Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite
Socrates.
nicht seiner Wissenschafft Beweiß anfuhren kön-
nen; Meinestu daß ein iedweder von dem/ was wir
itzund abgehandelt/ Rechenschafft zugeben wisse?
Wolte Gott/ sagte Cebes.

Dann Morgen ist es gantz verricht/
Und wann man/ wie das Urtheil spricht:
Dir wird das Gifftglaß übergeben/
So ist ja alles abgethan.
Wo findet man wol einen Mann/
Von allen diesen die itzt leben/
Der uns dergleichen lehren kan?
Jch trage grosse Furcht/ daß morgen keiner mehr
wird zu finden seyn/ so sich von dieser Sache recht zu
handeln unterstünde.
Socrates.
So glaubest du dann/ daß keiner in der Welt
dieses recht verstehe?
Cebes.
Das ist meine gäntzliche Meinung.
Socrates.
So muß dann unfehlbar folgen/ weil sie es nicht
wissen/ und doch zuvor gewust haben/ daß solches/
wann sie es lernen/ nur eine Erinnerung sey. Und wann
ist es dann geschehen/ daß unsere Seelen diese Wis-
senschafft erlanget haben? Dieses ist nicht nach/
sondern vor der Geburt geschehen. So ist leicht zu
schliessen/ sagte Simias/ daß unsere Seelen/ ehe
sie
D
Socrates.
nicht ſeiner Wiſſenſchafft Beweiß anfuhren koͤn-
nen; Meineſtu daß ein iedweder von dem/ was wir
itzund abgehandelt/ Rechenſchafft zugeben wiſſe?
Wolte Gott/ ſagte Cebes.

Dann Morgen iſt es gantz verricht/
Und wann man/ wie das Urtheil ſpricht:
Dir wird das Gifftglaß uͤbergeben/
So iſt ja alles abgethan.
Wo findet man wol einen Mann/
Von allen dieſen die itzt leben/
Der uns dergleichen lehren kan?
Jch trage groſſe Furcht/ daß morgen keiner mehr
wird zu finden ſeyn/ ſo ſich von dieſer Sache recht zu
handeln unterſtuͤnde.
Socrates.
So glaubeſt du dann/ daß keiner in der Welt
dieſes recht verſtehe?
Cebes.
Das iſt meine gaͤntzliche Meinung.
Socrates.
So muß dann unfehlbar folgen/ weil ſie es nicht
wiſſen/ und doch zuvor gewuſt haben/ daß ſolches/
wañ ſie es lernen/ nur eine Erinnerung ſey. Und wañ
iſt es dann geſchehen/ daß unſere Seelen dieſe Wiſ-
ſenſchafft erlanget haben? Dieſes iſt nicht nach/
ſondern vor der Geburt geſchehen. So iſt leicht zu
ſchlieſſen/ ſagte Simias/ daß unſere Seelen/ ehe
ſie
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SIM">
          <p><pb facs="#f0301" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Socrates.</hi></fw><lb/>
nicht &#x017F;einer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft Beweiß anfuhren ko&#x0364;n-<lb/>
nen; Meine&#x017F;tu daß ein iedweder von dem/ was wir<lb/>
itzund abgehandelt/ Rechen&#x017F;chafft zugeben wi&#x017F;&#x017F;e?<lb/>
Wolte Gott/ &#x017F;agte Cebes.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Dann Morgen i&#x017F;t es gantz verricht/</l><lb/>
            <l>Und wann man/ wie das Urtheil &#x017F;pricht:</l><lb/>
            <l>Dir wird das Gifftglaß u&#x0364;bergeben/</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t ja alles abgethan.</l><lb/>
            <l>Wo findet man wol einen Mann/</l><lb/>
            <l>Von allen die&#x017F;en die itzt leben/</l><lb/>
            <l>Der uns dergleichen lehren kan?</l>
          </lg><lb/>
          <p>Jch trage gro&#x017F;&#x017F;e Furcht/ daß morgen keiner mehr<lb/>
wird zu finden &#x017F;eyn/ &#x017F;o &#x017F;ich von die&#x017F;er Sache recht zu<lb/>
handeln unter&#x017F;tu&#x0364;nde.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SOC">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Socrates.</hi> </speaker><lb/>
          <p>So glaube&#x017F;t du dann/ daß keiner in der Welt<lb/>
die&#x017F;es recht ver&#x017F;tehe?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#CEB">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Cebes.</hi> </speaker><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t meine ga&#x0364;ntzliche Meinung.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SOC">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Socrates.</hi> </speaker><lb/>
          <p>So muß dann unfehlbar folgen/ weil &#x017F;ie es nicht<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en/ und doch zuvor gewu&#x017F;t haben/ daß &#x017F;olches/<lb/>
wan&#x0303; &#x017F;ie es lernen/ nur eine Erinnerung &#x017F;ey. Und wan&#x0303;<lb/>
i&#x017F;t es dann ge&#x017F;chehen/ daß un&#x017F;ere Seelen die&#x017F;e Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chafft erlanget haben? Die&#x017F;es i&#x017F;t nicht nach/<lb/>
&#x017F;ondern vor der Geburt ge&#x017F;chehen. So i&#x017F;t leicht zu<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;agte Simias/ daß un&#x017F;ere Seelen/ ehe<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0301] Socrates. nicht ſeiner Wiſſenſchafft Beweiß anfuhren koͤn- nen; Meineſtu daß ein iedweder von dem/ was wir itzund abgehandelt/ Rechenſchafft zugeben wiſſe? Wolte Gott/ ſagte Cebes. Dann Morgen iſt es gantz verricht/ Und wann man/ wie das Urtheil ſpricht: Dir wird das Gifftglaß uͤbergeben/ So iſt ja alles abgethan. Wo findet man wol einen Mann/ Von allen dieſen die itzt leben/ Der uns dergleichen lehren kan? Jch trage groſſe Furcht/ daß morgen keiner mehr wird zu finden ſeyn/ ſo ſich von dieſer Sache recht zu handeln unterſtuͤnde. Socrates. So glaubeſt du dann/ daß keiner in der Welt dieſes recht verſtehe? Cebes. Das iſt meine gaͤntzliche Meinung. Socrates. So muß dann unfehlbar folgen/ weil ſie es nicht wiſſen/ und doch zuvor gewuſt haben/ daß ſolches/ wañ ſie es lernen/ nur eine Erinnerung ſey. Und wañ iſt es dann geſchehen/ daß unſere Seelen dieſe Wiſ- ſenſchafft erlanget haben? Dieſes iſt nicht nach/ ſondern vor der Geburt geſchehen. So iſt leicht zu ſchlieſſen/ ſagte Simias/ daß unſere Seelen/ ehe ſie D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/301
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/301>, abgerufen am 22.11.2024.