Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Der sterbende So wisse dann/ daß auf den Stegen/ Doch ehe man die Sachen rührt/ Und diesen Fall wil wiederlegen/ So muß ich doch zuvor erwegen/ Was Cebes vor Gedancken führt/ Auf daß ich so in allen Dingen/ So es vergönt der kurtze Tag/ Und mir mein Wunsch noch soll gelingen/ Euch alle vergenügen mag/ Jn allem was ich für wil bringen. nöhtigte ihn gleichfals seinen Zweiffel zu bekennen/ wie Simias gethan hatte/ mit nachfolgenden Worten: Was ist es daß du nicht kanst fassen/ Und was dein ungeschickter Geist Mit Unrecht unverständlich heist/ Und nicht kan ungetadelt lassen. der Seele/ und der Einstimmung eine gleiche Be- schaffenheit habe/ dann daß sie gewesen/ ehe sie in den Leib kommen/ begehre ich keines weges zu ver- neinen/ und beruffe mich auf das jenige/ was du allbereit davon fürgebracht: Daß sie aber nach un- serem Tode übrig bleiben soll/ kan ich noch nicht recht in meinen Kopff bringen. Wiewol ich nicht von des Simias Meinung bin/ der gäntzlich darfür halten wil/ daß die Seele nichts bessers und dauer- hafftigers als der Leib sey; Sondern glaube für gewiß/ daß sie weit für trefflicher als dieser ist. Und schaue
Der ſterbende So wiſſe dann/ daß auf den Stegen/ Doch ehe man die Sachen ruͤhrt/ Und dieſen Fall wil wiederlegen/ So muß ich doch zuvor erwegen/ Was Cebes vor Gedancken fuͤhrt/ Auf daß ich ſo in allen Dingen/ So es vergoͤnt der kurtze Tag/ Und mir mein Wunſch noch ſoll gelingen/ Euch alle vergenuͤgen mag/ Jn allem was ich fuͤr wil bringen. noͤhtigte ihn gleichfals ſeinen Zweiffel zu bekennen/ wie Simias gethan hatte/ mit nachfolgenden Worten: Was iſt es daß du nicht kanſt faſſen/ Und was dein ungeſchickter Geiſt Mit Unrecht unverſtaͤndlich heiſt/ Und nicht kan ungetadelt laſſen. der Seele/ und der Einſtimmung eine gleiche Be- ſchaffenheit habe/ dann daß ſie geweſen/ ehe ſie in den Leib kommen/ begehre ich keines weges zu ver- neinen/ und beruffe mich auf das jenige/ was du allbereit davon fuͤrgebracht: Daß ſie aber nach un- ſerem Tode uͤbrig bleiben ſoll/ kan ich noch nicht recht in meinen Kopff bringen. Wiewol ich nicht von des Simias Meinung bin/ der gaͤntzlich darfuͤr halten wil/ daß die Seele nichts beſſers und dauer- hafftigers als der Leib ſey; Sondern glaube fuͤr gewiß/ daß ſie weit fuͤr trefflicher als dieſer iſt. Und ſchaue
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Der ſterbende
So wiſſe dann/ daß auf den Stegen/
Doch ehe man die Sachen ruͤhrt/
Und dieſen Fall wil wiederlegen/
So muß ich doch zuvor erwegen/
Was Cebes vor Gedancken fuͤhrt/
Auf daß ich ſo in allen Dingen/
So es vergoͤnt der kurtze Tag/
Und mir mein Wunſch noch ſoll gelingen/
Euch alle vergenuͤgen mag/
Jn allem was ich fuͤr wil bringen.
Darauf wendete er ſich gegen den Cebes/ und
noͤhtigte ihn gleichfals ſeinen Zweiffel zu bekennen/
wie Simias gethan hatte/ mit nachfolgenden
Worten:
Was iſt es daß du nicht kanſt faſſen/
Und was dein ungeſchickter Geiſt
Mit Unrecht unverſtaͤndlich heiſt/
Und nicht kan ungetadelt laſſen.
Mich beduͤncket/ antwortete Cebes/ daß es mit
der Seele/ und der Einſtimmung eine gleiche Be-
ſchaffenheit habe/ dann daß ſie geweſen/ ehe ſie in
den Leib kommen/ begehre ich keines weges zu ver-
neinen/ und beruffe mich auf das jenige/ was du
allbereit davon fuͤrgebracht: Daß ſie aber nach un-
ſerem Tode uͤbrig bleiben ſoll/ kan ich noch nicht
recht in meinen Kopff bringen. Wiewol ich nicht
von des Simias Meinung bin/ der gaͤntzlich darfuͤr
halten wil/ daß die Seele nichts beſſers und dauer-
hafftigers als der Leib ſey; Sondern glaube fuͤr
gewiß/ daß ſie weit fuͤr trefflicher als dieſer iſt. Und
ſchaue
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