Hofmannsthal, Hugo von: Tod des Tizian. Berlin, 1902. Page: Nichts, nichts. Der Meister hat befohlen, Dass wir vom Gartensaal die Bilder holen. Tizianello: Was will er denn? Page: Er sagt, er muss sie sehen ... "Die alten, die erbärmlichen, die bleichen, Mit seinem neuen, das er malt, vergleichen ... Sehr schwere Dinge seien ihm jetzt klar, Es komme ihm ein unerhört Verstehen, Dass er bis jetzt ein matter Stümper war ..." Soll man ihm folgen? Tizianello: Gehet, gehet, eilt! Ihn martert jeder Pulsschlag, den ihr weilt. Die Diener sind indessen über die Bühne gegangen. An der Treppe holt sie der Page ein. Tizianello geht auf den Fuss- spitzen, leise den Vorhang aufhebend, hinein. Die Andern gehen unruhig auf und nieder. Antonio, halblaut: Wie fürchterlich, das Letzte, wie unsäglich ... Der Göttliche, der Meister, lallend, kläglich ... Tizianello, zurückkommend: Jetzt ist er wieder ruhig. Und es strahlt Aus seiner Blässe, und er malt und malt. In seinen Augen ist ein guter Schimmer, Und mit den Mädchen plaudert er wie immer. Antonio: So legen wir uns auf die Stufen nieder Und hoffen bis zum nächsten Schlimmern wieder. Sie lagern sich auf den Stufen. Tizianello spielt mit Gianinos Haar, die Augen halb geschlossen. Page: Nichts, nichts. Der Meister hat befohlen, Dass wir vom Gartensaal die Bilder holen. Tizianello: Was will er denn? Page: Er sagt, er muss sie sehen … „Die alten, die erbärmlichen, die bleichen, Mit seinem neuen, das er malt, vergleichen … Sehr schwere Dinge seien ihm jetzt klar, Es komme ihm ein unerhört Verstehen, Dass er bis jetzt ein matter Stümper war …“ Soll man ihm folgen? Tizianello: Gehet, gehet, eilt! Ihn martert jeder Pulsschlag, den ihr weilt. Die Diener sind indessen über die Bühne gegangen. An der Treppe holt sie der Page ein. Tizianello geht auf den Fuss- spitzen, leise den Vorhang aufhebend, hinein. Die Andern gehen unruhig auf und nieder. Antonio, halblaut: Wie fürchterlich, das Letzte, wie unsäglich … Der Göttliche, der Meister, lallend, kläglich … Tizianello, zurückkommend: Jetzt ist er wieder ruhig. Und es strahlt Aus seiner Blässe, und er malt und malt. In seinen Augen ist ein guter Schimmer, Und mit den Mädchen plaudert er wie immer. Antonio: So legen wir uns auf die Stufen nieder Und hoffen bis zum nächsten Schlimmern wieder. Sie lagern sich auf den Stufen. Tizianello spielt mit Gianinos Haar, die Augen halb geschlossen. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0019" n="11"/> <sp who="#PAG"> <speaker> <hi rendition="#g">Page:</hi> </speaker> <p>Nichts, nichts. Der Meister hat befohlen,<lb/> Dass wir vom Gartensaal die Bilder holen.</p> </sp><lb/> <sp who="#TIZI"> <speaker> <hi rendition="#g">Tizianello:</hi> </speaker> <p>Was will er denn?</p> </sp><lb/> <sp who="#PAG"> <speaker> <hi rendition="#g">Page:</hi> </speaker> <p>Er sagt, er muss sie sehen …<lb/> „Die alten, die erbärmlichen, die bleichen,<lb/> Mit seinem neuen, das er malt, vergleichen …<lb/> Sehr schwere Dinge seien ihm jetzt klar,<lb/> Es komme ihm ein unerhört Verstehen,<lb/> Dass er bis jetzt ein matter Stümper war …“<lb/> Soll man ihm folgen?</p> </sp><lb/> <sp who="#TIZI"> <speaker> <hi rendition="#g">Tizianello:</hi> </speaker> <p>Gehet, gehet, eilt!<lb/> Ihn martert jeder Pulsschlag, den ihr weilt.</p> </sp><lb/> <stage>Die Diener sind indessen über die Bühne gegangen. An der<lb/> Treppe holt sie der Page ein. Tizianello geht auf den Fuss-<lb/> spitzen, leise den Vorhang aufhebend, hinein. Die Andern gehen<lb/> unruhig auf und nieder.</stage><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker> <hi rendition="#g">Antonio,</hi> </speaker> <stage>halblaut:</stage><lb/> <p>Wie fürchterlich, das Letzte, wie unsäglich …<lb/> Der Göttliche, der Meister, lallend, kläglich …</p> </sp><lb/> <sp who="#TIZI"> <speaker> <hi rendition="#g">Tizianello,</hi> </speaker> <stage>zurückkommend:</stage><lb/> <p>Jetzt ist er wieder ruhig. Und es strahlt<lb/> Aus seiner Blässe, und er malt und malt.<lb/> In seinen Augen ist ein guter Schimmer,<lb/> Und mit den Mädchen plaudert er wie immer.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker> <hi rendition="#g">Antonio:</hi> </speaker> <p>So legen wir uns auf die Stufen nieder<lb/> Und hoffen bis zum nächsten Schlimmern wieder.</p> </sp><lb/> <stage>Sie lagern sich auf den Stufen. Tizianello spielt mit Gianinos<lb/> Haar, die Augen halb geschlossen.</stage><lb/> </body> </text> </TEI> [11/0019]
Page: Nichts, nichts. Der Meister hat befohlen,
Dass wir vom Gartensaal die Bilder holen.
Tizianello: Was will er denn?
Page: Er sagt, er muss sie sehen …
„Die alten, die erbärmlichen, die bleichen,
Mit seinem neuen, das er malt, vergleichen …
Sehr schwere Dinge seien ihm jetzt klar,
Es komme ihm ein unerhört Verstehen,
Dass er bis jetzt ein matter Stümper war …“
Soll man ihm folgen?
Tizianello: Gehet, gehet, eilt!
Ihn martert jeder Pulsschlag, den ihr weilt.
Die Diener sind indessen über die Bühne gegangen. An der
Treppe holt sie der Page ein. Tizianello geht auf den Fuss-
spitzen, leise den Vorhang aufhebend, hinein. Die Andern gehen
unruhig auf und nieder.
Antonio, halblaut:
Wie fürchterlich, das Letzte, wie unsäglich …
Der Göttliche, der Meister, lallend, kläglich …
Tizianello, zurückkommend:
Jetzt ist er wieder ruhig. Und es strahlt
Aus seiner Blässe, und er malt und malt.
In seinen Augen ist ein guter Schimmer,
Und mit den Mädchen plaudert er wie immer.
Antonio: So legen wir uns auf die Stufen nieder
Und hoffen bis zum nächsten Schlimmern wieder.
Sie lagern sich auf den Stufen. Tizianello spielt mit Gianinos
Haar, die Augen halb geschlossen.
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Zitationshilfe: | Hofmannsthal, Hugo von: Tod des Tizian. Berlin, 1902, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannsthal_tizian_1901/19>, abgerufen am 08.07.2024. |