/ und weiß auch<lb/>
nicht recht/ wie mir &#x017F;eine Meinung in Zweiffel zu<lb/>
ziehen in den Sinn kommen. Die&#x017F;es aber &#x017F;ind al-<lb/>
lezeit meine Gedancken gewe&#x017F;en/ daß zwi&#x017F;chen der<lb/>
Seele und vorerwehnter Ein&#x017F;timmung eine gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Verwand&#x017F;chafft &#x017F;ey/ und dein Ge&#x017F;pra&#x0364;che hat mich<lb/>
nicht wenig darinnen be&#x017F;ta&#x0364;tiget/ daß man mir al&#x017F;o<lb/>
nothwendig einen be&#x017F;&#x017F;eren Grund zeigen muß/ da-<lb/>
fern ich die Seele vor un&#x017F;terblich halten &#x017F;oll. Doch<lb/>
&#x017F;ey gebeten/ mir zugleiche zu entdecken/ ob Socra-<lb/>
tes &#x017F;ich auch wie die andern u&#x0364;ber die&#x017F;en Einwu&#x0364;rffen<lb/>
be&#x017F;tutzt befand/ ob er mit etwas Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine Mei-<lb/>
nung be&#x017F;ta&#x0364;tigen konte/ auf was vor Art er wiede-<lb/>
rum zu teidigen begonnen/ wie er &#x017F;ich darinnen ver-<lb/>
halten.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Weil ich den Socratem in die&#x017F;er Welt gekennet/</l><lb/>
            <l>So hat mich &#x017F;eine Art zu reden &#x017F;tets entzu&#x0364;ckt/</l><lb/>
            <l>Doch hat mich de&#x017F;&#x017F;en Krafft fa&#x017F;t nie &#x017F;o &#x017F;tarck berennet/</l><lb/>
            <l>Als &#x017F;olches Sonnenklar itz und herfu&#x0364;r geblickt,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
          </lg>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0327] Socrates. Wir waren gantz beſtuͤrtzt/ es wanckte Muth und Fuß/ Wir ſahen einen Satz den andern uͤberwinden/ Und lenckten allbereit auf dieſen letzten Schluß/ Doch konten wir uns auch nicht recht vergnuͤget finden. Die Meinung Socrates war uns ſo hell und klar/ Daß unſer gantzer Geiſt damit zu frieden war/ Und itzt begunte er faſt wiederum zu wancken; Dann weil der letzte Streit uns aus der Bahn gebracht/ So hielten wir das Werck vor irrige Gedancken/ Und unſer Urthel gantz begraben in der Nacht. Es iſt nicht ohne Urſache Phaͤdon/ daß ihr in dieſen Zweiffel und Verwirrung gerahten/ denn mir iſt bloß aus deiner Erzehlung ein Mißtrauen des Socrates Vorgeben erwachſen/ und weiß auch nicht recht/ wie mir ſeine Meinung in Zweiffel zu ziehen in den Sinn kommen. Dieſes aber ſind al- lezeit meine Gedancken geweſen/ daß zwiſchen der Seele und vorerwehnter Einſtimmung eine groſſe Verwandſchafft ſey/ und dein Geſpraͤche hat mich nicht wenig darinnen beſtaͤtiget/ daß man mir alſo nothwendig einen beſſeren Grund zeigen muß/ da- fern ich die Seele vor unſterblich halten ſoll. Doch ſey gebeten/ mir zugleiche zu entdecken/ ob Socra- tes ſich auch wie die andern uͤber dieſen Einwuͤrffen beſtutzt befand/ ob er mit etwas Gewiſſen ſeine Mei- nung beſtaͤtigen konte/ auf was vor Art er wiede- rum zu teidigen begonnen/ wie er ſich darinnen ver- halten. Weil ich den Socratem in dieſer Welt gekennet/ So hat mich ſeine Art zu reden ſtets entzuͤckt/ Doch hat mich deſſen Krafft faſt nie ſo ſtarck berennet/ Als ſolches Sonnenklar itz und herfuͤr geblickt, Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/327
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/327>, abgerufen am 22.11.2024.