Hofmannsthal, Hugo von: Tod des Tizian. Berlin, 1902.Schmück ich dein Bild mit Zweig und Blüten nur? Und du hast mir das Bild der Welt geschmückt, Und aller Blütenzweige Lieblichkeit Mit einem solchen Glanze überhöht, Dass ich mich trunken an den Boden warf Und jauchzend fühlte, wie sie ihr Gewand Mir sinken liess, die leuchtende Natur! Hör mich, mein Freund! ich will nicht Herolde Aussenden, dass sie deinen Namen schrein In die vier Winde, wie wenn Könige sterben: Ein König lässt dem Erben seinen Ruf Und einem Grabstein seines Namens Schall. -- Doch du warst solch ein grosser Zauberer, Dein Sichtbares ging fort, doch weiss ich nicht Was da und dort nicht alles von dir bleibt, Mit heimlicher fortlebender Gewalt Sich dunklen Auges aus der nächtigen Flut Zum Ufer hebt -- oder sein haarig Ohr Hinter dem Epheu horchend reckt, drum will ich Nie glauben, dass ich irgendwo allein bin, Wo Bäume oder Blumen sind, ja selbst Nur schweigendes Gestein und kleine Wölkchen Unter dem Himmel sind: leicht dass ein Etwas, Durchsichtiger wie Ariel, mir im Rücken Hingaukelt, denn ich weiss: geheimnisvoll War zwischen dir und mancher Creatur Schmück ich dein Bild mit Zweig und Blüten nur? Und du hast mir das Bild der Welt geschmückt, Und aller Blütenzweige Lieblichkeit Mit einem solchen Glanze überhöht, Dass ich mich trunken an den Boden warf Und jauchzend fühlte, wie sie ihr Gewand Mir sinken liess, die leuchtende Natur! Hör mich, mein Freund! ich will nicht Herolde Aussenden, dass sie deinen Namen schrein In die vier Winde, wie wenn Könige sterben: Ein König lässt dem Erben seinen Ruf Und einem Grabstein seines Namens Schall. — Doch du warst solch ein grosser Zauberer, Dein Sichtbares ging fort, doch weiss ich nicht Was da und dort nicht alles von dir bleibt, Mit heimlicher fortlebender Gewalt Sich dunklen Auges aus der nächtigen Flut Zum Ufer hebt — oder sein haarig Ohr Hinter dem Epheu horchend reckt, drum will ich Nie glauben, dass ich irgendwo allein bin, Wo Bäume oder Blumen sind, ja selbst Nur schweigendes Gestein und kleine Wölkchen Unter dem Himmel sind: leicht dass ein Etwas, Durchsichtiger wie Ariel, mir im Rücken Hingaukelt, denn ich weiss: geheimnisvoll War zwischen dir und mancher Creatur <TEI> <text> <body> <sp who="#PROLOG"> <pb facs="#f0015" n="7"/> <p>Schmück ich dein Bild mit Zweig und Blüten nur?<lb/> Und du hast mir das Bild der Welt geschmückt,<lb/> Und aller Blütenzweige Lieblichkeit<lb/> Mit einem solchen Glanze überhöht,<lb/> Dass ich mich trunken an den Boden warf<lb/> Und jauchzend fühlte, wie sie ihr Gewand<lb/> Mir sinken liess, die leuchtende Natur!</p><lb/> <p>Hör mich, mein Freund! ich will nicht Herolde<lb/> Aussenden, dass sie deinen Namen schrein<lb/> In die vier Winde, wie wenn Könige sterben:<lb/> Ein König lässt dem Erben seinen Ruf<lb/> Und einem Grabstein seines Namens Schall. —<lb/> Doch du warst solch ein grosser Zauberer,<lb/> Dein Sichtbares ging fort, doch weiss ich nicht<lb/> Was da und dort nicht alles von dir bleibt,<lb/> Mit heimlicher fortlebender Gewalt<lb/> Sich dunklen Auges aus der nächtigen Flut<lb/> Zum Ufer hebt — oder sein haarig Ohr<lb/> Hinter dem Epheu horchend reckt,<lb/> drum will ich<lb/> Nie glauben, dass ich irgendwo allein bin,<lb/> Wo Bäume oder Blumen sind, ja selbst<lb/> Nur schweigendes Gestein und kleine Wölkchen<lb/> Unter dem Himmel sind: leicht dass ein Etwas,<lb/> Durchsichtiger wie Ariel, mir im Rücken<lb/> Hingaukelt, denn ich weiss: geheimnisvoll<lb/> War zwischen dir und mancher Creatur<lb/></p> </sp> </body> </text> </TEI> [7/0015]
Schmück ich dein Bild mit Zweig und Blüten nur?
Und du hast mir das Bild der Welt geschmückt,
Und aller Blütenzweige Lieblichkeit
Mit einem solchen Glanze überhöht,
Dass ich mich trunken an den Boden warf
Und jauchzend fühlte, wie sie ihr Gewand
Mir sinken liess, die leuchtende Natur!
Hör mich, mein Freund! ich will nicht Herolde
Aussenden, dass sie deinen Namen schrein
In die vier Winde, wie wenn Könige sterben:
Ein König lässt dem Erben seinen Ruf
Und einem Grabstein seines Namens Schall. —
Doch du warst solch ein grosser Zauberer,
Dein Sichtbares ging fort, doch weiss ich nicht
Was da und dort nicht alles von dir bleibt,
Mit heimlicher fortlebender Gewalt
Sich dunklen Auges aus der nächtigen Flut
Zum Ufer hebt — oder sein haarig Ohr
Hinter dem Epheu horchend reckt,
drum will ich
Nie glauben, dass ich irgendwo allein bin,
Wo Bäume oder Blumen sind, ja selbst
Nur schweigendes Gestein und kleine Wölkchen
Unter dem Himmel sind: leicht dass ein Etwas,
Durchsichtiger wie Ariel, mir im Rücken
Hingaukelt, denn ich weiss: geheimnisvoll
War zwischen dir und mancher Creatur
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Zitationshilfe: | Hofmannsthal, Hugo von: Tod des Tizian. Berlin, 1902, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannsthal_tizian_1901/15>, abgerufen am 08.07.2024. |