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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Socrates.
Wann er sol aus dem Leben rücken/
Er liebt des Himmels Hauß allein.

Der geht mit Freuden aus der Welt;
Die aber voller groben Sinnen/
Und welcher Geist nichts höhers hält/
Die wissen dann nichts zu beginnen/
Sie meinen wie der Cörper fält/
Daß auch die Seele muß zurinnen.
Die Ursache/ warum die Weisen dem Tode mit
mehrem Muthe als die andern entgegen gehen/
rühret theils daher/ daß ihnen der Ort/ wohin
sie nach diesem irrdischen. Leben kommen sollen/
nicht unbekant ist/ theils/ daß ihr Geist/ so
gantz und gar der Nachforschung der Weiß-
heit ergeben gewesen/ nach und nach erlernet hat/
daß er in dem Leibe mit zimlich gefährlichen Ban-
den verknüpfft/ so ihm in eigentlicher Erkäntniß
der Sachen/ dahin er sich zu schwingen vermeinet/
nicht wenig verhinderlich seyn/ die Untersuchung
der Weißheit nun entledigt und entbindet ihn/ durch
einen undachläßlichen Fleiß von dieser Zunöhtigung/
und lehret ihn/ daß er wegen der Gemeinschafft
so er mit Fleisch und Blut hat/ leicht etwas anfälli-
ges fangen möchte/ so der Seelen höchst nachthei-
lig seyn könte. Eben dieses Bedencken/ so ihm die
Beflissenheit der Weißheit unvermerckt eingiebet/
verbindet ihn gleichsam dieser Vertrauligkeit/ so viel
immer möglich/ sich zu enthalten mit seinem Wir-
the/ als mit einen Fremden niemals recht einzustim-
men/ und sich zu keiner Zeit in Ergründung einiger
Wis-

Socrates.
Wann er ſol aus dem Leben ruͤcken/
Er liebt des Himmels Hauß allein.

Der geht mit Freuden aus der Welt;
Die aber voller groben Sinnen/
Und welcher Geiſt nichts hoͤhers haͤlt/
Die wiſſen dann nichts zu beginnen/
Sie meinen wie der Coͤrper faͤlt/
Daß auch die Seele muß zurinnen.
Die Urſache/ warum die Weiſen dem Tode mit
mehrem Muthe als die andern entgegen gehen/
ruͤhret theils daher/ daß ihnen der Ort/ wohin
ſie nach dieſem irrdiſchen. Leben kommen ſollen/
nicht unbekant iſt/ theils/ daß ihr Geiſt/ ſo
gantz und gar der Nachforſchung der Weiß-
heit ergeben geweſen/ nach und nach erlernet hat/
daß er in dem Leibe mit zimlich gefaͤhrlichen Ban-
den verknuͤpfft/ ſo ihm in eigentlicher Erkaͤntniß
der Sachen/ dahin er ſich zu ſchwingen vermeinet/
nicht wenig verhinderlich ſeyn/ die Unterſuchung
der Weißheit nun entledigt und entbindet ihn/ durch
einen uñachlaͤßlichen Fleiß von dieſer Zunoͤhtigung/
und lehret ihn/ daß er wegen der Gemeinſchafft
ſo er mit Fleiſch und Blut hat/ leicht etwas anfaͤlli-
ges fangen moͤchte/ ſo der Seelen hoͤchſt nachthei-
lig ſeyn koͤnte. Eben dieſes Bedencken/ ſo ihm die
Befliſſenheit der Weißheit unvermerckt eingiebet/
verbindet ihn gleichſam dieſer Vertrauligkeit/ ſo viel
immer moͤglich/ ſich zu enthalten mit ſeinem Wir-
the/ als mit einen Fremden niemals recht einzuſtim-
men/ und ſich zu keiner Zeit in Ergruͤndung einiger
Wiſ-
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[57/0315] Socrates. Wann er ſol aus dem Leben ruͤcken/ Er liebt des Himmels Hauß allein. Der geht mit Freuden aus der Welt; Die aber voller groben Sinnen/ Und welcher Geiſt nichts hoͤhers haͤlt/ Die wiſſen dann nichts zu beginnen/ Sie meinen wie der Coͤrper faͤlt/ Daß auch die Seele muß zurinnen. Die Urſache/ warum die Weiſen dem Tode mit mehrem Muthe als die andern entgegen gehen/ ruͤhret theils daher/ daß ihnen der Ort/ wohin ſie nach dieſem irrdiſchen. Leben kommen ſollen/ nicht unbekant iſt/ theils/ daß ihr Geiſt/ ſo gantz und gar der Nachforſchung der Weiß- heit ergeben geweſen/ nach und nach erlernet hat/ daß er in dem Leibe mit zimlich gefaͤhrlichen Ban- den verknuͤpfft/ ſo ihm in eigentlicher Erkaͤntniß der Sachen/ dahin er ſich zu ſchwingen vermeinet/ nicht wenig verhinderlich ſeyn/ die Unterſuchung der Weißheit nun entledigt und entbindet ihn/ durch einen uñachlaͤßlichen Fleiß von dieſer Zunoͤhtigung/ und lehret ihn/ daß er wegen der Gemeinſchafft ſo er mit Fleiſch und Blut hat/ leicht etwas anfaͤlli- ges fangen moͤchte/ ſo der Seelen hoͤchſt nachthei- lig ſeyn koͤnte. Eben dieſes Bedencken/ ſo ihm die Befliſſenheit der Weißheit unvermerckt eingiebet/ verbindet ihn gleichſam dieſer Vertrauligkeit/ ſo viel immer moͤglich/ ſich zu enthalten mit ſeinem Wir- the/ als mit einen Fremden niemals recht einzuſtim- men/ und ſich zu keiner Zeit in Ergruͤndung einiger Wiſ-

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/315>, abgerufen am 17.05.2024.