Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite
Socrates.
sichtbar/ die Seele aber unsichtbar/ aufs wenigste
von dem Menschen: Dann wir reden hier so viel
die menschliche Natur vermag/ in Betrachtung
welcher die Seele nicht kan erkieset werden. Wie
wir denn auch allbereit zuvor erwehnet haben/ daß
die Seele/ wann sie sich des Leibes/ etwas zu erken-
nen/ bedienen wil/ in gemein betrogen wird/ und al-
les unvollkommen betrachtet.

Die Seele so allzeit nach Klarheit tracht/
Befindet nur in dieser schwartzen Nacht/
Jn welcher sie der Cörper hat bestricket/
Der Augenlicht/ ohn allen rechten Schein/
Und weil sie nicht wil fälschlich seyn berücket/
So kan kein Sinn ihr rechter Führer seyn.
Der reine Geist mit Todeshaut umgeben
Kan seine Krafft nicht wie er wil erheben.
Es geht die Uhr der Sinnen wie sie wil/
Und weil ihn hier der schnöde Klumpen bindet/
So schaut der Witz gar offt ein falsches Ziel/
Und was sich nicht in der Natur befindet.
Das ist die Schwachheit des Leibes/ so der See-
len offtmals Ursach giebet/ sich zu den Sachen zu
lencken/ so in gemein der Enderung unterworffen/
und niemals auf eine Art anzutreffen sind.

Der reine Strom/ so aus den Felsen springet/
Und in den Bach mit schnellen Fluten dringet/
Wird durch den Schlam offt trüb und schwartz gemacht/
Und unser Geist/ wie rein er ist gebohren/
Verleuret bey den Sinnen seine Pracht/
Jn dem er ihm den faulen Weg erkohren.
Wann nun der Geist allein auf sich besteht/
Und ihm kein Sinn nicht an der Seiten geht/
Ja
D 4
Socrates.
ſichtbar/ die Seele aber unſichtbar/ aufs wenigſte
von dem Menſchen: Dann wir reden hier ſo viel
die menſchliche Natur vermag/ in Betrachtung
welcher die Seele nicht kan erkieſet werden. Wie
wir denn auch allbereit zuvor erwehnet haben/ daß
die Seele/ wann ſie ſich des Leibes/ etwas zu erken-
nen/ bedienen wil/ in gemein betrogen wird/ und al-
les unvollkommen betrachtet.

Die Seele ſo allzeit nach Klarheit tracht/
Befindet nur in dieſer ſchwartzen Nacht/
Jn welcher ſie der Coͤrper hat beſtricket/
Der Augenlicht/ ohn allen rechten Schein/
Und weil ſie nicht wil faͤlſchlich ſeyn beruͤcket/
So kan kein Sinn ihr rechter Fuͤhrer ſeyn.
Der reine Geiſt mit Todeshaut umgeben
Kan ſeine Krafft nicht wie er wil erheben.
Es geht die Uhr der Sinnen wie ſie wil/
Und weil ihn hier der ſchnoͤde Klumpen bindet/
So ſchaut der Witz gar offt ein falſches Ziel/
Und was ſich nicht in der Natur befindet.
Das iſt die Schwachheit des Leibes/ ſo der See-
len offtmals Urſach giebet/ ſich zu den Sachen zu
lencken/ ſo in gemein der Enderung unterworffen/
und niemals auf eine Art anzutreffen ſind.

Der reine Strom/ ſo aus den Felſen ſpringet/
Und in den Bach mit ſchnellen Fluten dringet/
Wird durch den Schlam offt truͤb und ſchwartz gemacht/
Und unſer Geiſt/ wie rein er iſt gebohren/
Verleuret bey den Sinnen ſeine Pracht/
Jn dem er ihm den faulen Weg erkohren.
Wann nun der Geiſt allein auf ſich beſteht/
Und ihm kein Sinn nicht an der Seiten geht/
Ja
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SOC">
          <p><pb facs="#f0307" n="49"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Socrates.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ichtbar/ die Seele aber un&#x017F;ichtbar/ aufs wenig&#x017F;te<lb/>
von dem Men&#x017F;chen: Dann wir reden hier &#x017F;o viel<lb/>
die men&#x017F;chliche Natur vermag/ in Betrachtung<lb/>
welcher die Seele nicht kan erkie&#x017F;et werden. Wie<lb/>
wir denn auch allbereit zuvor erwehnet haben/ daß<lb/>
die Seele/ wann &#x017F;ie &#x017F;ich des Leibes/ etwas zu erken-<lb/>
nen/ bedienen wil/ in gemein betrogen wird/ und al-<lb/>
les unvollkommen betrachtet.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Seele &#x017F;o allzeit nach Klarheit tracht/</l><lb/>
            <l>Befindet nur in die&#x017F;er &#x017F;chwartzen Nacht/</l><lb/>
            <l>Jn welcher &#x017F;ie der Co&#x0364;rper hat be&#x017F;tricket/</l><lb/>
            <l>Der Augenlicht/ ohn allen rechten Schein/</l><lb/>
            <l>Und weil &#x017F;ie nicht wil fa&#x0364;l&#x017F;chlich &#x017F;eyn beru&#x0364;cket/</l><lb/>
            <l>So kan kein Sinn ihr rechter Fu&#x0364;hrer &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Der reine Gei&#x017F;t mit Todeshaut umgeben</l><lb/>
            <l>Kan &#x017F;eine Krafft nicht wie er wil erheben.</l><lb/>
            <l>Es geht die Uhr der Sinnen wie &#x017F;ie wil/</l><lb/>
            <l>Und weil ihn hier der &#x017F;chno&#x0364;de Klumpen bindet/</l><lb/>
            <l>So &#x017F;chaut der Witz gar offt ein fal&#x017F;ches Ziel/</l><lb/>
            <l>Und was &#x017F;ich nicht in der Natur befindet.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t die Schwachheit des Leibes/ &#x017F;o der See-<lb/>
len offtmals Ur&#x017F;ach giebet/ &#x017F;ich zu den Sachen zu<lb/>
lencken/ &#x017F;o in gemein der Enderung unterworffen/<lb/>
und niemals auf eine Art anzutreffen &#x017F;ind.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l>Der reine Strom/ &#x017F;o aus den Fel&#x017F;en &#x017F;pringet/</l><lb/>
              <l>Und in den Bach mit &#x017F;chnellen Fluten dringet/</l><lb/>
              <l>Wird durch den Schlam offt tru&#x0364;b und &#x017F;chwartz gemacht/</l><lb/>
              <l>Und un&#x017F;er Gei&#x017F;t/ wie rein er i&#x017F;t gebohren/</l><lb/>
              <l>Verleuret bey den Sinnen &#x017F;eine Pracht/</l><lb/>
              <l>Jn dem er ihm den faulen Weg erkohren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Wann nun der Gei&#x017F;t allein auf &#x017F;ich be&#x017F;teht/</l><lb/>
              <l>Und ihm kein Sinn nicht an der Seiten geht/</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">D 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Ja</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0307] Socrates. ſichtbar/ die Seele aber unſichtbar/ aufs wenigſte von dem Menſchen: Dann wir reden hier ſo viel die menſchliche Natur vermag/ in Betrachtung welcher die Seele nicht kan erkieſet werden. Wie wir denn auch allbereit zuvor erwehnet haben/ daß die Seele/ wann ſie ſich des Leibes/ etwas zu erken- nen/ bedienen wil/ in gemein betrogen wird/ und al- les unvollkommen betrachtet. Die Seele ſo allzeit nach Klarheit tracht/ Befindet nur in dieſer ſchwartzen Nacht/ Jn welcher ſie der Coͤrper hat beſtricket/ Der Augenlicht/ ohn allen rechten Schein/ Und weil ſie nicht wil faͤlſchlich ſeyn beruͤcket/ So kan kein Sinn ihr rechter Fuͤhrer ſeyn. Der reine Geiſt mit Todeshaut umgeben Kan ſeine Krafft nicht wie er wil erheben. Es geht die Uhr der Sinnen wie ſie wil/ Und weil ihn hier der ſchnoͤde Klumpen bindet/ So ſchaut der Witz gar offt ein falſches Ziel/ Und was ſich nicht in der Natur befindet. Das iſt die Schwachheit des Leibes/ ſo der See- len offtmals Urſach giebet/ ſich zu den Sachen zu lencken/ ſo in gemein der Enderung unterworffen/ und niemals auf eine Art anzutreffen ſind. Der reine Strom/ ſo aus den Felſen ſpringet/ Und in den Bach mit ſchnellen Fluten dringet/ Wird durch den Schlam offt truͤb und ſchwartz gemacht/ Und unſer Geiſt/ wie rein er iſt gebohren/ Verleuret bey den Sinnen ſeine Pracht/ Jn dem er ihm den faulen Weg erkohren. Wann nun der Geiſt allein auf ſich beſteht/ Und ihm kein Sinn nicht an der Seiten geht/ Ja D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/307
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/307>, abgerufen am 22.11.2024.